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Plasma-, Agrar- und Lebensmittelforscher suchen gemeinsam Alternativen zu Pestiziden
Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie und Hochschule Neubrandenburg starten innovatives Projekt für die Agrarbranche
Der fortschreitende Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Die zunehmenden Wetterextreme führen zu drastischen Ernteausfällen, darüber hinaus ist aufgrund steigender Temperaturen mit der Ausbreitung neuer Pflanzenkrankheiten zu rechnen. An dieser Stelle setzt ein Vorhaben des Greifswalder Leibniz-Instituts für Plasmaforschung und Technologie (INP Greifswald) sowie der Hochschule Neubrandenburg an. Die Forscher wollen im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „Physics for Food“ eine Strategie entwickeln, um Saatgut mithilfe physikalischer Technologien keimfähiger und robuster zu machen. Einen Schwerpunkt bildet hierbei die Anwendung kalter Plasmen. Studien haben gezeigt, dass dieses schadstofffreie Verfahren das Wachstum der Pflanzen beschleunigen und deren Widerstandsfähigkeit erhöhen kann.
Im Blickpunkt der Forscher aus Mecklenburg-Vorpommern stehen Getreidesorten wie Weizen und Gerste, deren Aussaat häufig mit chemischen Beizmitteln behandelt wird. Zudem wird untersucht, wie die Keimung von Leguminosen wie Rotklee und Luzerne optimiert werden kann. Diese gelten als wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft. „Wir wollen dazu beitragen, dass weniger Pestizide auf den Feldern eingesetzt werden“, betonen die Biologinnen Dr. Henrike Brust und Dr. Nicola Wannicke, die am INP Greifswald in einem interdisziplinären Team die Wirkung von Plasmen auf Pflanzen erforschen. Angesichts der zu erwartenden verschärften EU-Regelungen für Pflanzenschutzmittel müssten Alternativen gefunden werden, um Pathogene wie Pilze und Bakterien weiterhin wirksam bekämpfen zu können. In Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben soll das mit Plasma behandelte Saatgut auf Versuchsflächen getestet werden. „Erst dann lassen sich Aussagen treffen, ob unsere Methode auch zu höheren Erträgen führt“, ergänzt Professor Leif-Alexander Garbe, Prorektor Forschung an der Hochschule Neubrandenburg.
Professor Gerd Teschke, Rektor der Hochschule Neubrandenburg, sieht in der Lebensmittelverarbeitung mit physikalischen Methoden ohne chemische Zusätze wegweisende Zukunftstechnologien und erhofft sich eine strategische Neuausrichtung in der Region Nordost.
Der Vorstandsvorsitzende und wissenschaftliche Direktor des INP Greifswald, Prof. Klaus-Dieter Weltmann, verspricht sich neue wirtschaftliche Impulse für den Nordosten durch die interdisziplinäre Bündelung von Kompetenzen auf dem Gebiet der Physik und in der Landwirtschaft. „Der Einsatz von physikalischen Hochtechnologien könnte innovative Lösungen für die Produktion und Verarbeitung von Lebensmitteln sowie erfolgversprechende Geschäftsmodelle hervorbringen“, sagt Weltmann. „Bei einem Erfolg lässt sich das Konzept perspektivisch auch auf andere Regionen in Deutschland und darüber hinaus übertragen.“
Über das Institut INP Greifswald:
Plasma ist nach fest, flüssig und gasförmig der vierte Aggregatzustand, den Materie annehmen kann. Das elektrisch leitfähige Teilchengemisch aus Atomen, Ionen, Elektronen und Molekülen entsteht dann, wenn einem Gas weiter Energie zugeführt wird. Dieses natürliche Phänomen findet man in Blitzen, in der Sonne oder in Polarlichtern. Am Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP Greifswald), der größten außeruniversitären Forschungseinrichtung für Niedertemperaturplasmen in Europa, arbeiten rund 200 Mitarbeitende an Technologien, die zur Beschichtung von Oberflächen, Dekontamination von Lebensmitteln, Reinigung von Abwässern, zur Behandlung von Hautkrankheiten und chronischen Wunden sowie in der Elektrotechnik eingesetzt werden. Das INP Greifswald betreibt anwendungsorientierte Grundlagenforschung und bietet auch kundenspezifische Lösungen, Studien und Beratungen für die Industrie an. Viele Innovationen führten bereits zur Entwicklung von Prototypen und Ausgründungen.
Über die Hochschule Neubrandenburg:
Die Hochschule Neubrandenburg fokussiert den Forschungsschwerpunkt „Gesundheit und Ernährung“. Diesem gehören zahlreiche Professuren aus den Fachbereichen Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften, Gesundheit, Pflege, Management und Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung, an. Unter dem Arbeitsschwerpunkt behandelt die Hochschule Fragestellungen für die gesamte Kette der Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln sowie der verbundenen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen. Inhaltliche Bezüge existieren dabei zu den peripheren Aktionsfeldern Agrarwirtschaft, Gesundheitsförderung, Public Health, Gesundheitssystemforschung, Pflege, Rehabilitation.