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Migräne
Spezielle KATP-Kaliumkanäle im Trigeminus-System: neues Wirkziel für eine grundlegende Migränetherapie?
Original Titel:
The KATP channel in migraine pathophysiology: a novel therapeutic target for migraine
Neue Wirkstoffentwicklungen zur Behandlung von Migräne sind zurzeit regelmäßig großes Thema. Immerhin gibt es 4 neue Medikamente, die biotechnologisch hergestellten Substanzen Erenumab, Fremanezumab, Eptinezumab und Galcanezumab, die gegen den Eiweißstoff CGRP (kurz für calcitonin gene-related peptide) oder seinen Rezeptor wirken. Bisherige klinische Studien zeigen eine recht gute Erfolgsrate und Verträglichkeit.
Aber: ist das CGRP die Wurzel des Übels bei der Migräne oder behandeln auch die neuen Biologika nur ein Symptom?
Es gibt auch andere Schalter und Hebel in unserem Gehirn und Blutgefäßsystem, die mit Migräne im engen Zusammenhang stehen könnten. Der dänische Neurowissenschaftler und Neurologe Prof. Ashina, der auch Direktor der Migräne-Forschungsabteilung des Dänischen Kopfschmerzzentrums ist, fasste nun mit seinen Kollegen von der Universität Kopenhagen den aktuellen Wissensstand zu einem ganz anderen Behandlungsansatz zusammen. In klinischen Studien der letzten Jahre fielen immer wieder sogenannte KATP-Kanäle, ATP-abhängige Kaliumkanäle, auf. Die KATP-Kanäle sind im trigeminovaskulären System – unter anderem mit Schmerz- und Dehnungsrezeptoren des Trigeminusnervs, die an vielen Blutgefäßen sitzen – weitverbreitet. Sie wirken beispielsweise auch an der Regulierung der Anspannung von Arterien in Gehirn und Gehirnhaut mit, was zu Aktivierung der Dehnungsrezeptoren des Trigeminus-Systems und damit zur Schmerzwahrnehmung führen kann.
Im Fokus: KATP-Kanäle in Schmerz- und Dehnungsrezeptoren des Trigeminusnervs, auch an vielen Blutgefäßen
KATP-Kanäle stehen auch mit verschiedenen Substanzen in Verbindung, die dafür bekannt sind, dass sie Migräneattacken auslösen können. Dazu gehören das CGRP, das bereits als wichtiges Wirkziel für die Triptane und für die neuen Biologika bekannt ist, sowie Stickoxid, das Neuropeptid PACAP (kurz vom englischen pituitary adenylate cyclase activating polypeptide) und die Gewebshormone Prostaglandine, die teils die Schmerzwahrnehmung verstärken können.
Viele Auslöser führen zur Migräne: KATP, CGRP, Stickoxid, PACAP, Prostaglandine
Einen weiteren Hinweis auf die Bedeutung der KATP-Kanäle geben ältere klinische Studien. Medikamente, die bei verschiedenen Erkrankungen eingesetzt wurden und die Öffnung der KATP-Kanäle bewirkten, haben in früheren klinischen Studien bei vielen Studienteilnehmern zu Kopfschmerzen geführt. Zu den Mitteln gehören Pinacidil zur Behandlung von Bluthochdruck (bis zu jeder 5. Patient erlitt Kopfschmerzen) und Nicorandil zur Behandlung von Angina Pectoris und der Koronaren Herzkrankheit. Nicorandil führte sogar bei bis zu 9 von 10 Patienten (je nach Studie) zu Kopfschmerzen. Levcromakalim wurde als mögliches Mittel bei Asthma und Bluthochdruck erforscht. Auch hierbei gaben bis zu dreiviertel der Studienteilnehmer Kopfschmerzen nach Einnahme des Medikaments an. Es wurden jedoch keine konkreten Migränesymptome abgefragt, da es bei diesen klinischen Studien um ganz andere Erkrankungen ging. Die erstaunlich hohe Rate von Kopfschmerzen bei Einsatz dieser Wirkstoffe deutet aber darauf hin, dass sie schmerzempfindliche Arterien mittels der speziellen KATP-Kanäle beeinflussen und damit auch Migränen statt ‚einfacher‘ Kopfschmerzen auslösen könnten.
Mittel, die die KATP-Kanäle öffnen, können zu Kopfschmerz führen. Kann das Schließen von KATP-Kanälen Kopfschmerz bekämpfen?
Eine Öffnung der KATP-Kanäle kann demnach Kopfschmerzen auslösen. Es gibt aber andere Wirkstoffe, die eine Öffnung der KATP-Kanäle hemmen. Sie verhindern damit eine übermäßige Weitung der Arterien, in deren Wänden die Kanäle sitzen. Wenn die Kanäle also nicht nur Kopfschmerzen, sondern sogar Migräne auslösen können, wäre der nächste Schritt der, zu ermitteln, ob solche KATP-Gegenspieler bei Migräne helfen können. Entsprechende Substanzen sind derzeit nicht viele bekannt. Glibenclamid und PNU37883A beispielsweise sind aufgrund gefährlicher Nebenwirkungen (Unterzuckerung bei Glibenclamid, Herzstörungen bei PNU37883A) leider keine guten Kandidaten zur Weiterentwicklung, geschweige denn für die Akutbehandlung einer Migräne.
Mangel an Wirkstoffkandidaten, aber aktive klinische Studien zur Überprüfung der Bedeutung von KATP für die Migräne
Wirkstoffe für die Behandlung von Migräne, die auf KATP-Kanäle abzielen, müssten also neu entwickelt werden. Nach dem bisherigen Wissen könnte dies aber die Mühe durchaus wert sein: die KATP-Kanäle bieten einen vielseitigeren und grundlegenderen Eingriff in die Migräneentstehung als bisherige Mittel, die auf CGRP abzielen. Ein erster wichtiger Schritt, der Test, ob KATP-Kanäle an der Migräne ursächlich beteiligt sind, wird derzeit in einer klinischen Studie mit dem KATP-Kanalöffner Levcromakalim in Dänemark durchgeführt.
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