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Chromatin-öffnende Elemente erlauben Tetrazyklin-induzierbare Genexpression in Stammzellen
In der modernen Biomedizin werden aus reprogrammierten Stammzellen (induzierte pluripotente Stammzellen, iPS) Zelltherapeutika hergestellt. Hierzu können diese Zellen im späteren Verlauf noch zusätzlich genetisch modifiziert werden. Allerdings treten häufig unbeabsichtigte Mechanismen auf, welche die Genexpression stilllegen. Forschende des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) haben induzierbare (aktivierbare) Vektoren entwickelt, die mit Hilfe eines Chromatin-öffnenden Elements (UCOE, ubiquitious chromatin opening element) den relevanten genmodifizierten Abschnitt dauerhaft offen und damit aktiv halten. Über die Forschungsergebnisse berichtet die Zeitschrift Biomaterials in seiner Online-Ausgabe vom 24.11.2018.
Seit der Entdeckung der Reprogrammierung normaler (somatischer) Körperzellen in sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) hat die Entwicklung von Zelltherapeutika aus solchen pluripotenten Stammzellen an Fahrt aufgenommen. Während somatische Zellen einen bestimmten Zelltyp darstellen und auf diesen Zelltyp festgelegt sind, können sich pluripotente Stammzellen zu ganz unterschiedlichen Zelltypen differenzieren. Und genau diese Eigenschaft wird für die Entwicklung von Zelltherapeutika genutzt.
Nicht nur die Umwandlung einer normalen Körperzelle in die induziert pluripotente Stammzelle ist eine Wissenschaft, auch der Weg von diesen „formbaren“ Zellen in den gewünschten Zelltyp (Effektorzelle) ist wissenschaftlich herausfordernd: Hierbei können z.B. Transkriptionsfaktoren unterstützen, die durch genetische Modifikation der pluripotenten Zellen eingebracht werden. Erst die Aktivität in definierten Zeitfenstern führt zu einem Nutzen. Das Einschleusen dieser fremden Gene in Zellen erfolgt oftmals durch retrovirale Genfähren (Vektoren). Defekte Zellen können so korrigiert oder die Effizienz der Herstellung von somatischen Zellen aus iPSC gesteigert werden.
Allerdings werden dabei die zuvor integrierten retroviralen Vektorgenome oftmals durch epigenetische Mechanismen stillgelegt („gesilenced“). Dabei werden an bestimmte Genabschnitte (transgene Expressionskassetten) Methylgruppen angeheftet, die wie ein Verschluss wirken. Der Vorteil dieser neu eingebrachten Gene wird revidiert und es kann sogar die Differenzierung der Zellen gestoppt werden.
Wie lässt sich diese Stilllegung verhindern ohne die Induzierbarkeit zu beeinflussen? Forschende um Prof. Ute Modlich, Forschungsgruppe ‚Genmodifikation in Stammzellen‚, Abteilung Veterinärmedizin des PEI, und Kolleginnen und Kollegen der Abteilung Biotechnologie haben induzierbare Vektoren entwickelt, die mit Hilfe eines ubiquitären Chromatin-öffnenden Elements den genmodifizierten Ort offenhalten.
Hierzu bauten sie verschiedene Fragmente des humanen HNRPA2B1-CBX3 UCOE in induzierbare retrovirale Vektoren ein. Die Vektoren lassen sich über einen Promoter induzieren, der wiederum von dem Antibiotikum Tetrazyklin aktiviert wird. Alles Notwendige steckt in dem einen Vektor – daher auch als „All-in-One Vector“ bezeichnet.
Im nächsten Schritt überprüften die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Funktionalität der Vektoren in verschiedenen Zelllinien sowie in iPSC von Mäusen und Menschen. Sie konnten nachweisen, dass das Einfügen des UCOE nicht die Steuerbarkeit der Vektoren beeinträchtigte: Die Vektoren konnten weiterhin sehr gut angeschaltet – wichtig für eine gute therapeutische Wirksamkeit – und ausgeschaltet werden. Dies ist wiederum wichtig, um keine störenden Effekte zu erhalten. Einige der getesteten Vektoren bewahrten ihre Expressionsaktivität bei den iPSC von Maus und Mensch und zwar sowohl im Stadium der Pluripotenz, als auch während der Differenzierung.
Aus Sicht der Forscherinnen und Forscher ermöglichen diese neuen Vektoren eine genetische Modifikation von iPS-Zellen mit sicherer Regulation der Transgenexpression. Im nächsten Schritt wollen die Forscher die Vektoren nutzen, um effizienter Blutzellen aus iPS-Zellen herzustellen.
Originalpublikation
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Die staatliche Chargenprüfung, wissenschaftliche Beratung/Scientific Advice und Inspektionen gehören zu den weiteren Aufgaben des Instituts. Unverzichtbare Basis für die vielseitigen Aufgaben ist die eigene experimentelle Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin und der Lebenswissenschaften.
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