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Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie warnt vor unkritischem Umgang mit den neuen Grenzwerten für Bluthochdruck
(15.12.2017) Die im November 2017 veröffentlichten niedrigeren Grenzwerte für den Bluthochdruck gefährden ältere Patienten – zumindest bei unkritischer Anwendung. Nach den neuen Empfehlungen amerikanischer Fachgesellschaften gilt jetzt nur noch ein Blutdruck von weniger als 120/80 mm Hg als normal. Bereits ab einem Blutdruck von 130/80 mm Hg liegt ein Bluthochdruck vor.
Die neuen amerikanischen Empfehlungen stützen sich auf aktuelle Untersuchungen, die in der Tat auch für ältere Patienten den Nutzen einer intensiveren Blutdrucksenkung belegen konnten. Die diesbezüglichen Studien wurden sorgfältig durchgeführt und die jeweiligen Ergebnisse sind nachvollziehbar. Das Problem taucht bei der Übertragung der Studienergebnisse auf den älteren Patienten im Praxisalltag auf. Hier sind im Wesentlichen zwei Aspekte zu nennen:
1. Die automatische, unbeobachtete Blutdruckselbstmessung, die in der wesentlichen Studie eingesetzt wurde, führt zu Blutdruckwerten, die etwa 15/8 mm Hg niedriger liegen als Messungen durch medizinisches Personal.
2. In die Studie wurden nur sehr rüstige, zuhause lebende, ältere Patienten aufgenommen. So fit wie die Patienten der Studie sind aber bei weitem nicht alle Personen im höheren Lebensalter.
Die große Gefahr liegt daher in der Übertragung dieser Studienergebnisse auf den älteren Patienten im Allgemeinen. Häufig befinden sich ältere Patienten in einem schlechteren Allgemeinzustand mit zahlreichen Begleiterkrankungen wie zum Beispiel einer kognitiven Beeinträchtigung. Unter Umständen leben sie aufgrund einer oder mehrerer Behinderungen bereits in Alten- und Pflegeeinrichtungen. Da Patienten dieser Art gar nicht in die erwähnten Studien aufgenommen wurden, kann streng genommen zu diesen älteren Patienten in schlechterem Allgemeinzustand keine Aussage gemacht werden.
Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass bei vielfach erkrankten hochbetagten Patienten eine intensivere Blutdrucksenkung mit vielen Problemen einhergeht. Der niedrige Blutdruck bedeutet eine größere Sturzgefahr und damit auch eine größere Gefahr, eine Fraktur zu erleiden. Außerdem geht ein niedriger Blutdruck bei diesen Patienten mit einer erhöhten Sterblichkeit einher. So haben Altenheimbewohner, deren Blutdruck mit zwei oder mehr Blutdruck senkenden Präparaten auf <130 mm Hg gesenkt wurde, eine um 78 Prozent höhere Sterblichkeit als Bewohner, die nur ein Mittel zur Blutdrucksenkung erhielten und deren Blutdruck bei > 130 mm Hg lag (PARTAGE-Studie).
FAZIT: Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) erkennt den Nutzen an, den die neuen Grenzwerte des Bluthochdrucks für viele, gerade jüngere Patienten haben können. Gemeinsam mit vielen Kollegen anderer Disziplinen, die mit der Behandlung älterer Patienten befasst sind, warnt sie ausdrücklich vor der Übertragung dieser Empfehlungen auf ältere Patienten. Nur diejenigen Patienten, die in den zugrundeliegenden Studien beschrieben werden, und deren Blutdruck auf die beschriebene Weise gemessen wurde, profitieren von einer intensiveren Blutdruckbehandlung. Bei allen anderen älteren Patienten ist zu befürchten, dass der Schaden einer intensiven Blutdrucksenkung unter Umständen den erwartenden Nutzen übersteigt. Und diese Patienten bilden einen großen Anteil der älteren Bevölkerung!
Literatur:
Whelton PK, Carey RM, Aronow WS, Casey DE Jr, Collins KJ, Dennison Himmelfarb C, DePalma SM, Gidding S, Jamerson KA, Jones DW, MacLaughlin EJ, Muntner P, Ovbiagele B, Smith SC Jr, Spencer CC, Stafford RS, Taler SJ, Thomas RJ, Williams KA Sr, Williamson JD, Wright JT Jr.: ACC/AHA/AAPA/ABC/ACPM/AGS/APhA/ASH/ASPC/NMA/PCNA guideline for the prevention, detection, evaluation, and management of high blood pressure in adults: a report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Clinical Practice Guidelines. Hypertension. 2017;00: e0000–e0000.
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