Das GesundheitsPortal für innovative Arzneimittel, neue Therapien und neue Heilungschancen

Was ist Asthma – und wenn ja wie viele?

In einer großen Langzeituntersuchung studieren Wissenschaftler und Ärzte des Deutschen Zentrums für Lungenforschung die unterschiedlichen Verläufe von Asthma-Erkrankungen vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter. In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins BMC Pulmonary Medicine stellen sie das Studienprotokoll vor.

Was ist Asthma – und wenn ja wie viele? Frei nach einem populären Buchtitel könnte man auch die Fragestellung der All Age Asthma Cohort (ALLIANCE) definieren. Denn tatsächlich kennen Mediziner nicht nur ein Asthma, sondern eine Vielzahl typischer Krankheitsverläufe (siehe Abbildung). Bei gut einem Viertel aller Kinder tritt mindestens einmal in der frühen Kindheit Giemen auf. Dabei handelt es sich um ein typisches Geräusch beim Ausatmen, das durch verengte Atemwege hervorgerufen wird. Gleichwohl es Anzeichen für ein späteres Asthma sein kann, behalten nur 3-5% aller Kinder, die Giemen oder andere frühe Symptome zeigen, ihr Asthma bis zum Erwachsenenalter. In anderen Fällen tritt Asthma überhaupt erst im Erwachsenenalter auf, dann aber oft in schwerer Form.

Um vorhersagen zu können, wie eine Erkrankung verläuft und wie sie behandelt werden sollte, hat das DZL bereits in der ersten Förderperiode die ALLIANCE-Kohorte ins Leben gerufen. Sie umfasst mittlerweile mehr als 600 Patienten im Alter zwischen sechs Monaten und 75 Jahren sowie fast 200 gesunde Personen. Alle Teilnehmer kommen in der Regel jährlich in die jeweiligen Studienzentren. Im Rahmen des Untersuchungsprogramms misst das ALLIANCE-Studienteam Lungenfunktion und Atemwegsentzündung der Probanden und prüft, inwieweit sie gegen bestimmte Allergene sensibilisiert sind. Biomaterialien wie Blut, Nasenabstriche, Sputum und Ausatemluft werden gesammelt und analysiert. Strukturierte Fragebogen-Interviews und Daten aus den Patientenakten dokumentieren Symptome, Krankheitsverlauf, Lebensumstände und Umweltfaktoren. Um die Ergebnisse bei Kindern und Erwachsenen direkt vergleichen zu können, ist das Spektrum der Untersuchungen zwar so ähnlich wie möglich gestaltet, allerdings sind manche Tests nicht in gleicher Art oder gleichem Umfang bei den Kindern möglich.

Mithilfe einer ganzen Reihe tiefgehender molekularbiologischer Analysemethoden (‚Deep Phenotyping‘) sollen Mechanismen der verschiedenen Verläufe aufgeklärt werden. Daten- und Biobanken der ALLIANCE-Kohorte umfassen mittlerweile Hunderttausende an Datenpunkten und Patientenproben. Ihre Analyse hat bereits begonnen. „Krankhafte Veränderungen der Atemwege lassen sich zurzeit nur spät oder zu spät feststellen“, so Dr. Thomas Bahmer von der LungenClinic Grosshansdorf. „Daher suchen wir Substanzen im Blut und in der Ausatemluft, die schon frühzeitig Auskunft über ein mögliches Risiko oder einen bestimmten Krankheitsverlauf geben.“ Außerdem haben die Wissenschaftler eine neue Technik zur Messung von Entzündungsbotenstoffen in der Nasenschleimhaut entwickelt. „Wenn uns die Schleimhaut der Nase, also die oberen Atemwege, etwas über die – für die Diagnostik nur schlecht erreichbaren – unteren Atemwege sagen könnte, hätten wir eine bessere und einfachere Untersuchungsmethode zur Verfügung“, so Dr. Oliver Fuchs, der als pädiatrischer Allergologe am Inselspital Bern und der Kinderklinik des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Lübeck arbeitet. „Besonders bei kleinen Kindern könnte diese harmlose und einfache Technik in der Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen.“

ALLIANCE ist eines der großen klinischen Flaggschiffprojekte des DZL. Beteiligt sind die Standorte ARCN (Kiel/Lübeck/Borstel/Großhansdorf), BREATH (Hannover), UGMLC (Gießen/Marburg/Bad Nauheim) und CPC-M (München) sowie die Uniklinik Köln als DZL-externer Partner. Im pädiatrischen Teil arbeiten das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Campus Lübeck), die Medizinische Hochschule Hannover, das Universitätsklinikum Gießen-Marburg, das Klinikum der Universität München und die Uniklinik Köln zusammen. Erwachsene Patienten nehmen an der LungenClinic Grosshansdorf und am Forschungszentrum Borstel teil.

Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL):
Das im Jahr 2011 gegründete Deutsche Zentrum für Lungenforschung ist ein Zusammenschluss aus 28 führenden universitären und außeruniversitären Einrichtungen, die sich der Erforschung von Atemwegserkrankungen widmen. Es ist eines der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung (DZG). Ziel des DZL ist es, neue Ansätze für Prävention, Diagnose und Therapie von weit verbreiteten Lungenerkrankungen zu entwickeln und zügig in die praktische Anwendung zu überführen. Im Fokus stehen: Asthma und Allergien, Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Mukoviszidose, Diffuse Parenchymatöse (Interstitielle) Lungenerkrankungen, Lungenentzündung und Akutes Lungenversagen, Lungenhochdruck, Lungenkrebs sowie Lungenerkrankungen im Endstadium. Standorte sind Borstel/Lübeck/Kiel/Großhansdorf, Gießen/Marburg/Bad Nauheim, Hannover, Heidelberg und München.
https://www.dzl.de

Originalpublikation:
https://bmcpulmmed.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12890-018-0705-6
Fuchs O*, Bahmer T*, Weckmann M, Dittrich AM, Schaub B, Rösler B, Happle C, Brinkmann F, Ricklefs I, König IR, Watz H, Rabe KF**, Kopp MV**, Hansen G**, von Mutius E** (2018) The all age asthma cohort (ALLIANCE) – from early beginnings to chronic disease: a longitudinal cohort study. BMC Pulm Med 18: 140 (*,** geteilte Autorschaft)