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Welche Bakterien mit uns U-Bahn fahren

Jenaer Forscher untersuchten Bakterien-Gemeinschaften im U-Bahn-Netz von Hongkong – Ergebnisse können Stadtplanung beeinflussen

Jena/Hongkong. In einer aktuellen Studie analysierte ein Team um Gianni Panagiotou vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena (Leibniz-HKI), wie sich die Mikroorganismen der Reisenden im Hongkonger U-Bahn-Netz über den Tag hinweg vermischen. Während jede Linie am Morgen einen charakteristischen mikrobiellen Fingerabdruck besitzt, bildet sich bis zum Abend ein einheitliches Mikrobiom, das das gesamte Metro-System bevölkert.

Wie wirken sich die geografischen Merkmale der verschiedenen U-Bahn-Linien des Hongkonger Metro-Netzes und ihre Anbindung an städtische Straßen und andere öffentliche Räume auf die gesamte mikrobielle Zusammensetzung – das sogenannte Mikrobiom – der U-Bahn aus? Der Jenaer Systembiologe Gianni Panagiotou ging dieser Frage gemeinsam mit seinem Team und dem Architekten Chris Webster in einer Studie nach, die soeben im Fachjournal Cell Reports erschien. Die Wissenschaftler interessierten sich besonders dafür, ob die Mikrobiome der Metro-Linien die täglichen Schwankungen des Verkehrs übernehmen und ebenso über die tägliche Reisezeit hinweg variieren.

Hierfür schickten die Forscher Studienteilnehmer während der morgendlichen und abendlichen Stoßzeiten jeweils eine halbe Stunde lang durch Hongkongs U-Bahnen. Anschließend nahmen sie Abstriche von ihren Händen. Das Verkehrsnetz einer der geschäftigsten und dichtesten Städte der Welt ist ca. 160 Kilometer lang. „Bei fünf Millionen Menschen, die täglich mit der U-Bahn fahren, müsste der Fingerabdruck der ganzen Stadt erkennbar sein“, zeigt sich Panagiotou beeindruckt.

Unsere Haut bildet eine wichtige Barriere gegen Krankheitserreger. Deshalb interessierten sich die Forscher nicht, wie in früheren Studien in den U-Bahnen von Boston und New York, für die Mikrobengemeinschaften in den Zügen selbst. Stattdessen untersuchten sie, welche Mikroben auf die Hände der Pendler übertragen wurden.

Mikrobengemeinschaft wird gegen Abend immer ähnlicher
Während die Forscher morgens bestimmte U-Bahn-Linien noch anhand der Bakterien identifizieren konnten, gelang es abends kaum noch, sie zu unterscheiden. „Am Morgen hat jede U-Bahn-Linie eine einzigartige mikrobielle Zusammensetzung. Sie spiegelt die Regionen wider, durch die sie führt. Aber mit zunehmender U-Bahn-Nutzung während des Tages werden die mikrobiellen Gemeinschaften aller Linien einander immer ähnlicher“, fasst der Systembiologe, der gleichzeitig eine Honorarprofessur an der Universität von Hongkong innehat, die Studie zusammen.

Neben einigen Krankheitserregern waren die Mehrheit der übertragenen Mikroben jedoch harmlose Hautbewohner der Reisenden. „Am besten illustriert das Mischungsmuster von Antibiotikaresistenzgenen die tageszeitlichen Veränderungen, so Panagiotou. „Am Morgen fanden wir Resistenzgene nur in wenigen U-Bahn-Linien, abends hingegen konnten wir sie im gesamten U-Bahn-Netz nachweisen.“

Anhaltspunkte für Planung des öffentlichen Nahverkehrs
Panagiotou betont: „Uns ging es in diesem Projekt nicht darum, die Menschen zu erschrecken. Im Gegenteil: Wir haben festgestellt, dass Metro-Linien mit höherem Verkehrsaufkommen keine größeren Gesundheitsrisiken bergen, weder in Bezug auf Krankheitserreger noch auf Antibiotikaresistenzgene“. Stattdessen sollen die Ergebnisse Anhaltspunkte für künftige Strategien zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Gesundheit und Gestaltung des öffentlichen Nahverkehrs liefern. „Wir wollen besser verstehen, wie die Stadtplanung Bakterienarten beeinflussen kann, um die Übertragung von Krankheitserregern und Antibiotikaresistenzgenen innerhalb der Stadt und über die Grenzen hinweg zu vermindern“, setzt der Panagiotou seine Erklärung fort.

Originalpublikation
Kang K, Ni Y, Li J, Imamovic L, Sarkar C, Kobler MD, Heshiki Y, Zheng T, Kumari S, Wong JCY, Archna A, Wong CWM, Dingle C, Denizen S, Baker DM, Sommer MOA, Webster CJ, Panagiotou G (2018) The environmental exposures and inner- and intercity traffic flows of the metro system may contribute to the skin microbiome and resistome. Cell Reports

https://doi.org/10.1016/j.celrep.2018.06.109

Informationen zum Leibniz-HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des Leibniz-HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.

Das Leibniz-HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das Leibniz-HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 430 Personen am Leibniz-HKI, davon 140 als Doktoranden.

Das Leibniz-HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundvorhaben wie der Exzellenz-Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Das HKI ist Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.

Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 93 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 19.100 Personen, darunter 9.900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.