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Wenn Genick- und Gesichtsschmerzen nicht nur durch Migräne verursacht sind: multimodale Physiotherapie vielversprechend für temporomandibuläre Dysfunktion
Original Titel:
Multimodal physiotherapy treatment based on a biobehavioral approach for patients with chronic cervico-craniofacial pain: a prospective case series.
DGP – Fazit: diese kleine prospektive Beobachtungsstudie fand klinisch bedeutsame Verbesserungen in Einschränkung, Belastung und Beweglichkeit bei Patienten mit einer temporomandibulären Dysfunktion und Nackenschmerzen. Die temporomandibuläre Dysfunktion kann migräneartige Symptome hervorrufen und könnte als Trigger auch Teil des Migräneproblems sein. Infolge der Therapie besserten sich Gesichts- und Kopfhaltung der Patienten. Damit zeigte sich die multimodale Physiotherapie, bei der nicht nur Beweglichkeit wiederhergestellt wurde, als vielversprechendes Therapieelement einer umfassenden Behandlung. Besonders die Patientenedukation, in der Patienten dazu angeleitet wurden, ihr muskuläres Problem besser zu verstehen und selbständig weiter im Griff zu halten, könnte eine besonders wertvolle Unterstützung sein, gerade auch für Migränepatienten mit häufigen Nackenverspannungen und -schmerzen. Bei diesen könnten diese Probleme nämlich mehr als nur die Migräne als Ursache haben – und somit auch besser behandelbar sein.
Eine Migräne zu behandeln ist eine vielschichtige Angelegenheit: neben einer geeigneten Prophylaxe, die die Zahl der Attacken pro Monat senken soll, muss ein Patient auch darüber aufgeklärt werden, wie eine Migräne entsteht: jede Störung der Regelmäßigkeit kann ein Trigger sein. Entsprechend dreht sich bei einer Migräneerkrankung vieles um Tagesstruktur, geregelte Abläufe und stabile Schlafrhythmen. Was aber auch bei den meisten Migränepatienten große Erleichterung bringen kann, ist eine Behandlung der Verspannungen in Genick- und Kopfbereich. Viele Migränepatienten leiden nämlich auch unter Schmerzen in Gesicht und Schädelmuskulatur, die durch Muskelverspannungen ausgelöst werden. Manche der Migränesymptome können aber auch genau dadurch ausgelöst sein: die sogenannte temporomandibuläre Dysfunktion kann, neben Zähneknirschen und ähnlichem, nämlich auch migräneähnliche Symptome und Begleitprobleme, wie starke migräneartige Kopfschmerzen, in die Augen ausstrahlende Schmerzen, Augenflimmern, Schwindel oder auch Tinnitus hervorrufen. Häufig ist infolge der Schmerzen auch der Schlaf schlechter und wenig erholsam. Eine solche Störung kann also unbemerkt bei einer Migräne ‚mitlaufen‘ und die Belastung zusätzlich erhöhen – oder aber gar ein Trigger für die Migräne sein.
Temporomandibuläre Dysfunktion kann sich wie eine Migräne anfühlen
Wie sich eine multimodale Physiotherapie auf solche Schmerzen auswirken kann, untersuchte nun ein spanisches Forscherteam in einer sogenannten prospektiven Fallserie. Dabei analysierten und beschrieben sie Veränderungen bei neun Patienten mit einer chronischen myofaszialen temporomandibulären Dysfunktion und Nackenschmerzen. Die Patienten wurden in 6 Sitzungen über den Verlauf von zwei Wochen behandelt. Dabei erhielten sie manuelle Physiotherapie zur Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit und Mobilisierung der übrigen Gewebe (z. B. Muskel) im betroffenen Bereich. Zusätzlich wurden sie in therapeutischen Übungen angeleitet, die Bewegungskontrolle und Ausdauer der betroffenen Muskelgruppen zu verbessern. Schließlich war aber auch die Wissensvermittlung Teil der Therapie, um Patienten die eigenständige Verbesserung ihrer Situation zu ermöglichen. Um zu erfassen, wie effektiv die kombinierte Behandlung gegen die Gesichts- und Genickschmerzen half, wurden verschiedene Maße für die Einschränkung der jeweiligen Bereiche (Fragebogen CF-PDI), ein Maß für Bewegungsvermeidung (Tampa-Skala für Kinesiophobia, TSK-11), Körperhaltung und die tatsächliche Beweglichkeit von Kopf und Gesicht vor und nach der Behandlung ermittelt. Zusätzlich wurde auch erfasst, wie stark die Patienten ihre Situation ‚katastrophisierten‘, also ob sie die schlechteste Interpretation der Lage sahen, oder stattdessen optimistischer gestimmt waren. Sämtliche Werte wurde 3 Monate später erneut bestimmt, um einen möglichen Langzeiteffekt erkennen zu können.
Multimodale Physiotherapie für Gesichts- und Genickverspannungen und Schmerzen
Im Vergleich zur Messung vor Beginn der Behandlung besserten sich die Einschränkungen in Gesicht und Nacken messbar. Klinisch bedeutsame Verbesserungen konnten in der Belastung durch die eingeschränkte Gesichtsmuskulatur (Verbesserung im CF-PDI um 8 Punkte), Belastung durch die Nackenprobleme (Verbesserung der Beweglichkeit um 5 cm) und in dem Maß für Bewegungsvermeidung (Verbesserung im TSK-11-Wert um 6,55 cm) auch nach 3 Monaten nachgewiesen werden. Die Betroffenen konnten sich also anschließend besser bewegen, waren weniger durch die Störung beeinträchtigt und vermieden auch Bewegungen weniger. Dadurch konnten sie natürlich auch besser Übungen durchführen, um weiterhin die Beweglichkeit zu erhalten und bessern.
Besserung von Beweglichkeit und Belastung für Kopf und Nacken
Fazit: diese kleine prospektive Beobachtungsstudie fand klinisch bedeutsame Verbesserungen in Einschränkung, Belastung und Beweglichkeit bei Patienten mit einer temporomandibulären Dysfunktion und Nackenschmerzen. Die temporomandibuläre Dysfunktion kann migräneartige Symptome hervorrufen und könnte als Trigger auch Teil des Migräneproblems sein. Infolge der Therapie besserten sich Gesichts- und Kopfhaltung der Patienten. Damit zeigte sich die multimodale Physiotherapie, bei der nicht nur Beweglichkeit wiederhergestellt wurde, als vielversprechendes Therapieelement einer umfassenden Behandlung. Besonders die Patientenedukation, in der Patienten dazu angeleitet wurden, ihr muskuläres Problem besser zu verstehen und selbständig weiter im Griff zu halten, könnte eine besonders wertvolle Unterstützung sein, gerade auch für Migränepatienten mit häufigen Nackenverspannungen und -schmerzen. Bei diesen könnten diese Probleme nämlich mehr als nur die Migräne als Ursache haben – und somit auch besser behandelbar sein.
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