Das GesundheitsPortal für innovative Arzneimittel, neue Therapien und neue Heilungschancen
Innsbrucker Forschungsteam findet neue Ursache für das „Restless Legs Syndrom“ (RLS)
- RLS-PatientInnen zeigen Eisendefizit in Mitochondrien (Energiekraftwerke der Zelle)
- Dopamin verbessert Eisenverfügbarkeit in den Zellen
- Erfolg durch interdisziplinäre Zusammenarbeit
Wer am Restless Legs Syndrom (RLS) leidet – in Österreich sind das rund zehn Prozent – kommt im wahrsten Sinne des Wortes nicht zur Ruhe. Zunehmender und unkontrollierbarer Bewegungsdrang in Ruhelage raubt den Schlaf und mindert die Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Ein interdisziplinäres Team um den Internisten Günter Weiss von der Medizin Uni Innsbruck konnte nun erstmals jene pathophysiologischen Mechanismen entlarven, die dieser neurologischen Schlafstörung zugrunde liegen.
Innsbruck, am 5.12.2018: Die Ursachen des Restless-Legs-Syndroms sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Gesichert ist die zentrale Rolle des Dopaminsystems. Der Nervenbotenstoff Dopamin bzw. seine Vorläufer L-Dopa und sog. Dopaminagonisten werden bereits therapeutisch eingesetzt, um spezifische RLS-Symptome wie Ziehen, Spannen, Kribbeln, Schmerzen oder andere als unangenehm empfundene Gefühle in Zuständen der Ruhe bzw. während des Schlafs und dem damit verbundenen Bewegungsdrang zu beseitigen.
Gestörter Eisenstoffwechsel in den Mitochondrien
Innsbrucker ForscherInnen können in ihrer im Fachjournal Movement Disorders veröffentlichten Untersuchung nun erstmals eindrucksvoll belegen, dass eine durch Eisenmangel bedingte Fehlfunktion der Mitochondrien – die Energiekraftwerke der Zelle – der idiopathischen, also nicht mit anderen Erkrankungen zusammenhängenden Form des RLS zugrunde liegt. In Zusammenarbeit mit dem von Birgit Högl geleiteten Schlaflabor an der Univ.-Klinik für Neurologie wurde in den Immunzellen von 287 PatientInnen des Innsbrucker Schlaflabors – davon 168 RLS-PatientInnen – die für die Energiegewinnung notwendige Eisenverfügbarkeit untersucht. „Der Vergleich systemischer Eisenmangelparameter wie Ferritin, Eisen oder Hämoglobin zeigte keine Unterschiede zwischen diesen Gruppen. In den Mitochondrien konnten wir jedoch feststellen, dass all jene Gene, die mit dem Eisenstoffwechsel in Zusammenhang stehen, herunterreguliert waren. Die Aktivität der Mitochondrien und deren Energieproduktion waren somit aufgrund des dort herrschenden Eisenmangels beeinträchtigt“, berichtet Weiss, der an der von ihm geführten Univ.-Klinik für Innere Medizin II auch das Christian Doppler-Labor für Eisenstoffwechsel und Anämieforschung leitet. Dass es sich bei der mitochondrialen Dysfunktion um keinen genetischen, sondern um einen funktionellen Defekt handelt, konnte von Florian Kronenberg, Leiter der Sektion für Genetische Epidemiologie der Medizin Uni Innsbruck, nachgewiesen werden. Die auf den drei Schwerpunkten Immunologie, Neurologie und Genetik basierende Forschungsarbeit wurde aus Mitteln des Tiroler Wissenschaftsfonds gefördert.
Gezieltere RLS-Therapie
„Eine weitere Erkenntnis unserer Untersuchungen zum Thema Eisenstoffwechsel und Dopamin ist, dass die Verabreichung dopaminerger Substanzen die Verfügbarkeit von Eisen in Zellen und damit die Funktion der Mitochondrien und deren Energieproduktion signifikant verbessert“, spricht Erstautor David Haschka die mit den neuen Erkenntnissen ermöglichte gezieltere Therapie von idiopathischen RLS-PatientInnen an. Weitere Untersuchungen des Innsbrucker Teams sollen klären, welche funktionellen Mechanismen zu einer verminderten mitochondrialen Eisenverfügbarkeit führen.
Zum besseren Verständnis der Pathophysiologie sowie zur Diagnostik und Therapie des RLS wird an der Medizinischen Universität Innsbruck seit vielen Jahren intensiv geforscht. Das seit 1995 an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Neurologie bestehende Schlaflabor unter der Leitung der Neurologin Birgit Högl, eines der modernsten Einrichtungen dieser Art in Europa, das 2014 als erstes Zentrum außerhalb der USA als Quality Care Center (QCC) ausgezeichnet wurde, konnte mit der Erforschung des RLS bereits international beachtete Akzente setzen. Mitbeteiligt an dieser Studie war auch Erich Gnaiger von der Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie, der sich seit vielen Jahren mit der Physiologie von Mitochondrien beschäftigt und auch spezielle Geräte entwickelt hat (Oxygraph-2k von der Tiroler Firma OROBOROS INSTRUMENTS GmbH), mit denen die Funktionalität und der Energiestoffwechsel von Mitochondrien in lebenden Zellen gemessen werden kann.
Weiterführende Links:
Association of mitochondrial iron deficiency and dysfunction with idiopathic restless legs syndrome. Haschka D, Volani C, Stefani A, Tymoszuk P, Mitterling T, Holzknecht E, Heidbreder A, Coassin S, Sumbalova Z, Seifert M, Dichtl S, Theurl I, Gnaiger E, Kronenberg F, Frauscher B, Högl B, Weiss G. Mov Disord. 2018 Oct 11. [Epub ahead of print]
https://dx.org/10.1002/mds.27482
Dopamine promotes cellular iron accumulation and oxidative stress responses in macrophages. Dichtl S, Haschka D, Nairz M, Seifert M, Volani C, Lutz O, Weiss G.
Biochem Pharmacol. 2018 Feb;148:193-201.
https://doi.org/10.1016/j.bcp.2017.12.001
Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.000 MitarbeiterInnen und ca. 3.000 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.