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Depressive Entzündungen helfen, eine wirksame Depressionsbehandlung zu finden

Original Titel:
Personalized antidepressant selection and pathway to novel treatments: Clinical utility of targeting inflammation

Zusammenfassend zeigt sich: die Erforschung von Depressionen steht nicht still. Entzündungshemmende Wirkstoffe aus dem Bereich der Autoimmunerkrankungen gewinnen auch für die Behandlung von Depressionen an Bedeutung. Gezielter auf ihre antidepressive Wirkung untersucht werden Substanzen wie Sirukumab gegen IL-6 (Zhou et al., 2017 im Fachjournal Advances in Therapy erschienen), Guselkumab gegen IL-23 oder Adalimumab gegen TNF-α (Gordon und Kollegen, 2018 veröffentlicht im Journal of European Academy of Dermatology and Venereology). Auch das antienzündliche Mittel Celecoxib konnte bei der Bipolaren Störung als ergänzende Behandlung (Arabzadeh et al., 2015 im Journal Bipolar Disorder veröffentlicht) oder bei unipolaren Depressionen (Na et al., 2014 in Progress in Neuro-Psychopharmacology Biological Psychiatry erschienen) häufiger als Vergleichsmittel zur Symptomfreiheit verhelfen. Damit wird aber auch die Ernährung wieder deutlich relevanter als früher gedacht: anti-inflammatorische (entzündungshemmende) Ernährungsmuster sollten bei der Behandlung von Depressionen nach dem aktuellen Stand zu einer Basistherapie grundlegend dazu gehören.


Gegen Depressionen scheint derzeit im wahrsten Sinne noch kein Kraut gewachsen. Zwar stehen eine Vielzahl von Antidepressiva zur Verfügung– ihre Wirksamkeit muss allerdings durch Ausprobieren bei jedem Patienten individuell getestet werden. Typischerweise wirken diese Medikamente auch über denselben biochemischen Pfad in unserem Körper: den Monoamin-Nervenbotenstoffen, zu denen Dopamin, Noradrenalin und Serotonin gehören. Bei vielen der von Depressionen betroffenen Patienten wirkt dieser Ansatz aber nicht oder nicht genügend. Dr. Jha und Dr. Trivedi vom Zentrum für Depressionsforschung des UT Southwestern Medical Center im US-amerikanischen Dallas fassten nun in einer Übersichtsstudie den Wissensstand zu ganz anderen Behandlungswegen zusammen.

Im Zentrum der Depressionsforschung steht inzwischen das Immunsystem

Entzündliche Prozesse scheinen eine kritische Rolle zumindest bei einem Teil der Patienten mit starken und behandlungsresistenten Depressionen zu spielen. Entzündungsmarker im Blut bieten darüber auch eine Chance, die Behandlung individuell für den jeweiligen Patienten zu gestalten, also zu personalisieren. Medikationen, die zielgerichtet bestimmte entzündliche Prozesse angreifen, können so konkret einem Patienten helfen, bei dem genau diese Prozesse verstärkt aktiv sind. Damit werden Entzündungshemmer der neuesten Generation zu ganz neuartigen Antidepressiva. Beispielsweise ist es schon jetzt möglich, mit einem einfachen Bluttest (per Pieks in den Finger) die Menge des sogenannten c-reaktiven Proteins (CRP) zu bestimmen. CRP gilt als eher unspezifische Antwort des Körpers auf Verletzungen oder Infekte. Dr. Köhler-Forsberg und Kollegen zeigten 2017 (Acta Psychiatrica Scandinavica), dass erhöhte CRP-Werte mit stärkeren depressiven Symptomen einhergingen. Von diesem Zusammenhang waren vor allem Frauen betroffen.

Diagnose der Depression und Stärke der Symptome mit Bluttests

Eine weitere Studie (Cattaneo et al., 2016 in der Fachzeitschrift The International Journal of Neuropsychopharmacology erschienen) bestimmte die Menge zweier weiterer Biomarker bei depressiven Patienten, dem MIF (kurz vom englischen macrophage migration inhibitory factor) und dem Interleukin IL-1β. Die Patienten wurden mit einer Reihe von Medikamenten behandelt – die Betroffenen aber, bei denen die zwei Entzündungswerte deutlich über den Normalwert erhöht waren, konnte mit klassischen Antidepressiva nicht geholfen werden. Dieser Test erlaubt es damit, vorherzusagen, ob klassische Antidepressiva sinnvoll eingesetzt werden können, oder ob alternativ die Entzündungsprozesse vorrangiges Ziel der Behandlung sein sollten.

Entzündungsmarker klären auf: Welche Antidepressiva können wirken?

Bei depressiven Patienten ist besonders häufig der Entzündungsmarker IL-6 erhöht – genau wie das CRP kann auch IL-6 depressive Symptome ‚vorhersagen‘. Köhler und Kollegen (2017 im Fachjournal Acta Psychiatrica Scandinavica erschienen) führten in einer Übersichtsstudie eine Vielzahl von Entzündungsanzeichen auf, die bei der Depression erhöht sind. Auch der Tumornekrosefaktor, kurz TNF-α, scheint, ähnlich wie das CRP, besonders bei behandlungsresistenten Depressionen auffällig erhöht zu sein. Die speziellen Entzündungsmarker sind dabei typischerweise sogenannte Zytokine: Substanzen, die die Bewegung von Zellen durch den Körper anregen oder erleichtern. Eine Idee, wie diese Stoffe zu Depressionen führen, ist dass sie die Einwanderung von Abwehrzellen in das zentrale Nervensystem und das Gehirn erleichtern. Dort werden diese Abwehrkämpfer vermutlich zum Schaden der psychischen Gesundheit aktiv. Interessant ist nun, dass manche der klassischen Antidepressiva auch gegen manche der entzündungsfördernden Substanzen wirken. Beispielsweise scheinen Mittel der SSRI-Klasse die Menge von Interleukinen IL-4, IL-6 und IL-1β zu senken (Wiedlocha und Kollegen 2018). Aus der Forschung der letzten Jahre wird nun also deutlich, dass auch klassische Antidepressiva mehr erreichen als nur die Wirkung von Nervenbotenstoffen zu verlängern.

Chronische Entzündungsvorgänge im Körper sind oft an starken Depressionen beteiligt

Diese müssen dabei gerade bei depressiven Patienten, bei denen Antidepressiva nicht wirken, gezielt untersucht und behandelt werden. Die neueste Strategie zur Diagnose von Depressionen geht sogar den umgekehrten Weg: Patienten mit depressiven Symptomen sollen zuerst auf entzündliche Prozesse hin untersucht und behandelt werden. Bisher klassische Antidepressiva, die speziell den Mangel an speziellen Nervenbotenstoffen ausgleichen, sollen also nachrangig zum Einsatz kommen oder gezielt dann eingesetzt werden, wenn bekannt ist, dass sie auch gegen die jeweils erhöhten Entzündungsmarker wirken.

Zusammenfassend zeigt sich: die Erforschung von Depressionen steht nicht still. Entzündungshemmende Wirkstoffe aus dem Bereich der Autoimmunerkrankungen gewinnen auch für die Behandlung von Depressionen an Bedeutung. Gezielter auf ihre antidepressive Wirkung untersucht werden Substanzen wie Sirukumab gegen IL-6 (Zhou et al., 2017 im Fachjournal Advances in Therapy erschienen), Guselkumab gegen IL-23 oder Adalimumab gegen TNF-α (Gordon und Kollegen, 2018 veröffentlicht im Journal of European Academy of Dermatology and Venereology). Auch das antienzündliche Mittel Celecoxib konnte bei der Bipolaren Störung als ergänzende Behandlung (Arabzadeh et al., 2015 im Journal Bipolar Disorder veröffentlicht) oder bei unipolaren Depressionen (Na et al., 2014 in Progress in Neuro-Psychopharmacology Biological Psychiatry erschienen) häufiger als Vergleichsmittel zur Symptomfreiheit verhelfen. Damit wird aber auch die Ernährung wieder deutlich relevanter als früher gedacht: anti-inflammatorische (entzündungshemmende) Ernährungsmuster sollten bei der Behandlung von Depressionen nach dem aktuellen Stand zu einer Basistherapie grundlegend dazu gehören.

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