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Switch in die Manie bei antidepressiver Behandlung: welche Faktoren schützen, welche schaden bei der Bipolaren Störung?
Original Titel:
Clinical and psychopathological features associated with treatment-emergent mania in bipolar-II depressed outpatients exposed to antidepressants
Eine Manie, die durch Behandlung mit Antidepressiva ausgelöst wurde, ein sogenannter Switch (engl. für Wechseln oder Umschalten), stellt eine Gefahr für Betroffene dar. Manische Phasen sind nicht notwendig geprägt durch Stimmungshochs – Patienten haben aber plötzlich einen Energieschub und geringe Impulskontrolle, mit in der Folge oft gefährlichem Verhalten für sich selbst und andere. Aber wie häufig betrifft ein solcher Switch die Patienten mit Bipolarer Störung, bei denen die depressiven Phasen ausgeprägter sind als die manischen Phasen, der sogenannten Bipolaren Störung II? Vor allem diese Patienten müssen häufig antidepressiv behandelt werden. Prof. Fornaro, Experte für die Bipolare Störung an der Federico II University in Neapel ermittelte nun mit seinen Kollegen anhand der Daten von 91 Patienten:
Welche Faktoren fördern einen Switch besonders oder können ihn verhindern?
In dieser nachträglichen Analyse wurden medizinische Daten von 91 Patienten mit Bipolarer Störung II und akuten Depressionen untersucht sowie die Auswirkung ihrer antidepressiven Behandlung. Dabei ermittelten die Forscher die Effekte verschiedener Medikamente wie Antipsychotika der 2. Generation oder der Phasenprophylaxe mit Lithium. Zudem untersuchten sie, ob verschiedene Ausprägungen der Bipolaren Störung einen Einfluss auf die Entwicklung einer Manie nach Antidepressiva-Einnahme hatten. Zu diesen Ausprägungen zählten die zyklothyme Störung (dauerhafte, anhaltende affektive Störung mit depressiven und hypomanen Phasen), die Rapid-Cycling-Form, bei der manische und depressive Phasen in schnellerer Abfolge auftreten, oder gemischte Episoden, bei denen Symptome beider Phasen gleichzeitig erkennbar sind.
Im Fokus: zyklothyme Form, Rapid-Cycling oder gemischte Episoden
Viele der Patienten waren von einem Switch betroffen: immerhin 38,5 %, also 35 der 91 Patienten, wechselten infolge der Behandlung mit Antidepressiva in eine manische Phase. Bei den untersuchten Patienten deutet sich an, dass die Patienten, die mit Antipsychotika/Neuroleptika der zweiten Generation oder Lithium behandelt wurden, seltener einen manischen Switch mit Antidepressiva erlitten als andere Patienten. Trotz der relativ geringen Fallzahlen war dieser Zusammenhang statistisch sehr deutlich. Die Ausprägung der Bipolaren Störung schien allerdings auch bedeutsam zu sein, konnte aber aufgrund der geringen Patientenzahl nicht für klare Aussagen herhalten. Es könnte allerdings sein, dass Patienten mit einer Tendenz zu schnellen Wechseln in eine Manie (wie beispielsweise bei Rapid-Cycling und gemischten Episoden der Fall) eher einen Switch erleiden als solche Patienten, bei denen eine klare Abgrenzung der Episoden gezogen werden kann. Weitere Studien werden diese Patientengruppen genauer untersuchen müssen, um hier Klarheit bieten zu können. Häufiger von Switches betroffen waren jedoch auch die Patienten, die bereits häufiger in psychiatrischen Kliniken behandelt werden mussten. Der Schweregrad der Erkrankung könnte demnach ein Hinweis darauf sein, ob ein Antidepressivum gut verträglich sein könnte. Eventuell wird an der Zahl früherer Klinikaufenthalte ersichtlich, ob eine Phasenprophylaxe ausreichend wirksam ist – und die Unwirksamkeit der Prophylaxe wiederum könnte einen Switch in die manische Phase ermöglichen.
Mehr als ein Drittel der bipolaren Patienten switcht in eine Manie mit rein antidepressiver Behandlung
Die Studie zeigt damit, dass es grundlegende Behandlungs- und Erkrankungsmuster bei der Bipolaren Störung gibt, die bedacht werden sollten, wenn eine antidepressive Therapie ansteht. Verschiedene Faktoren können offenbar vor einem Switch in die Manie schützen (Lithium und manche Neuroleptika), andere wiederum deuten auf ein erhöhtes Switch-Risiko.
Lithium und manche Neuroleptika senken das Switch-Risiko, Rapid-Cycling und gemischte Episoden könnten das Risiko erhöhen
Manche der Ergebnisse sind dabei wenig überraschend. Lithium als Phasenprophylaxe stellt einen Schutz vor dem Switch dar – Sinn und Zweck der Stimmungsstabilisation ist also erfüllt. Interessant wäre nun zu beurteilen, welche Stimmungsstabilisatoren wirksamer einen Switch verhindern können. Auch der Effekt der Antipsychotika, von denen manche auch bei akuten Manien eingesetzt werden, ist nachvollziehbar. Besonders interessant ist hier aber vor allem der Ansatz zur Behandlung, die speziell auf den Patienten zugeschnitten ist. Jede Depressionserkrankung oder Bipolare Störung hat ein ganz eigenes Muster – mehr und mehr wird deutlich, dass die Eigenheiten der jeweiligen Erkrankung und Krankheitsgeschichte stärker mit in den Behandlungsplan einbezogen werden müssen, um Patienten besser helfen zu können.
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