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Schutz vor akuter Nierenschädigung nach Herz-OPs
Forschungsergebnisse der Uniklinik RWTH Aachen und des Klinikums der Universität München in Science Translational Medicine veröffentlicht
Herzchirurgische Eingriffe werden weltweit jährlich bei über einer Million Patienten durchgeführt – mit steigender Tendenz. Multiple Begleiterkrankungen und ein komplexes Krankheitsbild von Betroffenen erhöhen die Gefahr für postoperative Komplikationen mit lebensbedrohlichen Konsequenzen. Ein internationales Team unter Führung der Uniklinik RWTH Aachen und des Klinikums der Universität München forscht an Schutzmechanismen für die häufigste dieser Komplikationen, einer akuten Nierenschädigung. Die zukunftsweisenden Ergebnisse wurden nun in dem namhaften Journal Science Translational Medicine veröffentlicht.
Im vergangenen Jahrzehnt wurde ein stetiges Wachstum an herzchirurgischen Eingriffen beobachtet. Vor dem Hintergrund einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft wird sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzen. Je komplexer die Erkrankungen und Krankheitsbilder, desto größer ist dabei die Komplikationsgefahr für Patienten. Im Gegensatz zu einfachen herzchirurgischen Eingriffen, wie Bypass-Operationen, benötigen Patienten mit komplexen Eingriffen oft eine verlängerte Operationsdauer und zeigen im Anschluss eine systemische Entzündungsreaktion. Diese trägt in der Folge zur Entstehung von Organdysfunktionen wie akute Nierenschädigung oder auch Schlaganfällen bei und erfordert postoperative umfassende intensivmedizinische Maßnahmen. Die anästhesiologische und herzchirurgische Technik macht zwar laufend Fortschritte, dennoch zeigen sich weiterhin lebensbedrohliche Komplikationen und Organdysfunktionen, die zu einem verlängerten Aufenthalt der betreffenden Patienten auf der Intensivstation führen können.
„Nach einer Operation wünscht sich jeder Patient die Genesung und nicht eine Verschlimmerung seines Zustands. Das liegt natürlich auch den Ärzten am Herzen. Wir suchen mit unserer Forschung daher nach Lösungen, wie das Risiko von Komplikationen – in diesem Fall Schädigungen der Niere – nach Herzoperationen vermindert werden kann“, erklärt Priv.-Doz. Dr. med. Christian Stoppe aus der Klinik für Operative Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen.
Den Fokus legt das Aachener Team um Dr. Stoppe, Prof. Dr. med. Gernot Marx, der Leiter der Klinik, Luisa Averdunk und Priv.-Doz. Dr. med. Peter Boor gemeinsam mit Wissenschaftlern des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Kooperationspartnern aus Yale, Münster und Dresden auf das Zytokin MIF (macrophage migration inhibitory factor), ein immun- und stressregulierendes Protein. Zu dessen Funktionsweise erklärt Prof. Dr. rer. nat. Jürgen Bernhagen, Leiter des Lehrstuhls für Vaskuläre Biologie am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung des Klinikums der LMU: „MIF ist eines der am längsten bekannten Zytokine überhaupt, doch erst in jüngerer Zeit beginnt man seine wichtigen Funktionen im Herz-Kreislaufsystem zu verstehen. In vorausgegangenen Studien konnte bereits gezeigt werden, dass MIF das Herz vor Ischämie-Reperfusionsschäden schützt. Seine Rolle bei der Entstehung von postoperativen Nieren-schädigungen blieb allerdings bislang unklar.“ Dr. Boor der Uniklinik RWTH Aachen ergänzt: „Wir konnten nun zeigen, dass MIF bei experimentellen Ischämie-Reperfusionsschäden eine nierenschützende Rolle einnimmt, und zwar durch den Schutz von Nierentubuli.“
Gestützt wird dies von der Beobachtung, dass hohe Blutkonzentrationen von MIF bei herzchirurgischen Patienten mit einer geringeren Häufigkeit von akuten Nierenschädigungen in Verbindung stehen. „Das Zytokin MIF ist also besonders vorteilhaft, wenn es um die Vermeidung von Nierenschäden geht“, resümiert Dr. Stoppe. „Für perioperative Risikobehandlungen und therapeutische Optionen eröffnen die von uns identifizierten Schutzwirkungen von MIF neue Perspektiven“, erläutert Prof. Bernhagen.
Der Artikel „The protective role of macrophage migration inhibitory factor in acute kidney injury after cardiac surgery“ ist am 16. Mai 2018 im Journal Science Translational Medicine erschienen. Das Magazin gehört zur international renommierten Zeitschriftengruppe Science. Science Translational Medicine ist eines der wichtigsten Journals für experimentelle und forschende Medizin.
Originalpublikation:
The protective role of macrophage migration inhibitory factor in acute kidney injury after cardiac surgery
Christian Stoppe, Luisa Averdunk, Andreas Goetzenich, Josefine Soppert, Arnaud Martier, Sandra Kraemer, Jil Vieten, Mark Coburn, Ana Kowark, Bong-Song Kim, Gernot Marx, Steffen Rex, Akinobu Ochi, Lin Leng, Gilbert Moeckel, Andreas Linkermann, Omar El Bounkari, Alexander Zarbock, Jürgen Bernhagen, Sonja Djudjai, Richard Bucala, Peter Boor
DOI: https://doi.org/10.1126/scitranslmed.aan4886
Kurzportrait Prof. Jürgen Bernhagen
Im Zentrum der Forschung von Prof. Jürgen Bernhagen steht die Suche nach einem besseren Verständnis von entzündlichen und kardiovaskulären Erkrankungen. Nach Studium und Promotion in Tübingen und London und Forschungsstationen in New York, Stuttgart und Aachen, wurde Prof. Bernhagen Ende 2015 an die LMU nach München berufen, wo er den Lehrstuhl für Vaskuläre Biologie am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD) leitet und Mitglied im Sonderforschungsbereich SFB1123, in der Munich Heart Alliance (MHA) und im SyNergy-Exzellenzcluster ist.
Als Biochemiker und Immunologe fokussiert Prof. Bernhagen seine Forschungsarbeiten auf die zugrundeliegenden molekularen und zellulären Mechanismen. Im Mittelpunkt stehen hier die sogenannten Zytokine und Chemokine, zentrale Kommunikationsschaltstellen unserer Immunabwehr, aber auch oft fehlregulierte Stellschrauben bei entzündlichen Krankheitsprozessen, und die von diesen Molekülen gesteuerten Rezeptoren und Signalwege. Sein Labor hat in diesem Zusammenhang wichtige Zytokin-gesteuerte Mechanismen bei der Atherosklerose und anderen inflammatorischen Krankheiten entdeckt. Nach dem Zytokin MIF forscht Prof. Bernhagen seit bereits 25 Jahren und konnte zuletzt nachweisen, dass MIF ein evolutionär konserviertes, atypisches und pro-entzündliches Chemokin ist, das zugleich aber auch kritische schützende Wirkungen in bestimmten Phasen beim Ischämie-/Reperfusionsschaden des Herzens hat. Entsprechend liegt ein Schwerpunkt der Arbeiten am Lehrstuhl aktuell darauf, neue, molekular-maßgeschneiderte und im Krankheitsverlauf phasenspezifisch-einsetzbare pharmakologische MIF-Interventionsstrategien zu erarbeiten. Die Aufklärung der Wirkmechanismen von MIF-Proteinen und anderen atypischen Chemokinen könnte darüber hinaus für ein besseres Verständnis weiterer kardiovaskulärer Erkrankungen, ischämischer Schlaganfall und Autoimmunerkrankungen von Bedeutung sein.