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Krebsmedikament – unter anderen Voraussetzungen
Die Kinase PLK1 wird in einem breiten Spektrum von menschlichen Tumoren überexprimiert. Das Enzym gilt daher als Onkogen und als vielversprechende Zielstruktur für neue Krebstherapeutika. Doch Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum stellten nun fest, dass hohe PLK1-Spiegel bei Mäusen die Krebsentstehung drosseln und die Zellteilung stören. Die Ergebnisse legen nahe, dass PLK1 eher tumorsuppressiv wirkt und nicht als krebsförderndes Onkogen, wie bisher vermutet. Hemmstoffe der PLK1 können aber trotzdem gegen Tumoren wirken – nur anders als gedacht.
Bei einer Vielzahl von Krebsarten ist die Polo-like Kinase 1 (PLK1) überexprimiert, insbesondere in schnellwachsenden, chromosomeninstabilen Tumoren. Das Enzym ist an der Zellteilung beteiligt: Es reguliert die Ausbildung der Teilungsspindel und die korrekte Aufteilung der Chromosomen auf die Tochterzellen. Hohe PLK1-Spiegel gehen bei vielen Krebsarten mit ungünstiger Prognose einher, deswegen gilt PLK1 als klassisches Onkogen.
Eine Blockade von PLK1 resultiert in fehlerhaft verteilten Chromosomen, Stopp des Zellzyklus und schließlich im Zelltod. Daher gilt das Enzym als vielversprechende Zielstruktur für neue Krebsmedikamente. Doch es gibt auch widersprüchliche Ergebnisse zur Rolle von PLK1 bei der Krebsentstehung. So haben andere Studien gezeigt, dass hohe PLK1-Expression bei bestimmten Formen von Brustkrebs sogar mit einer besseren Prognose verbunden ist. „Es gibt bislang kaum Informationen darüber, wie hohe PLK1-Spiegel zur Transformation der Zellen und Krebsentstehung beitragen könnten“, sagt Rocio Sotillo vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).
Ihr und ihrem Team ist es nun gelungen, mit molekularbiologischen Methoden Mäuse zu züchten, deren PLK1-Produktion sich über einen Regulator im Futter quasi „von außen“ ankurbeln lässt. An diesen Tieren untersuchten die Forscher die Auswirkungen hoher PLK1-Spiegel auf Zellteilung und Tumorentstehung. Bei den PLK1-überexprimierenden Zellen entdeckten die DKFZ-Forscher, dass die normale Aufteilung der Chromosomen auf die beiden Tochterzellen gestört ist. Außerdem konnten sich die Tochterzellen nicht vollständig voneinander lösen, was zu Zellen mit zwei oder sogar vier Zellkernen führte.
Bei den Mäusen, die aufgrund eines starken Onkogens (Kras oder Her2) normalerweise allesamt Brustkrebs entwickelt hätten, führte Überexpression von PLK1 zu einem Rückgang der Brusttumoren um 85 Prozent. Die wenigen Tumoren, die trotz PLK1-Überexpression entstanden, traten deutlich verzögert auf.
„Aus diesen Ergebnissen könnte man nun schließen, dass PLK1 nicht als Onkogen einzustufen ist, sondern im Gegenteil eher tumorsuppressive Eigenschaften hat“, sagt Rocio Sotillo. Mehrere Hemmstoffe, die die Aktivität der PLK1 blockieren, werden derzeit bereits in klinischen Zulassungsstudien geprüft. „Unsere Ergebnisse sprechen aber nicht unbedingt gegen den Einsatz solcher PLK1-Inhibitoren in der Krebstherapie. Viele wesentliche Bestandteile des Zellteilungs-Apparats eignen sich als Ansatzpunkt für innovative Behandlungsansätze, weil die Tumorzellen extrem abhängig von diesen Strukturen sind“, erklärt die Tumorbiologin und ergänzt: „Daher könnten sich PLK1-Inhibitoren durchaus als brauchbares Krebsmedikament herausstellen – nur eben unter anderen Voraussetzungen als bisher gedacht!“
Guillermo de Cárcer, Sharavan Vishaan Venkateswaran, Lorena Salgueiro, Aicha El Bakkali, Kalman Somogyi, Konstantina Rowald, Pablo Montañes, Manuel Sanclemente, Beatriz Escobar, Alba de Martino, Nicholas McGranahan, Marcos Malumbres und Rocío Sotillo: Plk1 overexpression induces chromosomal instability and suppresses tumor development.
Nature Communications 2018, DOI: 10.1038/s41467-018-05429-5
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.