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Entzündungsprozesse bei der Depression bieten neue Ansätze zu Verständnis und Behandlung depressiver Störungen
Original Titel:
Inflammation-induced depression: Its pathophysiology and therapeutic implications
Entzündungen sind sicher nicht die einzige Ursache von Depressionen und können nicht ihre gesamte Entstehung erklären. Allerdings gehören sie, wie wir in früheren Studien bereits berichtet haben, zu den wichtigen Bestandteilen der depressiven Erkrankungen. Dazu gehört vor allem die Verarbeitung von Tryptophan, eines essentiellen Baustoffs. Das Tryptophan ist unter anderem die Grundlage der Herstellung des Glückshormons Serotonin und des Tag-Nacht-Reglers Melatonin, wird aber infolge von Entzündungsprozessen vermehrt zu Kynurenin abgebaut. Dies kommt vor allem bei solchen Depressionen zum Tragen, die im Zusammenhang mit Immuntherapien, Autoimmunerkrankungen oder Infektionen stehen. In einer aktuellen Übersichtsstudie trugen die koreanischen Psychiater Dr. Jeon von der Sungkyunkwan Universität und Dr. Kim von der Korea Universität nun die neuesten Erkenntnisse zur Rolle von Tryptophan und dem Abbauprodukt Kynurenin statt der Herstellung normaler Mengen von Serotonin bei der Entwicklung von Depressionen zusammen. Zusätzlich versuchten sie darauf basierend eine mögliche Therapiestrategie zu erarbeiten.
Dazu durchsuchten sie medizinwissenschaftliche Datenbank MEDLINE nach Veröffentlichungen zu wissenschaftlichen, experimentellen Studien in den Jahren 1950 bis 2017. Suchbegriffe waren dabei beispielsweise Depression, Kynurenin, entzündliche Prozesse und Tryptophanabbau. Die Wissenschaftler identifizierten 675 Studien, von denen 83 sinnvoll in dieser Übersicht analysiert werden konnten.
Aus der Studiendurchsicht ergab sich, dass zum einen Fluoxetin (ein SSRI) und Bupropion (ein Dopaminanreger) mögliche Therapien für eine entzündliche Depression sein können, da sie die Produktion entzündungsfördernder Zytokine hemmen. Auch neuere Ansätze zu Kombinationstherapien mit einem sogenannten COX-2 Inhibitor (Celecoxib) zu einer antidepressiven Medikation wurden bereits getestet und scheinen vielversprechend zu sein. Gerade bei den SSRI zeichnet sich ab, dass diese Mittel deutlich antientzündlich wirken und dies möglicherweise einen Teil ihrer antidepressiven Wirkung erklärt. Auf welchem Wege sie wirken, ist allerdings noch nicht eindeutig geklärt. Mehrere Ansätze auf dem Tryptophan/Kynurenin-Weg kommen dafür anscheinend in Frage. Auch SNRI, wie beispielsweise Venlafaxin, haben antientzündliche Eigenschaften. Manche Studien fanden solche Wirkungen sogar bei Antipsychotika wie Risperidon. Allerdings wurden sowohl Antipsychotika als auch SNRI und SSRI-Antidepressiva nicht für ihre entzündungshemmenden Effekte optimiert und entwickelt, sondern für ihre Wirkung auf die Nervenbotenstoffe, die Neurotransmitter. Die Datenlage zur Entzündungshemmung durch solche Behandlungen ist dementsprechend noch sehr dünn. Allerdings entwickelt sich mit dem Verständnis der depressiven Störungen als Symptome von Nervenentzündungen auch offenbar die Forschung dieser Wirkmechanismen weiter.
Die Übersichtsstudie fand aber auch weitere, alternative Ansätze zur Behandlung von entzündungsbasierter Depressionen. So wirken Omega-3-Fettsäuren (sowohl Eicosapentaensäure, EPA, als auch Docosahexaensäure, DHA) sowohl antidepressiv als auch entzündungshemmend. Auch die off-label Behandlung mit Antikörpern gegen manche der Entzündungsmarker wie TNF oder INF wurden bereits berichtet. Solche Medikationen, mit beispielsweise Infliximab oder Etanercept, kennt man sonst eigentlich aus der Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis oder Psoriasis (Schuppenflechte). Ganz spannend wird es auch bei bereits bekannten, zum Teil alternativen, Behandlungsansätzen: Melatonin, das einerseits als Folgeprodukt des Serotonins aus dem Tryptophan hergestellt wird, ist bei einem entzündlich fehlgeleiteten Umbau von Tryptophan in das Kynurenin ja schließlich Mangelware im Körper. Nimmt man nun Melatonin, gleicht dies nicht nur den Mangel aus, sondern scheint auch auf die Kynurenin-Prozesse einzuwirken. Unter anderem hemmt das Melatonin nämlich das körpereigene Stresshormon Cortisol und die entzündungsfördernden Zytokine.
Die Autoren der Übersichtsstudie fragten nun, ob immunopharmakologische Behandlungen, wie neuere Rheuma-Medikamente, zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden können. Und tatsächlich bieten sich hier mehrere Mittel als vielversprechende Ansätze an, wenn die Depressionen im Zusammenhang mit entzündlichen Prozessen stehen. Ob dies der Fall ist, wird im jeweiligen Fall entschieden werden müssen. Eventuell können auch Entzündungsmarker im Blut einen Hinweis geben, oder aber die mangelhafte Wirksamkeit anderer Therapieformen zum Umdenken anregen. Medikamente zum Einsatz gegen Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis wie Adalimumab, Etanercept und Infliximab werden derzeit in klinischen Studien zur Behandlung depressiver Patienten überprüft.
Die Wissenschaftler schließen aus ihrer Übersicht aber auch, dass Behandlungen zur Modulierung der Kynurenin-Verarbeitung entwickelt werden müssen. Mittel, die in diesem Verarbeitungspfad eingreifen oder dabei fehlende Substanzen ersetzen (wie Melatonin oder 5-HTP, ein Zwischenprodukt bei dem Umbau von Tryptophan zu Serotonin) zeigen schon gute Effekte zur Verbesserung der depressiven Störung. Diese Wirksamkeit zeigt sich interessanterweise auch bei der Bipolaren Störung, für die bei bereits vorliegenden Autoimmunerkrankungen ja ein erhöhtes Risiko besteht. Entzündungen, die den Abbau des Tryptophans zum Kynurenin anregen, stehen also als wesentliche krankheitsfördernde Faktoren im Fokus der Depressionsbehandlung. Offenbar hilft es Patienten mit Depressionen, wenn entzündliche Prozesse aus unterschiedlichen Richtungen abgemildert werden. Dies betrifft die ausgewogene Ernährung mit beispielsweise zusätzlich aufgenommenen Omega-3-Fettsäuren. Vermutlich können aber auch entzündungshemmende Ansätze, die aus Behandlungen rheumatischer Erkrankungen stammen, vorteilhaft sein.
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