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Immunreaktion im Frühstadium des Typ-1-Diabetes erfolgreich eingefangen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München haben einen Mechanismus entdeckt, der die Autoimmunreaktion in einem Frühstadium des Typ-1-Diabetes verstärkt. Blockierten sie die zugehörigen Moleküle, war das Immunsystem deutlich weniger aktiv.
Die Arbeit entstand im Rahmen des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) und ist in ‚Science Translational Medicine‘ erschienen.
Typ-1-Diabetes ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter. Dabei gehen die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zu Grunde, da das körpereigene Immunsystem sie angreift und zerstört. In diesem Zusammenhang spielen die regulatorischen T-Zellen (Tregs) eine wichtige Rolle: Sie unterdrücken bei gesunden Menschen überschießende Immunreaktionen und verhindern dadurch Autoimmunerkrankungen.
Warum dieser Schutz durch die Tregs bei Typ-1-Diabetes nicht greift, untersucht das Team von Dr. Carolin Daniel (Forscherportrait inklusive Videointerview). Sie ist Gruppenleiterin am Institut für Diabetesforschung (IDF) des Helmholtz Zentrums München und Wissenschaftlerin im DZD. „In der aktuellen Arbeit konnten wir einen Mechanismus aufklären, der dazu führt, dass in einem Frühstadium des Typ-1-Diabetes weniger Tregs produziert werden und das Immunsystem deshalb unkontrollierter um sich greifen kann.“
Maßgeblich daran beteiligt sind der Studie zufolge die Moleküle miRNA181a und NFAT5. „Wir konnten zeigen, dass im frühen Stadium des Typ-1-Diabetes miRNA181a zu einer Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFAT5 führt“, erklärt Daniel.* „Die Folge ist eine Hemmung der Tregs und dadurch eine verstärkte Immunaktivierung.“
Achse pharmakologisch unterbrochen
Um zu prüfen, inwiefern sich diese neue Erkenntnis für mögliche Therapieansätze eignet, arbeiteten die Wissenschaftler um Erstautorin Isabelle Serr an einem präklinischen Modell mit bestehender Inselautoimmunität. Unterbrachen sie die miRNA181a/NFAT5-Achse, beobachteten sie eine signifikant geringere Aktivierung des Immunsystems und eine vermehrte Bildung von Tregs. Das gelang sowohl durch die pharmakologische Hemmung von miRNA181a als auch von NFAT5.
„Die gezielte Inhibierung von miRNA181a oder NFAT5 könnte neue Wege eröffnen, die Aktivität des Immunsystems gegen die eigenen Inselzellen zu verringern“, kommentiert Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des IDF. „Auch die Kombination mit anderen immunmodulierenden Ansätzen wäre, perspektivisch gesehen, ein denkbarer Interventionsversuch.“
Künftig wollen die Wissenschaftler die vorliegenden Befunde in präklinischen Tests untersuchen. Hierzu soll in humanisierten Modellen geprüft werden, ob die Kombination aus Insulinimpfung und Hemmung der miRNA181a/NFAT5-Achse dazu führt, dass das Immunsystem gegenüber den Insulin-produzierenden Zellen toleranter wird.
Weitere Informationen
* Die Forscher vermuten indirekte Mechanismen wie die Hemmung der Phosphatase PTEN.
Hintergrund:
„Wichtig für das Gelingen der Arbeit war die Zusammenarbeit mit der Gruppe von Benno Weigmann am Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg“, sagt Carolin Daniel. Mit ihrer Arbeitsgruppe „Immunological Tolerance in Diabetes“ erforscht sie unter anderem die Rolle von regulatorischen T-Zellen bei Typ-1-Diabetes. Mehr erzählt sie im Forscherportrait inklusive Videointerview. Wie es grundsätzlich zur Erkrankung kommt und was sie dagegen plant erklärt Daniel im Video Typ-1-Diabetes: Entstehung und Vorbeugung des Diabetesinformationsdienstes München.
Die Doktoranden Isabelle Serr, Victoria K. Flynn, Martin G. Scherm, Maike Becker und Markus Hippich sind Teilnehmer der Helmholtz Graduate School Environmental Health, kurz HELENA.
Original-Publikation:
Serr, I. et al. (2017): A miRNA181a/NFAT5 axis links impaired T cell tolerance induction with autoimmune Type 1 diabetes. Science Translational Medicine,
DOI: 10.1126/scitranslmed.aag1782
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Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören.
Das Institut für Diabetesforschung (IDF) befasst sich mit der Entstehung und Prävention von Typ 1 Diabetes und Typ 2 Diabetes als Spätfolge eines Gestationsdiabetes. Ein vorrangiges Projekt ist die Entwicklung einer Insulin-Impfung gegen Typ 1 Diabetes. In groß angelegten Langzeitstudien untersucht das IDF den Zusammenhang von Genen, Umweltfaktoren und Immunsystem für die Pathogenese von Typ 1 Diabetes. Mit den Daten der Geburtskohorte BABYDIAB, die 1989 als weltweit erste prospektive Diabetes-Geburtskohorte etabliert wurde, konnten Risikogene sowie Antikörperprofile identifiziert werden. Diese lassen Vorhersagen über Entwicklung und Ausbruch von Typ 1 Diabetes zu und werden die Klassifizierung und den Diagnosezeitpunkt verändern. Das IDF ist Teil des Helmholtz Diabetes Center (HDC).
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