Das GesundheitsPortal für innovative Arzneimittel, neue Therapien und neue Heilungschancen
Etabliertes Antitumor-Medikament Afatinib als neue Option für viele Lungenkrebspatienten
Trotz Fortschritten in der Krebsforschung ist Lungenkrebs immer noch eine lebensbedrohliche Erkrankung und weniger als jeder fünfte Patient überlebt fünf Jahre nach Diagnose. Die Mehrheit erhält eine klassische Chemotherapie und moderne spezifische Behandlungsmöglichkeiten gibt es nur in Ausnahmefällen. Emilio Casanova und Herwig Moll vom Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung (LBI-CR) und der Medizinischen Universität Wien (MUW) präsentieren nun in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine ihre überraschenden Forschungsergebnisse, die das etablierte Medikament Afatinib als eine therapeutische Option beschreiben. Casanova und sein Team internationaler Partner konnten zeigen, dass die Hemmung von EGFR-Rezeptoren durch dieses Präparat in Tumoren wirksam ist, auch wenn diese eine Mutation im KRAS-Onkogen tragen. Da bis zu 30 Prozent der Lungentumoren derartige Mutationen aufweisen, könnte Afatinib eine zusätzliche therapeutische Option für ein großes Patientensegment darstellen, das an dieser besonders aggressiven Form der Erkrankung leidet und dem derzeit nur unzureichende therapeutische Optionen zur Verfügung stehen.
Wien, 20. Juni 2018. Moderne Krebsmedikamente, die auf spezifische Onkogene abzielen, haben in den letzten zehn Jahren die Tumortherapie revolutioniert. Viele Patienten profitieren von modernen Therapeutika mit längerem Überleben bei höherer Lebensqualität. Aber Lungenkrebs bleibt eine tödliche Erkrankung, mit jährlich 1,6 Millionen Toten. Nur eine Minderheit von Patienten mit Mutationen in spezifischen Rezeptortyrosinkinasen wie der EGFR-Superfamilie erhält moderne Medikamente. Das EGFR-Molekül wird an der Zelloberfläche durch Bindung von EGF aktiviert, was die Aktivierung intrazellulärer Signalmoleküle einschließlich KRAS auslöst. Der nachgeschaltete Effektor des EGFR-Moleküls (KRAS) ist jedoch in Lugentumoren häufig mutiert und daher wurden EGFR-Inhibitoren für die Mehrheit der Patienten nicht als eine wirksame Option betrachtet. In der Tat herrscht das Dogma, dass in Gegenwart von mutiertem KRAS die pharmakologische Hemmung von EGFR unwirksam ist und erste klinische Studien mit EGFR-Inhibitoren der ersten Generation bestätigten diese Annahme.
Herwig Moll hat diese Ansicht mit einer umfassenden Analyse von Lungenkrebs-Mausmodellen in Frage gestellt und die Ergebnisse wurden jetzt publiziert. Tiere, die eine klinisch relevante KRAS-Mutation in der Lunge aufweisen, entwickeln Tumore und sterben bald, während Mäuse mit der gleichen Mutation, denen aber der EGFR fehlt, ein signifikant längeres Überleben zeigen. Auch wenn sich trotz EGFR Verlust Tumore entwickeln, wachsen diese langsamer und deshalb sterben die Mäuse später. Eine genauere Analyse dieser Tumoren ergab, dass KRAS-mutierte Tumorzellen mit einem funktionellen EGFR-Komplex in der Zelle sich schneller teilen. Die erhöhte Überlebenszeit, wenn EGFR-Expression verhindert wurde, konnte auf ein reduziertes KRAS-Signal zurückgeführt werden. Interessanterweise konnten Moll und Kollegen die genetische Ablation des EGFR durch die Behandlung mit Afatinib simulieren. Afatinib ist ein moderner EGFR- Inhibitor, der in der Lage ist, die Aktivität aller vier Rezeptoren der EGFR Familie zu beeinträchtigen. „Wir freuen uns über die Schlussfolgerung aus unseren Experimenten, dass Afatinib offensichtlich eine rationale Therapie für eine große Anzahl von Lungenkrebspatienten sein kann“, erklärt Emilio Casanova, Hauptautor der Studie. Dieses klinisch zugelassene Medikament könnte daher eine wirksame Therapie für Lungenkrebserkrankungen mit KRAS-Mutation darstellen, die häufig mit der aggressivsten Form der Erkrankung in Verbindung gebracht werden.
„Rauchen ist die wichtigste vermeidbare Ursache von Krebs und wir alle sollten Gesetze unterstützen, um die breite Öffentlichkeit vor negativen gesundheitlichen Auswirkungen durch das Einatmen von Tabakrauch zu schützen. 85 Prozent der Lungenkrebspatienten sind Raucher und viele leiden unter der aggressiven Form von Lungenkrebs mit nichtkleinen Zellen (NSCLC), die eine KRAS-Mutation tragen und besonders schwer zu behandeln ist „, sagt Emilio Casanova. Die beste Option um Lungenkrebs zu verhindern, ist es, das Rauchen aufzugeben. Aber es ist beruhigend zu wissen, dass neue therapeutische Möglichkeiten entwickelt werden, die das Leiden von Lungenkrebspatienten lindern. Die jetzt in Science Translational Medicine veröffentlicht Daten unterstützen einen erneuten Blick auf die genetische Diagnostik von Lungenkrebspatienten und zeigen, dass Lungentumoren unabhängig von KRAS-Mutationen auf Afatinib ansprechen könnten. Die Wirksamkeit einer Afatinib-basierten modernen Therapie für etwa 50 Prozent der Lungenkrebspatienten sollte deshalb klinisch untersucht werden.
Service
Afatinib restrains K-RAS driven lung tumorigenesis.
Herwig P. Moll, Klemens Pranz, Monica Musteanu, Beatrice Grabner, Natascha Hruschka, Julian Mohrherr, Petra Aigner, Patricia Stiedl, Luka Brcic, Viktoria Laszlo, Daniel Schramek, Richard Moriggl, Robert Eferl, Judit Moldvay, Katalin Dezso, Pedro P. Lopez-Casas, Dagmar Stoiber, Manuel Hidalgo, Josef Penninger, Maria Sibilia, Balázs Győrffy, Mariano Barbacid, Balázs Dome5, Helmut Popper, Emilio Casanova
Science Translational Medicine
Über das Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung (LBI-CR):
Das LBI-CR konzentriert sich auf die Entwicklung neuer Mausmodelle für Krebserkrankungen und deren Analyse um neue Einsichten über die Grundlagen von Krebserkrankungen zu erreichen. Das Institut forscht auf internationalem Niveau an den Grundlagen der Krebsentstehung mit modernsten genetischen Methoden. Mit einem besonderen Fokus für die Signalkooperation in Tumorzellen verfolgen die ForscherInnen das Ziel, wissenschaftliche Errungenschaften in neue therapeutische Ansätze zu übersetzen. Das LBI-CR führt seine Forschung in enger Zusammenarbeit mit seinen Partnern Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie, Medizinische Universität Wien, Verterinärmedizinische Universität, St. Anna Kinderkrebsforschung und der Firma TissueGnostics durch.