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Neuer Abwehrmechanismus gegen Sauerstoffradikale entdeckt

Sauerstoffradikale entstehen als Nebenprodukt, wenn Lebewesen Kohlenhydrate oder Fett verbrennen. Sie stehen unter Verdacht, den Alterungsprozess in Mensch und Tier voranzutreiben und schwere Krankheiten wie Alzheimer oder bestimmte Krebsarten mitzuverantworten. Forschende der Universität Bern und der Universität Stockholm haben nun einen Abwehrmechanismus gegen Sauerstoffradikale entdeckt, der als Ansatz für verschiedene Medikamente dienen könnte.

Um Energie zu gewinnen, verbrennen viele Lebewesen Nährstoffe wie Kohlenhydrate oder Fette. In einigen dieser Verbrennungsreaktionen wird in der Zelle Sauerstoff zu Wasser umgewandelt, um die chemische Energie der Nährstoffe als biologische Energie für die Zelle nutzbar zu machen. Allerdings sind diese Reaktionen nicht ganz ungefährlich, können doch Zwischenprodukte auf dem Weg vom Sauerstoff zum Wasser entstehen, sogenannte Sauerstoffradikale, welche für den Organismus schädlich sind. Während sie in geringen Konzentrationen als Botenstoff wirken können oder vom Immunsystem gar als Zellgifte gegen Eindringlinge eingesetzt werden, greifen sie in grösserer Menge die Erbsubstanz (DNA), Eiweisse und Fette an. So werden Sauerstoffradikale für die Entstehung von neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson sowie gewissen Krebsarten mitverantwortlich gemacht. Alle Zellen besitzen jedoch Abwehrmechanismen in Form von speziellen Enzymen, welche diese gefährlichen Zwischenprodukte schrittweise abbauen. Im Alter funktioniert diese Abwehr aber immer schlechter und so nimmt sowohl die Konzentration dieser Radikale, wie auch die Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch der erwähnten Krankheiten, zu. Berner Forschende um Prof. Christoph von Ballmoos vom Departement für Chemie und Biochemie (DCB) konnten nun in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Stockholm einen bislang unbekannten Abwehrmechanismus aufzeigen und beschreiben. Dabei gelang es den Forschenden, die Funktion eines seit Jahrzehnten bekannten Enzyms aufzuklären, welches Sauerstoffradikale direkter «entschärft» als die bisher bekannten Abwehrmechanismen. Die Erkenntnisse könnten dereinst dazu beitragen, neue Medikamente zu entwickeln.

Neue biochemische Reaktion entdeckt

Das bei Verbrennungen am häufigsten entstehende reaktive Zwischenprodukt ist das sogenannte Hyperoxid (engl. Superoxide). Um es unschädlich zu machen, verwenden alle Organismen, die zum Leben Sauerstoff benötigen, denselben Abwehrmechanismus mittels des Enzyms Superoxiddismutase. Es gibt jedoch einen direkteren Weg über ein anderes Enzym, den nun die beiden Forschergruppen beschreiben. Obwohl die Struktur des Enzyms bereits vor Jahren von der Stockholmer Gruppe um Prof. Martin Högbom entschlüsselt worden ist, konnte die Funktion erst durch die Zusammenarbeit mit der Berner Gruppe «geknackt» werden.

«Es war eine ziemlich ungewöhnliche Situation – normalerweise ist es so, dass man erst nach jahrelanger Forschung an der Funktion versucht, die molekulare Struktur aufzuklären», sagt Christoph von Ballmoos. Der Berner Doktorand Olivier Biner, einer der Erstautoren der Studie, konnte als erster den neuen Mechanismus im Labor mit Hilfe von biochemischen und spektroskopischen Methoden aufzeigen. «Aufgrund der strukturellen Daten hatten wir eine grobe Ahnung, welche Reaktion das Enzym katalysieren, oder beschleunigen, könnte, doch die finale Entschlüsselung des Mechanismus hat lange gedauert», sagt Biner.

Das Enzym, Superoxid-oxidase genannt, verwandelt das gefährliche Hyperoxid auf direktem Weg wieder zurück in ungefährlichen Sauerstoff und übergibt das überschüssige Elektron an Coenzyme Q, einem Molekül, welches zentral für die Herstellung der biologischen Energie ist. Das Enzym, wegen seiner himbeerroten Farbe von den Forschenden liebevoll «Hallonsaft» (schwedisch für Himbeersaft) genannt, entschärft also nicht nur die Sauerstoffradikale, sondern führt die Energie auch noch einem sinnvollen Prozess zu. Die atomare Struktur unterstützt diese Funktion und erlaubt es den Forschenden nun, gezielt spezifische Änderungen am Enzym vorzunehmen, um den Mechanismus noch besser zu verstehen. «Als wir schliesslich die Lösung fanden und plötzlich alle Puzzleteile zusammenpassten, war das schon eine sehr aufregende Zeit –  eine neue biochemische Reaktion entdeckt man nicht alle Tage», freut sich Olivier Biner.

Ein neues Feld mit therapeutischen Möglichkeiten eröffnet sich

Die Forschenden erzielten ihre Ergebnisse mit dem Bakterium Escherichia coli. «Als erstes geht es nun darum, herauszufinden, ob diese Reaktion auch in den Mitochondrien der menschlichen Zellen stattfindet», erklärt von Ballmoos. Die Chancen dazu stünden gut, da diese Prozesse sehr universell seien. «Aber es hat schlicht noch keine Arbeitsgruppe nach dem Enzym gesucht, weil man nicht wusste, dass es diese Reaktion überhaupt gibt», so von Ballmoos weiter. Neben der Grundlagenforschung sollen nun auch praktische oder klinische Anwendungen getestet werden. «Zum einen könnte das Enzym so optimiert werden, dass es als Indikator für Hyperoxide im Labor und der Medizin verwendet werden kann, zum anderen könnten Inhibitoren des Enzyms dereinst als Ersatz für Antibiotika zum Einsatz kommen», erklärt von Ballmoos.
Die Studie wurde im Fachjournal Nature Chemical Biology veröffentlicht.

Angaben zur Publikation:
Camilla A.K. Lundgren, Dan Sjöstrand, Olivier Biner, Matthew Bennett, Axel Rudling, Ann-Louise Johansson, Peter Brzezinski, Jens Carlsson, Christoph von Ballmoos and Martin Högbom: Scavenging of superoxide by a membrane bound superoxide oxidase, Nature Chemical Biology, DOI: 10.1038/s41589-018-0072-x.

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