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Züchtung von Quinoa für den Anbau in Europa

Kieler Forschungen zeigen: In fünf Jahren wäre großflächige Kultivierung möglich.

Quinoa liegt hierzulande im Trend bei gesundheitsbewussten Käuferinnen und Käufern: Ihre Samen sind reich an Proteinen und essentiellen Aminosäuren, sie sind glutenfrei, haben viel Eisen, Zink, Magnesium und Vitamine. Kurz gesagt, sie sind rundum gesund. Während die Quinoa-Samen in Europa noch immer ein Nischenprodukt sind und nur wenig angebaut werden, ist die Pflanze bereits seit Jahrtausenden nicht mehr von südamerikanischen Feldern wegzudenken. Ein Grund dafür: Ihre Gene haben die Pflanze an tropische Regionen mit kurzen Tageszeiten angepasst. Zudem gedeiht sie auch in den kargen, rauhen Hochebenen der Anden bestens. Um den Inkareis, wie Quinoa auch genannt wird, in Europa großflächig anbauen zu können, erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ihr Blühverhalten unter norddeutschen Standortbedingungen. In diesem Jahr zogen sie dafür erstmals 350 Quinoa-Arten im Zuchtgarten des Instituts für Pflanzenzüchtung auf.

„Wir wollen eine Quinoa-Art züchten, die in Europa gedeiht und dabei sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch eine Alternative zu heimischen Kulturpflanzen bietet“, erklärt Dr. Nazgol Emrani den Ausgangspunkt der Forschungen. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, das von Professor Christian Jung geleitet wird und Teil des Forschungsschwerpunkts Kiel Life Science ist. Im vergangenen Jahr gelang einem internationalen Forschungsteam mit Kieler Beteiligung die Entschlüsselung des Quinoa-Genoms, also der gesamten genetischen Informationen der Pflanze. Dadurch können jetzt züchterisch bedeutsame Gene identifiziert und charakterisiert werden. „Die in diesem Projekt mitwirkenden Partner aus China, Australien, Saudi Arabien und den USA verfolgen allerdings unterschiedliche Zuchtinteressen“, so Emrani weiter: „In Saudi Arabien müssen die Pflanzen beispielsweise extremen Umweltbedingungen, z.B. großer Hitze und salzhaltigem Boden, standhalten. In Europa ist dagegen die Anpassung an lange Tage und kurze Sommer notwendig. Für Gesundheitsbewusste Menschen ist vor allem der hohe Nährwert interessant. Diese für die gemäßigten Breiten vorteilhaften Eigenschaften wollen wir in unserem Projekt durch Kreuzung der optimalen Pflanzen verstärken.“ Zugleich suchen die Kieler Forscherinnen und Forscher nach den verantwortlichen Genen für den Blühzeitpunkt.

Quinoa auf dem Weltmarkt

Im Jahr 2016 wurden weltweit rund 149.000 Tonnen Quinoa erzeugt, ein Großteil davon in Peru und Bolivien. Allein in Deutschland wurden 1.094 Tonnen verkauft, es ist nach Chia-Samen das zweithäufigste „Superfood“ in der Bundesrepublik. Zu den größten Erzeugern und Exporteuren zählen Peru und Bolivien. Für diese Länder ist die Quinoa-Pflanze ein wichtiger Wirtschaftszweig geworden. (Quelle: The Food and Agriculture Organization, FAO, und Statista)

Genetische Vielfalt und züchterische Auslese

Der Variantenreichtum der Quinoa-Pflanze ist enorm: Sie kann zum Beispiel krautartig und niedrig oder meterhoch mit vielen Ästen wachsen. Entsprechend ist auch die Blühdauer sehr unterschiedlich. Auf dem Kieler Versuchsfeld standen bereits im Juli erntereife Pflanzen. Andere sind selbst im September noch einige Monate von der Reife entfernt. „Diese Pflanzen sind nicht geeignet für einen Anbau in Deutschland und Europa“, sagt Dilan Sarange, Doktorand im Kieler Projekt. Spätestens bis Ende September müssen Kulturpflanzen hierzulande zur Ernte bereit sein, sonst wird die Witterung zu unbeständig und es droht ein Ernteverlust. Und auch der unterschiedliche Wuchs der Quinoa-Arten ist ein Ausschlusskriterium für den kommerziellen europäischen Anbau: „Möglichst wenige Äste und eine kompakte Blütenrispe sind von Vorteil für eine maschinelle Ernte“, sagt Sarange.

Trotz der langen Geschichte wurde bislang kaum Pflanzenzüchtung mit Quinoa betrieben – weder in Südamerika noch in Europa. „In Südamerika leben hauptsächlich die Kleinbauern vom Quinoa-Anbau“, ergänzt die aus Ecuador stammende Masterstudentin Nathaly Maldonado. Die Wildpflanze wächst in verschiedenen Andenregionen auch auf nährstoffarmen Böden und die Samen lassen sich leicht für eine neue Aussaat im nächsten Jahr gewinnen. Der Bitterstoff Saponin, der in westlichen Ländern gern aufgrund der besseren Bekömmlichkeit weggezüchtet wird, dient den Kleinbauern zudem als natürlicher Pflanzenschutz und ist die Grundlage für Waschmittel. „Deshalb gibt es in den Andenregionen kaum Bedarf für eine Quinoa-Züchtung“, so Maldonado.

Perspektive für den Quinoa-Anbau in Deutschland und Europa

Bereits im ersten Jahr ihres Versuchs konnten die Kieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einige potenzielle Quinoa-Arten für den europäischen Anbau identifizieren. Die vielversprechendsten Arten werden im kommenden Jahr erneut angebaut und miteinander gekreuzt. „Wir haben in unseren Untersuchungen schon Quinoa-Arten gefunden, die an die Tageslängen in Deutschland und Europa angepasst sind und eine kurze Vegetationsphase idealerweise von Mitte April bis Ende August aufweisen. Durch unsere Versuche könnten wir bereits in fünf Jahren eine großflächige Kultivierung der Quinoa in Nordeuropa ermöglichen“, sagt Nazgol Emrani. Bis sich die Landwirtschaft und die verarbeitende Industrie auf diese neue Ressource eingestellt hat, wird wahrscheinlich noch mehr Zeit vergehen, aber „wir hoffen, dass das Potenzial der Quinoa möglichst schnell erkannt wird“, schließt Emrani. Erste wissenschaftliche Ergebnisse aus Kieler Feder plant das Team voraussichtlich im Frühjahr 2019 zu veröffentlichen.

Fotos stehen zum Download bereit:
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350 Quinoa-Arten wachsen im Zuchtgarten der Kieler Pflanzenzüchtung.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel

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Das Kieler Projektteam (v.l.): Nathaly Maldonado, Verena Kowalewski, Dr. Nazgol Emrani, Monika Bruisch , Prof. Christian Jung, Dilan Sarange.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel

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Die Quinoa-Pflanze ist genetisch mit Zuckerrübe und rote Beete verwandt. Die Kocheigenschaften der Samen sind mit Getreide vergleichbar, weshalb sie auch als Pseudogetreide bezeichnet werden. Der hohe Eiweißgehalt macht sie zu einem vollwertigen, glutenfreien Ersatz für Getreide. Aufgrund des fehlenden Klebereiweiß ist das Quinoamehl aber nicht für die Herstellung von Brot geeignet.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel

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Die Kieler Forscherinnen und Forscher isolieren die Quinoa-Pflanzen vor Fremdbestäubung mit Isolationstüten und sichern die Homogenität der Samen für die nächste Aussaat und die Untersuchungen im Labor.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel

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Im Labor werden die DNA und RNA der Quinoa-Pflanzen analysiert.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel

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Parallel zum Freilandversuch wächst eine spaltende Quinoa-Population in der Klimakammer. Hier können die klimatischen Bedingungen wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Licht exakt gesteuert werden.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel

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Quinoa-Anbau im Zuchtgarten der Kieler Pflanzenzüchtung.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel

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Quinoa-Anbau im Zuchtgarten der Kieler Pflanzenzüchtung.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel

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Quinoa-Anbau im Zuchtgarten der Kieler Pflanzenzüchtung.
© Claudia Eulitz, Uni Kiel

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Quinoa-Samen
© Claudia Eulitz, Uni Kiel

Weitere Informationen:
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