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Alternativen bei therapieresistenter Depression: Stresshormon im Speichel zeigt Wirkung der Elektrokrampftherapie an, Kynurenin im Blut reagiert auf die Medikamentenwirkung
Original Titel:
Kynurenine pathway metabolism and neurobiology of treatment-resistant depression: Comparison of multiple ketamine infusions and electroconvulsive therapy
Derzeitige Erstlinien-Antidepressiva zielen typischerweise auf Serotonin und seine Rezeptoren ab. Die antidepressive Wirkung über diese Pfade der Gehirnbiochemie baut sich häufig allerdings erst allmählich über Wochen oder Monate auf. Ein beachtlicher Teil der Patienten spricht zudem nicht auf diese Medikamente an. Ketamin dagegen wirkt anders: niedrig dosiert wirkt es häufig sehr schnell antidepressiv – auch bei behandlungsresistenten Patienten. Nebenwirkungen und das Risiko des möglichen Missbrauchs als Droge sowie die nur recht kurze Wirksamkeit erschweren allerdings den Ketamin-Einsatz. Die Wirkung von vielversprechenden Mitteln wie Ketamin sollte also besser verstanden werden, um eventuell zielgerichtete Medikamente entwickeln zu können. Forscher des University College Cork in Irland rund um den psychiatrischen Experten Prof. Dinan untersuchten daher den Effekt von Ketamin auf verschiedene Anzeichen von Depressionen in Blut und Speichel der Patienten im Vergleich zum Goldstandard Elektrokrampftherapie (EKT) bei behandlungsresistenter Depression.
Sie untersuchten drei klassische Biomarker für Depressionen: die Kynureninkonzentration im Blut, Anzeichen entzündlicher Prozesse im Blut und die Cortisol-Wachantwort. Entzündungsmarker, beispielsweise Zytokine wie IL-6, sind häufig bei Depressionen erhöht. Studien zur Ketamin-Wirkung auf diese Marker sind bisher wiedersprüchlich. Cortisol, unser Stresshormon, wird als morgendlicher Anschub gebildet und lässt sich im Speichel nachweisen. Der Cortisolanstieg am Morgen ist typischerweise bei Depressionen reduziert. Bei gesunden Menschen verstärkt Ketamin den Cortisolanstieg. Könnte es durch diesen Effekt auch depressive Symptome lindern? Der dritte Kandidat zum besseren Verständnis der Ketaminwirkung ist das Kynurenin, ein Abbauprodukt der Substanz Tryptophan, das eigentlich zum Glückshormon Serotonin und dem Tag-Nacht-Rhythmus-Hormon Melatonin umgewandelt wird. Entzündungsprozesse können die Verarbeitung allerdings weg von diesen guten Substanzen hin zu mehr Kynurenin lenken. Kann Ketamin darauf einwirken, Kynureninwerte senken und in der Folge die Herstellung von antidepressivem Serotonin bewirken?
17 der unipolar depressiven Patienten erhielten Ketamin, 20 Patienten EKT. Die Cortisol-, Entzündungs- und Kynureninwerte der Patienten wurden mit denen gesunder Kontrollen verglichen. Die EKT fand zweimal wöchentlich statt. Ketamin (in nicht narkotisierender Dosis, 0,5 mg/kg) wurde einmal wöchentlich für bis zu 3 Wochen gegeben. Speichelproben wurden morgens vor Studienbeginn direkt nach dem Aufwachen genommen und nach jeder Ketamin-Infusion für 7 Tage gesammelt. Im Anschluss an die letzte EKT-Sitzung wurden Speichelproben für 4 bis 7 Tage gesammelt. Blutproben wurden am Morgen jeder Behandlung sowie 2 und 24 Stunden und eine Woche danach genommen.
Die Studie fand, dass sowohl Ketamin als auch EKT, wie bereits früher demonstriert, die depressiven Symptome der Patienten messbar verbesserten. Zu Beginn der Studie unterschieden sich die Konzentrationen der Entzündungsmarker (IL-6, IL-8, IL-10 und IFN-γ) im Blut nicht zwischen den Behandlungsgruppen, aber auch nicht im Vergleich zu den gesunden Kontrollpersonen – die bei Depressionen häufig vermehrten entzündlichen Prozesse lagen also in dieser Studie nicht vor. Auch im Anschluss an die jeweilige Behandlung fanden die Forscher keine längerfristigen Veränderungen der Entzündungsmarker. Eine bessere antidepressive Wirkung der Behandlung ging allerdings interessanterweise mit einer kurzfristigen Erhöhung mancher Entzündungswerte (wenige Stunden nach einer Behandlung) einher. Allgemein waren die Zusammenhänge zwischen Entzündungsmarkern und Behandlungserfolg aber eher unklar.
Beide Patientengruppen und die gesunden Kontrollen hatten direkt nach dem Erwachen, wie erwartet, einen Anstieg im Cortisolwert. Aber wurde dies durch die Behandlungen beeinflusst? Die Patienten, deren Depressionen am stärksten durch die EKT verbessert wurden, zeigten ein Absinken der Cortisol-Wachantwort im Anschluss an die Behandlung. Mit Ketamin dagegen zeigte sich keine messbare Veränderung im Cortisol.
Zu Beginn waren die Konzentrationen der Kynureninsäure bei den Patienten niedriger als bei den gesunden Kontrollen. Die Behandlung mit Ketamin könnte mit Kynurenin in Zusammenhang zu stehen: Patienten, deren Ketaminbehandlung erfolgreich auf die Depressionen wirkte, hatten in der Folge niedrigere Kynureninkonzentrationen. Statistisch betrachtet war dies allerdings lediglich ein Trend, der also keine klare Aussage ermöglicht, sondern lediglich aufweist, in welche Richtung ein Effekt eventuell gehen könnte.
Generell bewirkte die Behandlung mit Ketamin also keine klaren Veränderungen außerhalb der psychiatrisch erhobenen Verbesserungen der depressiven Symptome. Weswegen waren aber die Patienten insgesamt so unauffällig in ihren Blutwerten? Die Autoren vermuten, dass dies damit zusammenhängen könnte, dass die Patienten bereits vorher mit Antidepressiva behandelt worden waren, sie also nicht ‚behandlungs-naiv‘ waren. Eventuell waren dadurch Entzündungsmarker bereits niedriger als dies bei unbehandelten depressiven Menschen erwartet würde.
Zusammenfassend fanden sich nur tendenzielle statt klarer Effekte von antidepressivem Ketamin auf das Kynurenin im Blut: Ketamin könnte auf den Abbau von Tryptophan zu Kynurenin einwirken und zeigt damit eventuell eine neues Behandlungsziel auf. Die Elektrokrampftherapie dagegen war vor allem bei den Patienten erfolgreich, deren Cortisolwerte am Morgen nach der Behandlung sanken. Ein Speicheltest am Morgen könnte also möglicherweise ermitteln, ob eine EKT wirksam ist und Wiederholungen sinnvoll sind. Eine größere Studie ist aber nötig, um die Bedeutung von Blutwerten, Speicheltest für Ketamin- und EKT-Wirkung zu verstehen. EKT und Ketamin zeigen sich allerdings in dieser Studie mit leicht unterschiedlichem Profil ihrer Wirkung – wirkt die eine Methode nicht, könnte also durchaus die andere eine erfolgversprechendere Alternative sein.
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