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Pflege: Ungleichheit bei Versorgung und Kosten
DAK-Report zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Ländern / Krankenkasse fordert Reform der Finanzierung
Die überwiegende Mehrheit der Deutschen bewertet Pflegekosten als eine Belastung für Pflegebedürftige und deren Angehörige. Das geht aus dem aktuellen DAK-Pflegereport 2018 hervor. Die Studie zeigt außerdem, dass die bestmögliche Versorgung Pflegebedürftiger vom Wohnort abhängt. In östlichen Bundesländern werden sie zum Beispiel häufiger im Krankenhaus behandelt als in westdeutschen Ländern. Zur Entlastung Betroffener fordert die DAK-Gesundheit eine Reform der Pflegefinanzierung: Die Eigenanteile für Pflegeleistungen sollten gedeckelt werden.
Die hohen Kosten, die Pflegebedürftige und deren Angehörige für die Pflege aufbringen müssen, sehen die Deutschen kritisch: Neun von zehn Befragten sagen, dass Pflegeheime teuer sind. Sieben von zehn sind der Meinung, dass sich viele Familien Pflegedienste und Heime für ihre Angehörigen nicht leisten können. Fast zwei Drittel denken, dass viele Pflegeheim-Bewohner wegen der hohen Kosten zum Sozialfall werden. Wer Pflege bereits in seinem Umfeld erlebt hat, stimmt diesen Aussagen noch etwas häufiger zu.
Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, kritisiert in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen Eigenanteile, die Menschen für die Pflege stemmen müssen. „Pflegebedürftige zahlen in manchen Bundesländern doppelt so viel dazu wie in anderen Regionen“, sagt Storm. „Immer mehr pflegebedürftige Menschen sind mittlerweile auf ergänzende Fürsorgeleistungen angewiesen. Das widerspricht fundamental dem Anspruch der Pflegeversicherung. Dadurch verliert eine Sozialversicherung ihre Legitimation.“
Der Kassen-Chef fordert deshalb eine Reform der Pflegefinanzierung. „Die Eigenanteile für Pflegeleistungen sollten gedeckelt werden. Es gäbe dann einen einheitlichen Betrag, den die Pflegebedürftigen oder die Angehörigen zahlen, gestaffelt nach Pflegegraden. Alles, was darüber hinausgeht, trägt die Pflegeversicherung“, sagt Storm. Bislang ist es umgekehrt: Die Pflegeversicherung übernimmt einen festen Betrag. Alle weiteren Kosten tragen die Betroffenen und ihre Familien. Auf die Pflegeversicherung käme damit eine finanzielle Mehrbelastung zu. Zur Finanzierung schlägt Storm einen Bundeszuschuss aus Steuermitteln vor: „Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Eine Mitfinanzierung aus Steuermitteln ist daher sinnvoll.“
84 Prozent sind der Ansicht, dass die Politik nicht genug für die Pflege tut. Nur sieben Prozent sagen, dass das Thema den Stellenwert hat, den es verdient. „Obwohl in der jüngsten Zeit intensiv diskutiert wurde, wie die Zustände in der Pflege verbessert werden können, kommt dies offensichtlich bei den Menschen nicht an. Das ist eine erschreckende Erkenntnis“, sagt Andreas Storm. Pflegebedürftigkeit wird von den meisten immer noch als privates Schicksal erlebt und bewältigt.
Ein weiteres Ergebnis des DAK-Pflegereports: Die Qualität pflegerischer Versorgung ist regional unterschiedlich. Zum Beispiel werden vielerorts Pflegebedürftige überdurchschnittlich oft im Krankenhaus behandelt – ein Hinweis darauf, dass die Versorgung nicht optimal ist. Dies zeigt sich vor allem in den östlichen Bundesländern. In Thüringen kommen auf 100 Pflegebedürftige fast 150 Krankenhausfälle. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 146, in Sachsen-Anhalt 142 und in Brandenburg 143 Fälle. Unterdurchschnittliche Werte gibt es hingegen in Baden-Württemberg, hier kommen auf 100 Pflegebedürftige 115 Krankenhausbehandlungen. Ebenfalls unter dem Schnitt liegt Niedersachsen mit 119.
Im Report spiegelt sich auch das unterschiedliche Angebot an Pflegeheimen wider. Vor allem in den östlichen Bundesländern, aber auch im Saarland, in Hessen und in Rheinland-Pfalz, liegt der Schwerpunkt auf der Pflege durch Angehörige. Vollstationäre Pflege ist hier unterdurchschnittlich verbreitet. In den nord- und süddeutschen Ländern Schleswig-Holstein, Bayern und Baden-Württemberg werden überdurchschnittlich viele Pflegebedürftige vollstationär versorgt und weniger durch Angehörige zu Hause.
„Die Ergebnisse des DAK-Pflegereports zeigen: Pflegerische Versorgung ist nicht davon abhängig, welche Form für den Einzelnen am besten wäre. Sie ist abhängig vom regionalen Angebot“, sagt Pflegeexperte Thomas Klie, der den DAK-Pflegereport wissenschaftlich verantwortet. „Das widerspricht dem Gebot in Artikel 72 des Grundgesetzes: Demnach ist die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ein Ziel der Bundesregierung.“
DAK-Chef Andreas Storm sieht hier die Bundespolitik in der Pflicht: „Vor wenigen Wochen hat die Kommission ‚Gleichwertige Lebensverhältnisse‘ unter dem Vorsitz des Bundesinnenministers ihre Arbeit aufgenommen. Die Kommission sollte das Thema Pflege als Schwerpunkt auf die Agenda setzen. Wir brauchen eine Pflegeinfrastrukturgarantie.“
Um die Situation zu verbessern, schlägt Thomas Klie ein regionales Monitoring der Pflegestrukturen vor. „Es gibt zahlreiche Beispiele, wo die Strukturen ineinander greifen und gute Bedingungen für die Bewältigung von Pflege gewährleistet werden – soweit dies von der derzeitigen Pflegeversicherung finanziert wird. Vielerorts gibt es Fehler im System. Von beidem können wir lernen“, sagt er. Die DAK-Gesundheit hat bereits ihr Konzept der regionalen Pflegekompetenzzentren vorgelegt. Ein solches Zentrum koordiniert alle Akteure der Pflege wie Beratungsstellen, Pflegedienste, stationäre Einrichtungen und Ärzte. Ziel ist es, im Sinne des Case Managements die beste Versorgung für jeden einzelnen Pflegebedürftigen zu schaffen.
Pflegekompetenzzentren können in Krankenhäusern umgesetzt werden, die von Schließung bedroht sind. Ein erster Pilot startet jetzt in Nordhorn im südwestlichen Niedersachsen, wo ein Krankenhaus vor kurzem in ein Pflegeheim umgewandelt worden ist. Das Pilotprojekt wird mit zehn Millionen Euro vom Innovationsfonds gefördert. „Dort haben wir ideale Bedingungen, um das erste Pflegekompetenzzentrum umzusetzen und die Bedingungen für Pflegebedürftige und deren Angehörige in der Region zu verbessern“, sagt Storm. „Ich hoffe, dass wir das Konzept auch in anderen Regionen realisieren können.“ Regionaler Partner im Landkreis Grafschaft Bentheim/Landkreis Emsland ist die Gesundheitsregion EUREGIO e.V.
Die DAK-Gesundheit hat bereits zahlreiche digitale Angebote für die Pflege. Eine Übersicht gibt es online unter: www.dak.de/pflege