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„Vorbestehende Erkrankungen können sich verschlimmern und das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle steigt“
Interview zu den gesundheitlichen Folgen der aktuellen Hitzewelle und wie man sich verhalten und ernähren sollte
Deutschland ächzt unter einer lange nicht dagewesenen Hitzewelle. Neurologe Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger vom Sportmedizinischen Institut der Universität Paderborn erklärt im Interview, welche gesundheitlichen Auswirkungen die hohen Temperaturen haben können, welche Symptome dann auftreten und gibt allgemeine Verhaltens- und Ernährungstipps für die heißen Tage.
Herr Reinsberger, seit Tagen herrschen in weiten Teilen des Landes konstant deutlich über 30 Grad. Welche Auswirkungen hat die extreme Hitze auf unsere Gesundheit und körperliche Leistungsfähigkeit?
Bei konstant hohen Temperaturen stellt der Körper unter anderem seine Thermoregulation zugunsten von vermehrter Schweißabsonderung um. Hierdurch verlieren wir in höherem Maße salzreiche Flüssigkeit, was für die Regulation von Herz-Kreislauffunktionen und anderen Organen problematisch sein kann. Neben den direkt durch Hitze bedingten Krankheiten wie Hitzeerschöpfung, Sonnenstich und Hitzschlag können sich vorbestehende Erkrankungen verschlimmern. Durch Komplikationen wie Salzverlust und Austrocknung bestehen zudem höhere Risiken für Herzinfarkte, Schlaganfälle und andere Erkrankungen. Zudem kann es bedingt durch die beschriebenen Mechanismen zu Müdigkeit und schlechtem Schaf, Konzentrationsstörungen und anderweitigen Leistungsminderungen mit weitreichenden Folgen kommen. So gibt es beispielsweise während großer Hitze statistisch gesehen häufiger Verkehrsunfälle.
„Klassiker“ im Hochsommer sind der Sonnenstich und der Hitzschlag. Durch welche Symptome machen sie sich bemerkbar?
Sonnenstiche und Hitzschläge können als direkte klinische Folge großer Hitze und ungeschützter Sonneneinstrahlung entstehen. Neben allgemeiner Erwärmung des Körpers kommt es dabei zu einer leichten Reizung der Hirnhäute und sogar zu einer Hirnschwellung. Bei einem Sonnenstich ist die Körpertemperatur noch nicht erhöht. Betroffene leiden jedoch unter zum Teil starken Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Unruhe oder auch Benommenheit und Abgeschlagenheit. Zumeist wird der Kopf hochrot und heiß. In schweren Fällen kann es auch zu Bewusstseinseintrübung und Krampfanfällen kommen, die dann allerdings auch schon auf einen Hitzschlag hindeuten können. Bei diesem ist die Haut aller Körperteile gerötet und die Körpertemperatur kann auf über 40 Grad Celsius ansteigen. Der Hitzschlag ist ein medizinischer Notfall, der sofortiger ärztlicher Behandlung bedarf, da man hieran sterben kann. Wichtig zu wissen ist: Die entsprechenden Symptome treten nicht selten erst Stunden nach der Hitzeexposition auf. Hitze und direkte Sonneneinstrahlung vermeiden und eine Kopfbedeckung tragen – das sind die effektivsten Vorbeugemaßnahmen.
Für wen sind die hohen Temperaturen besonders gefährlich?
Insbesondere ältere und chronisch kranke Menschen – vor allem, wenn sie gepflegt werden müssen – sowie (kleine) Kinder sind gefährdet. Daher sollten diese Bevölkerungsgruppen in und mit der Hitze besonders vorsichtig sein. Auch Menschen, die körperliche Arbeit in der Hitze mit direkter Sonneneinstrahlung verrichten, sind gefährdet und sollten sich ebenso besonders schützen. Bei Medikamenteneinnahmen ist zu klären, ob diese möglicherweise negative Wirkungen von Sonne und Hitze verstärken können.
Studierende haben Klausuren und Hausarbeiten vor der Brust, Uni-Mitarbeiter und alle anderen Arbeitnehmer den täglichen Job. Wie sollte man sich bei dem Wetter verhalten, um gut durch den Tag zu kommen?
Wichtig ist der Schutz vor direkter Sonnenexposition und die Aufnahme von ausreichend Flüssigkeit, die bei dauerhaft sehr hohen Temperaturen auch mal das Doppelte der normalen Flüssigkeitszufuhr sein kann. Zudem ist auf einen ausreichenden Salz- und Mineralgehalt zu achten, den man zum Beispiel durch Zumischen von Fruchtsäften (als Schorle) erreichen kann. Insgesamt sollte man sich so oft wie möglich in kühlen Räumen aufhalten und möglichst wenig Arbeit in der direkten Hitze erledigen. Häufigere, kurze Pausen, in denen man Flüssigkeit aufnimmt, können ebenfalls helfen. Bei direkter Sonneneinstrahlung sollte man die Haut durch Textilien bedecken und Sonnenschutzmittel verwenden. Wichtig ist hier auch der Schutz des Kopfes durch Hut oder Cap.
Welche Speisen sind bei den Temperaturen für unseren Körper derzeit am verträglichsten?
Neben einer ausreichenden und sinnvollen Flüssigkeitszufuhr empfiehlt sich leichte Kost mit viel Gemüse und Obst. Fettreiche Produkte wirken sich eher negativ auf die Anpassungen bei Hitze aus. Hier haben die Mensen der Uni Paderborn in den letzten Tagen und Wochen sehr schöne Angebote gehabt. Generell ist die Einnahme von eher kleineren Portionen Essen aktuell am besten verträglich.
Eiskalt, lauwarm oder heiß: Welche Getränke sind im Hochsommer zu empfehlen?
Hier streiten sich die Wissenschaftler und es kommt darauf an, worauf die Empfehlung beruht. Viele Menschen vertragen bei Hitze tatsächlich lauwarme Getränke besser als kalte. Andere empfinden nur kalte Getränke als wirklich erfrischend. Aus meiner Sicht spielen hier die individuellen Vorlieben die größte Rolle. Hauptsache es wird ausreichend und das Richtige getrunken – zum Beispiel im Verhältnis von 1 zu 3 gemischte Fruchtsaftschorlen. Auch (Früchte-)Tee kann getrunken werden, hat meistens jedoch weniger Nährstoffe und Mineralien als Säfte. Und bei ausreichendem Trinken von Wasser ist auch gegen einen (gekühlten) Kaffee nichts einzuwenden. Abstand nehmen sollte man hingegen von zuckerhaltigen Softdrinks und Alkohol.
Letzte Woche starteten die Kurse des Hochschulsports Paderborn für die vorlesungsfreie Zeit. Was ist zu beachten, wenn man bei der Hitze Sport treiben will?
Ausreichende und regelmäßige Flüssigkeitszufuhr, vermehrte Pausen, wenn möglich trainieren zu Tageszeiten, wo es etwas kühler ist, angemessene Kleidung (Hut, Cap etc.), Sonnenschutzmittel und man sollte immer auf seinen Körper achten. Wer Probleme mit dem Kreislauf hat, sollte beim Sport momentan lieber etwas kürzertreten.
Das Interview führte Simon Ratmann, Stabsstelle Presse und Kommunikation.