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Nutzen der LDR-Brachytherapie bei Prostatakrebs im Frühstadium noch immer unklar
Datenlage auch über ein Jahrzehnt nach erster Bewertung unzureichend / Große deutsche Studie scheiterte an mangelndem Interesse
Bei der interstitiellen Brachytherapie werden schwach radioaktive Partikel in die Prostata eingebracht, um einen Tumor gezielt vor Ort zu bestrahlen (Low-Dose-Rate, LDR). Ob dieses Verfahren für Männer mit lokal begrenztem Prostatakrebs im Vergleich zu anderen Therapien Vorteile hat, ist mangels aussagefähiger Daten noch immer eine ungeklärte Frage. Zu diesem ernüchternden Befund kommt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in seinem am 16. November 2018 veröffentlichten Bericht (Rapid Report).
Rund elf Jahre nach seiner ersten Nutzenbewertung und rund sieben Jahre nach einer Aktualisierungs-Recherche hat das Institut erneut aktuelle Studien ausgewertet. 2011 hatte sich das Institut sehr optimistisch gezeigt, dass bestehende Wissenslücken bald geschlossen werden könnten. Denn die Selbstverwaltung hatte 2009 den Weg frei gemacht für eine große deutsche Studie. Doch auch diese Studie (PREFERE) wurde Ende 2016 vorzeitig abgebrochen. Mangels neuer Daten haben die Ergebnisse der früheren IQWiG-Bewertungen unverändert Bestand.
Behandlungsalternativen im Vergleich
Prostatakrebs gilt als potenziell heilbar, solange der Tumor auf das Innere des Organs begrenzt ist. Für die Behandlung solch eines lokal begrenzten Tumors stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung: Neben der kompletten operativen Entfernung der Prostata, der Prostatektomie (RP), und der Strahlentherapie mit einer externen Strahlenquelle (perkutane Strahlentherapie, EBRT) ist das die sogenannte permanente interstitielle LDR-Brachytherapie. Über spezielle Nadeln werden kleine radioaktive Partikel dauerhaft in die Vorsteherdrüse eingebracht, um das Karzinom vor Ort gezielt zu bestrahlen.
Da Prostata-Tumoren bei vielen Patienten auch ohne Behandlung nicht oder nur sehr langsam wachsen, kommt als vierte Option auch eine besondere Form des kontrollierten Zuwartens (Active Surveillance) in Betracht.
Daten aus zwei neuen Studien verwertbar
Bei ihrer aktuellen Recherche identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine weitere randomisierte kontrollierte Studie (RCT), die die LRD-Brachytherapie mit der Prostata-Entfernung (RP) verglich. Zwar wurde die SPIRIT-Studie vorzeitig abgebrochen. Die Daten der bis dahin randomisiert zugeteilten Patienten (34) konnte das IQWiG aber einbeziehen.
Von drei weiteren neu eingeschlossenen Studien, jeweils prospektiv vergleichende Kohortenstudien, waren die Ergebnisse nur in einem Fall verwertbar. Hier hatte man die LRD-Brachytherapie sowohl der RP als auch der Strahlentherapie (EBRT) gegenübergestellt.
Für den aktuellen Rapid Report relevant war zudem eine neuere Publikation zu einer Studie, die bereits in das Update von 2011 eingeflossen war. Auch sie war dreiarmig (LDR-Brachytherapie/RP/EBRT).
Keine Aussagen zum Überleben möglich
Zwar konnte das Institut aus diesen drei Quellen die Daten zu patientenrelevanten Endpunkten extrahieren. Doch keine berichtete die Ergebnisse zum Gesamtüberleben oder zum krankheitsfreien Überleben, also den einzigen Endpunkten, die auf eine Heilung zielen.
Die Daten zum sogenannten PSA-basierten rezidivfreien Überleben zog das Institut auch bei der aktuellen Bewertung nicht heran. Denn es handelt sich dabei um ein nach wie vor nicht validiertes Surrogat (Ersatzkennzeichen).
Wie bei den früheren Bewertungen ist in Hinblick auf das Überleben nicht belegt, dass die LDR-Brachytherapie den alternativen Therapien zumindest gleichwertig ist. Es könnte also sein, dass Patienten bei einer LDR-Brachytherapie früher versterben oder weniger lange krankheitsfrei überleben.
Mögliche Vorteile bei anderen Therapiezielen nicht interpretierbar
Bei anderen Endpunkten fallen die Ergebnisse teils zugunsten, teils zuungunsten der LDR-Brachytherapie aus. So gibt es Hinweise, dass länger Katheter nötig sind als bei der EBRT. Dagegen scheint die Sexualität nach dem Eingriff weniger beeinträchtigt zu sein als bei RP. Allerdings lassen sich diese Ergebnisse nicht zuverlässig einordnen, solange die Datenlücke beim Überleben besteht. „Solange wir nicht wissen, wie zuverlässig die Brachytherapie gegen den Krebs wirkt, reicht das nicht aus, um von einem Nutzen zu sprechen“, kommentiert Stefan Lange, stellvertretender Leiter des IQWiG.
G-BA: Beratungen mehrfach ausgesetzt
Erstmals mit einer Nutzenbewertung beauftragt hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das Institut 2004. Nachdem der erste Bericht negativ ausfiel, kam das Thema 2009 wieder auf die Tagesordnung. Da noch immer Evidenz fehlte, initiierte das Gremium eine groß angelegte Studie (PREFERE). Das Akronym war Programm, sollte die Studie doch erlauben, Präferenzen der Patienten zu berücksichtigen. Die Finanzierung in Höhe von bis zu 25 Millionen Euro wurde in einer bis dahin einmaligen konzertierten Aktion von Deutscher Krebshilfe und den gesetzlichen Krankenkassen und den privaten Krankenversicherungen gesichert.
Redaktioneller Hinweis vom 19.11.2018: Im oben stehenden Text wurde die Angabe zur „Die Finanzierung in Höhe von bis zu 25 Millionen Euro wurde in einer bis dahin einmaligen konzertierten Aktion von Deutscher Krebshilfe und den gesetzlichen Krankenkassen gesichert.“ korrigiert zu „Die Finanzierung in Höhe von bis zu 25 Millionen Euro wurde in einer bis dahin einmaligen konzertierten Aktion von Deutscher Krebshilfe und den gesetzlichen Krankenkassen und den privaten Krankenversicherungen gesichert.“.
2013 beschloss der G-BA schließlich, die Beratungen bis 2030 weiter auszusetzen, also bis die Ergebnisse von PREFERE vorliegen würden.
Das IQWiG begrüßte diese Entwicklung nachdrücklich: Statt auf unsicherer Wissensbasis zu entscheiden, habe die Selbstverwaltung in vorbildlicher Weise die Voraussetzungen geschaffen, die Wissenslücken zu schließen. Die Versorgung der Patienten würde so in jedem Fall verbessert, heißt es in einer Pressemitteilung von 2011.
Trügerische Hoffnung
Doch es sollte anders kommen: Ende 2016 gaben die Studienverantwortlichen das vorzeitige „Aus“ von PREFERE bekannt. Es war nicht gelungen, genügend Patienten für die Teilnahme zu gewinnen. Als „eine Blamage nicht nur für die Fachgesellschaften, sondern für unser gesamtes Wissenschafts- und Gesundheitssystem“ bezeichnete die IQWiG-Leitung diese Entwicklung.
„Das Scheitern dieses bislang einmaligen, ohne Beteiligung der Industrie komplett finanzierten Projekts lag vor allem am fehlenden Willen zu vieler Beteiligter“, so Stefan Lange. „Es gab Studienzentren, die es sehr wohl schafften, ausreichend Patienten für PREFERE zu gewinnen. Die Studie war also grundsätzlich machbar, auch wenn interessierte Fachkreise dies bestritten. Nun stehen wir fast am nämlichen Punkt wie 2004“, beklagt der stellvertretende IQWiG-Leiter.
Folgerichtig hat auch der G-BA die Beratungen 2017 erneut aufgenommen und das IQWiG mit dem Update beauftragt. Basis seiner Entscheidung wird der aktuelle Rapid Report; Fazit: Nutzen unklar, gesicherte Evidenz fehlt.
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