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Weniger ist mehr? Genschalter für gesundes Altern gefunden
Mit zunehmendem Alter nehmen Gebrechen zu und treten vermehrt alternsbedingte Krankheiten auf. Eine kalorienarme Kost kann diesem Prozess entgegenwirken und alternsbedingte Probleme abschwächen. Forscher des European Research Institute for the Biology of Ageing (ERIBA), Groningen, Niederlande, und des Leibniz-Instituts für Alternsforschung (FLI), Jena, Deutschland, konnten nun im Mausmodell nachweisen, dass der Genschalter C/EBPß-LIP den Alterungsprozess steuert. Fehlt LIP, dann verlängert sich die Lebensspanne von Mäusen und erhöht sich die körperliche Fitness im Alter, ohne dass die Mäuse einer Diät ausgesetzt waren. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift eLife publiziert.
Jena, Groningen. Zunehmendes Alter ist ein Hauptrisikofaktor für körperliche Gebrechlichkeit und die Entstehung alternsbedingter Krankheiten, wie Krebs, Herzkreislauferkrankungen, Typ-II-Diabetes und Alzheimer. Zahlreiche Studien belegen bereits, dass eine kalorienarme Kost (Diät) zu einer beachtlichen Verzögerung altersbedingter Probleme führen kann; bei Fliegen, Würmern, Fischen und Mäusen wird dadurch sogar die Fitness im Alter erhöht. Doch wer möchte schon gern eine Diät machen, sein ganzes Leben lang?
Wichtig ist daher zu klären, wie sich eine veränderte Kalorienzufuhr auf die Gesundheit während des Alterns auswirkt und welche Gene dabei eine Rolle spielen. Mit diesem Wissen wird es möglicherweise gelingen, neue therapeutische Ansätze zu finden, die das Altern und damit verbundene Krankheiten hinauszögern können.
Forscher des European Research Institute for the Biology of Ageing (ERIBA) in Groningen, Niederlande, und des Leibniz-Instituts für Alternsforschung (FLI) in Jena, Deutschland, konnten in früheren Studien nachweisen, wie der Eiweißkomplex mTORC1 den Genschalter C/EBPß benutzt, um den Stoffwechsel von Mäusen zu steuern: C/EBPß kann in einer kurzen Variante (LIP) und einer langen Variante (LAP) auftreten. Eine hohe Aktivität vom mTORC1 führt dabei zu der verstärkten Bildung der kurzen (LIP) Variante.
Die Aktivität von mTORC1 wird durch die Nahrungszufuhr gesteuert und kann durch eine kalorienarme Ernährung deutlich gesenkt werden, was wiederum zu einer Hemmung der Bildung von LIP führt. Wird in einem von den Forschern entwickeltem Mausstamm die Bildung der kurzen Variante permanent unterdrückt, ist ein gesünderer Stoffwechsel mit reduziertem Körpergewicht und verbesserter Insulinsensitivität die Folge. Diese LIP-reduzierten Knock-in-Mäuse zeigten eine verbesserte metabolische Gesundheit, die denen der Mäuse ähnelte, die sich kalorienarm ernährten, obwohl die LIP-reduzierten Mäuse keine Diät durchmachten.
Verbesserung der Fitness im Alter?
Die Forscher untersuchten nun aufbauend auf diesen Ergebnissen, ob der Verlust von LIP auch zu einer Verbesserung der Fitness im Alter führt, ähnlich einer Diät. „Die LIP-reduzierten Mäuse sind im Alter schlanker, können besser mit Veränderungen des Blutzuckerspiegels umgehen, haben ein jugendlicheres Immunsystem, sind deutlich fitter und haben eine bessere motorische Koordination“ fasst Prof. Cornelis Calkhoven, ehemaliger Forschungsgruppenleiter am FLI und nun am ERIBA tätig, die wichtigsten Ergebnisse der neuen Studie zusammen.
Außerdem entwickelten die LIP-reduzierten Mäuse später im Leben weniger Krebs als die Kontrollmäuse. „Wir konnten darüber hinaus zeigen, dass die weiblichen Mäuse ohne LIP etwa 20% länger lebten, als Mäuse der Kontrollgruppe“, ergänzt Dr. Christine Müller vom ERIBA; ein Indiz dafür, dass der Verlust von LIP die Lebensspanne deutlich verändern kann.
Obwohl männliche Mäuse mit fehlendem LIP keine erhöhte Lebenserwartung aufwiesen, war auch bei ihnen ein Teil der alternsbedingten Probleme weniger stark ausgeprägt. „Wenn wir therapeutische Wege finden, um den LIP-Spiegel im Körper zu senken oder die Wirkung von LIP zu verhindern, dann können wir in der Zukunft möglicherweise die Entstehung alternsbedingter Krankheiten hinauszögern“, betont Dr. Müller, „und das ganz ohne die Einschränkungen, die mit einer verringerten Kalorienzufuhr verbunden sind.“
Profitieren nur Frauen von einem solchen Eingriff?
„Basierend auf unseren Ergebnissen mit einem einzigen Knock-in-Mausstamm ist dies schwer vorhersehbar“, kommentiert Dr. Calkhoven die gefundenen Forschungsergebnisse. Andere Studien zur Kalorienrestriktion zeigten ebenfalls Unterschiede zwischen Männern und Frauen, deren Ursache aber bisher nicht vollständig verstanden wird. „Deshalb müssen wir weiter forschen, um die von uns beobachteten geschlechtsspezifischen Unterschiede besser zu verstehen“. Ungeachtet dessen zeigt diese Studie, dass mit der Senkung des LIP-Spiegels oder der Hemmung seiner Wirkung ein potenziell neuer Ansatz gefunden wurde, um alternsbedingte Erkrankungen gar nicht erst entstehen zu lassen bzw. den Alternsprozess zu verlangsamen.
Publikation
Reduced expression of C/EBPβ-LIP extends health- and lifespan in mice. Müller C, Zidek LM, Ackermann T, de Jong T, Liu P, Kliche V, Zaini MA, Kortman G, Harkema L, Verbeek DS, Tuckermann JP, von Maltzahn J, de Bruin A, Guryev V, Wang ZQ, Calkhoven CF. eLife. 2018, Apr 30, 7. pii: e34985. doi: 10.7554/eLife.34985.
Hintergrundinformation
Das Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena widmet sich seit 2004 der biomedizinischen Alternsforschung. Über 330 Mitarbeiter aus 30 Nationen forschen zu molekularen Mechanismen von Alternsprozessen und alternsbedingten Krankheiten. Näheres unter http://www.leibniz-fli.de.
Das niederländische European Research Institute for the Biology of Ageing (ERIBA) ist 2013 vom University Medical Center Groningen (UMCG) in Zusammenarbeit mit der Universität von Groningen gegründet worden. Das international orientierte ERIBA widmet sich der Grundlagenforschung im Bereich der molekularbiologischen Mechanismen des Alternsprozesses und alternsbedingter Krankheiten. Näheres unter http://eriba.umcg.nl.
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 93 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 19.100 Personen, darunter 9.900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro (http://www.leibniz-gemeinschaft.de).
Weitere Informationen:
http://www.leibniz-fli.de – Webseite Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) Jena