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DDG weist auf wichtige Diabetes-Warnzeichen hin und fordert mehr Prävention für Kinder

Urlaubszeit: Erhöhte Gefahr für Stoffwechselentgleisungen bei unerkanntem Diabetes Typ 1

BerlinImmer mehr Kinder und Jugendliche erleiden aufgrund eines unerkannten Diabetes Typ 1 eine schwere Stoffwechselentgleisung – die sogenannte diabetische Ketoazidose (DKA). Die Gefahr für eine DKA ist an Wochenenden und in der Urlaubszeit besonders groß – dies zeigen kürzlich publiziert Untersuchungen.1/2Mangelndes Wissen in der Bevölkerung über Diabetes, seine Symptome und Folgen führt noch immer zu einer verzögerten Behandlung. Zudem fehlt es gerade in der Notversorgung an Wochenenden und Feiertagen oft an pädiatrischer Expertise – so die Studienautoren. Anlässlich der bevorstehenden Urlaubszeit appelliert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), die Symptome der häufigsten Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter ausreichend zu kennen. Denn eine DKA kann lebensbedrohlich sein und traumatische Folgen für Patientinnen und Patienten haben.

Diabetes mellitus Typ 1 ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter, wird aber oft erst spät erkannt: Etwa jede vierte Neudiagnose erfolgt, wenn bereits eine Ketoazidose (DKA) besteht. Diese Stoffwechselübersäuerung wird durch schweren Insulinmangel hervorgerufen. Glukose kann nicht mehr in ausreichender Menge in die Zellen aufgenommen werden. Infolgedessen deckt der Körper seinen Energiebedarf über den Abbau von Fetten. Das führt zu einem vermehrten Anfall von Ketonkörpern und erfordert eine sofortige intensivmedizinische Behandlung. „Schlimmstenfalls mündet dies im diabetischen Koma, das lebensbedrohlich sein kann“, erklärt Professor Dr. med. Andreas Neu, Past-Präsident der DDG. „Umso wichtiger ist es, Diabetes Typ 1 frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.“

Eine aktuell erschienene Publikation zeigt, dass von 2011 bis 2023 die Zahl der DKA-Fälle bei Kindern und Jugendlichen deutlich zugenommen hat – insbesondere in den Jahren 2020 bis 2022.1 Als Daten-Grundlage für die Untersuchung diente das DPV-Register, in dem etwa 93 Prozent aller pädiatrischen Patientinnen und Patienten mit Diabetes Typ 1 in Deutschland erfasst sind. „Die Ursachen für die Zunahme der DKA-Fälle sind sicher multifaktoriell: Überlastung des Gesundheitssystems, mangelnde pädiatrische Expertise, verspätetes Aufsuchen medizinischer Einrichtungen und Verkennung von Ketoazidose-Symptomen“, zählt Kinderdiabetologe Neu auf. „Was uns besonders beschäftigt und schockiert ist, dass die Daten einen seit Jahren anhaltenden Trend aufzeigen. Diese Entwicklung müssen wir dringend stoppen.“ Neben der Stärkung der Versorgungsstrukturen muss vor allem bei Angehörigen, aber auch bei medizinischem Personal, in Kitas und Schulen mehr Aufklärungsarbeit stattfinden. Zu überlegen wäre auch ein Massenscreening auf Frühstadien des Diabetes Typ 1, was jedoch kontrovers diskutiert wird.

Dass offenbar zu wenig öffentliches Bewusstsein für die Symptome des Diabetes Typ 1 und eine DKA besteht, zeigt auch eine weitere aktuelle Studie. Diese widmete sich den Diagnosezeitpunkten eines Diabetes Typ 1.2 Die Autoren gingen der Frage nach, an welchen Wochentagen vermehrt Diabetesdiagnosen gestellt werden. Das Ergebnis: An Wochenenden, Feiertagen und in Urlaubszeiten werden deutlich seltener Diagnosen gestellt als an Wochentagen – somit steigt zu diesen Zeiten die Gefahr für eine DKA. Montags und dienstags werden die meisten Diagnosen gestellt. „Es kommen sicher mehrere Faktoren zusammen, die diese Beobachtung erklären: zum einen ist an Wochentagen medizinisches Personal besser verfügbar und die Angehörigen schieben die Vorstellung beim Arzt daher auf. Das erklärt auch die hohen Diagnosezahlen zum Wochenbeginn. Zum anderen ist den Eltern dann auch nicht bewusst, welcher Gefahr das Kind ausgesetzt ist“, betont Neu. Hier spiele wiederum die mangelnde Kenntnis der Symptome eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus sei die bereitschaftsdienstliche Notfallversorgung oft nicht speziell pädiatrisch geschult, sondern decke eher ein breites Spektrum an Fachwissen ab. „Damit ist die Gefahr erhöht, die Symptome falsch zu interpretieren“, gibt Neu zu bedenken.

Anlässlich der Urlaubszeit weist die DDG auf die typischen Symptome eines Diabetes Typ 1 und einer diabetischen Ketoazidose hin, um das Bewusstsein der Familien für die Stoffwechselerkrankung zu schärfen:

Die 4 typischen Warnzeichen für einen Diabetes Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen:

  • ständiger Durst
  • häufiges Wasserlassen
  • Gewichtsabnahme
  • Müdigkeit

Die typischen Symptome einer DKA sind:

  • Starkes Durstgefühl
  • Häufiges Wasserlassen
  • trockene Haut und Mundschleimhaut
  • Müdigkeit
  • Benommenheit
  • Bauchschmerzen
  • Übelkeit/Erbrechen
  • vertiefte Atmung oder Hyperventilation
  • Azetongeruch der Atemluft

Weitere Information:

Um das Risiko für eine diabetische Ketoazidose zu senken, hat die pädiatrische Arbeitsgemeinschaft der DDG gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten e.V. (BVKJ) eine bundesweite Kampagne initiiert, die über die typischen 4 Warnzeichen für Typ-1 Diabetes bei Kindern und Jugendlichen aufklärt. Sie fokussiert auf Familien mit kleinen Kindern, die im Rahmen der kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen U6 und U7a Informationsflyer erhalten.

Literatur:

1Bächle C, Kamrath C, Eckert A, Mönkemöller K, Menzel U, Näke A, Rosenbauer J, Holl RW: Diabetic ketoacidosis at the onset of type I diabetes among children in Germany—analysis of the prospective DPV registry from 2011 to June 2023. Dtsch Arztebl Int 2024; 121:272–3. DOI: 10.3238/arztebl.m2024.0021

2Kamrath c. et al., Association of Diabetic Ketoacidosis in Childhood New-Onset Type 1 Diabetes With Day of Presentation in Germany, Diabetes Care 2024; 47(4):649–652. https://doi.org/10.2337/dc23-1643,

Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG):

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit mehr als 9300 Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und Forschung, engagiert sich seit 1964 in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der mehr als acht Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.

Im Jubiläumsjahr 2024 begeht sie ihren 60. Geburtstag und macht in zahlreichen Aktionen auf die Herausforderungen rund um den Diabetes mellitus und den steigenden Bedarf an Prävention, Forschung sowie modernen Therapien aufmerksam – und setzt sich für das Fach sowie für Menschen mit Diabetes ein.