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Seltener Bauchspeicheldrüsenkrebs zeigt sich angreifbar
Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum haben eine seltene Art von Krebs der Bauchspeicheldrüse umfassend molekular analysiert. Dabei entdeckten sie eine Vielzahl an zellulären Veränderungen, gegen die bereits zielgerichtete Medikamente verfügbar und teilweise sogar für die Therapie zugelassen sind.
Bösartige Neubildungen an der Bauchspeicheldrüse zählen nach wie vor zu den Krebsarten mit der ungünstigsten Prognose, kaum zehn Prozent der Betroffenen überleben die ersten fünf Jahre nach der Diagnose. Daher suchen Ärzte und Forscher dringend nach neuen Wegen, die Erkrankung gezielt aufzuhalten.
Etwa 90 Prozent der Tumoren der Bauchspeicheldrüse entstehen aus den Drüsengängen des Organs. Daneben gibt es eine Reihe deutlich seltenerer Krebsarten, unter anderem das Azinuskarzinom, das aus bestimmten Drüsenzellen des Pankreas hervorgeht. Aufgrund ihrer Seltenheit – sie macht nur etwa zwei Prozent aller Fälle von Bauchspeicheldrüsenkrebs aus – ist über diese Krankheit besonders wenig bekannt.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Tumorbiologie der verschiedenen Pankreaskarzinome erheblich unterscheidet. Um die tumortreibenden Zellveränderungen mit zielgerichteten Medikamenten präzise angreifen zu können, müssen daher zunächst die molekularen Charakteristika jeder dieser Gruppen von Tumoren bekannt sein. Das Team um Peter Schmezer, Odilia Popanda und Christoph Plass vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) hat nun in Kooperation mit Kollegen vom Institut für Pathologie der Universitätsklinik Heidelberg die weltweit größte Studie an dieser seltenen Erkrankung durchgeführt und dabei Gewebeproben von 74 Azinuskarzinomen umfassend molekular analysiert.
Die DKFZ-Forscher fanden beim Azinuskarzinom keine wiederkehrenden krebstreibenden Punktmutationen in tumorrelevanten Genen, wie sie für Krebs des Bauchspeicheldrüsengangs charakteristisch sind. Vielmehr sind diese Tumoren durch teilweise ausgedehnte Verluste oder Zugewinne von Erbmaterial gekennzeichnet. Sehr häufig weicht auch die Markierung des Genoms mit kleinen chemischen Markern vom Markierungsmuster in gesunden Zellen ab. Dieser so genannte epigenetische Code entscheidet darüber, welche Gene abgelesen werden oder aber stumm bleiben und hat dadurch erheblichen Einfluss auf Krebsentstehung und Ausbreitung.
Bei etwa 70 Prozent der untersuchten Azinuskarzinome entdeckten die Forscher defekte DNA-Reparaturgene, die dazu führen können, dass die Zellen Erbgutfehler nicht erfolgreich beheben können. Außerdem fanden sich häufig Mutationen in Genen, die den Zellzyklus regulieren sowie Erbgutdefekte, die typischerweise durch Tabakrauch hervorgerufen werden.
„Die Ergebnisse bestätigen, dass das Azinuskarzimom des Pankreas eine völlig andere Tumorbiologie und damit eine andere Entstehungsgeschichte hat als die Tumoren des Bauschspeicheldrüsengangs. Erfreulich ist, dass gegen zahlreiche der häufigen Veränderungen, die wir bei den Azinuskarzinomen gefunden haben, bereits zielgerichtete Wirkstoffe existieren, die teilweise sogar für die Therapie bereits zugelassen sind“, sagt Peter Schmezer.
Insbesondere bei sehr seltenen Krebserkrankungen wie dem Azinuskarzinom der Bauchspeicheldrüse ist es schwierig, die Wirksamkeit neuer Medikamente mit klassischen klinischen Studien zu erproben. Dieses Problem könnte durch die neuen so genannten „basket trials“ gelöst werden. Dabei werden nicht Patienten mit einer bestimmten Krebsart zusammengefasst, sondern Tumoren, die identische krebstreibende Mutationen tragen – unabhängig davon, in welchem Organ sie auftreten.
Cornelia Jäkel, Frank Bergmann, Reka Toth, Yassen Assenov, Daniel van der Duin, Oliver Strobel, Thomas Hank, Günter Klöppel, Craig Dorrell, Markus Grompe, Joshua Moss, Yuval Dor, Peter Schirmacher, Christoph Plass, Odilia Popanda, Peter Schmezer: Genome-wide genetic and epigenetic analyses of pancreatic acinar cell carcinomas reveal aberrations in genome stability
Nature Communication 2017, DOI: 10.1038/s41467-017-01118-x
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.