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COPD und ihre Begleiterkrankungen: Neue Erkenntnisse durch die COSYCONET-Kohortenstudie
Die Kohortenstudie COSYCONET (“German COPD and SYstemic consequences-COmorbidities NETwork”) untersucht, wie Lungengesundheit, Begleiterkrankungen und systemische Entzündung bei Patienten mit Chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) zusammenhängen. Hierfür nahmen im Zeitraum zwischen 2010 und 2013 knapp 3.000 Personen mit unterschiedlich weit fortgeschrittener COPD teil. Sie absolvierten an einem der 31 beteiligten Studienzentren ein umfangreiches Untersuchungsprogramm. Dieses umfasste Fragebögen zur Krankengeschichte, zu demographischen Faktoren und zur Lebensqualität sowie eine Reihe von Lungenfunktionsmessungen. Zusätzlich wurden die körperliche Fitness und die Funktion des Herz-Kreislauf-Systems untersucht. Die Teilnehmer an der Studie spendeten Blut und Urin für spätere Untersuchungen. Abgeschlossen war COSYCONET für die Patienten damit aber nicht: Um den Langzeitverlauf der COPD studieren zu können, besuchen sie seitdem regelmäßig ihr jeweiliges Studienzentrum für Folgeuntersuchungen.
Hinter COSYCONET steht eine logistische Meisterleistung, die schon mit der Planung der Visiten beginnt. Sind die Patienten im Studienzentrum angekommen, nehmen Studienassistentinnen und -assistenten Daten auf, führen Untersuchungen durch und verarbeiten die Bioproben, die anschließend in einer zentralen Biobank gelagert werden. Nachdem nun die Datenprüfung für die ersten Untersuchungszeitpunkte abgeschlossen ist, hat die Auswertung begonnen. Diese führte bereits zu einer zweistelligen Zahlen von Publikationen in wissenschaftlichen Fachmagazinen.
COSYCONET erhielt zunächst eine direkte Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und ist seit 2016 assoziiertes Mitglied des DZL.
Die im bisherigen Verlauf des Jahres 2018 publizierten Ergebnisse stellen wir hier dar:
Oft treten COPD und Herz-Kreislauferkrankungen gemeinsam auf. Aus diesem Grund untersuchte Dr. Peter Alter von der Universität Marburg mit Kollegen und Kolleginnen, wie Atemwegsobstruktion, Lungenüberblähung und verschiedene kardiovaskuläre Messwerte zusammenhängen. Sie stellten fest, dass die kardiovaskulären Probleme oft nicht unabhängig von einer COPD auftreten, sondern im Gegenteil vermutlich durch Minderung von Atemwegsobstruktion und Überblähung der Lunge gelindert werden könnten.[1]
Einen weiteren Teilaspekt dieses Zusammenhangs untersuchte eine ebenfalls von Peter Alter geleitete Studie. Diese hatte zum Ergebnis, dass bei Patienten, die kein manifestes Herz-Leiden haben, ein Zusammenhang zwischen verschlechterter Lungenfunktion und Überbeanspruchung der linken Herzkammerwand besteht. Möglicherweise führt die mechanische Überbeanspruchung durch ihre COPD hierzu. Daher raten die Autoren, das Herz-Kreislauf-System von COPD-Patienten regelmäßig vorbeugend zu untersuchen.[2]
COPD-Patienten nehmen oftmals mehrere Medikamente gleichzeitig ein – gerade wegen ihrer Begleiterkrankungen. In der COSYCONET-Kohorte sollte dieser Zusammenhang statistisch bei älteren Menschen untersucht werden. Die Studie ergab, dass COPD-Patienten über 65 tatsächlich durchschnittlich fünf verschiedene Medikamente einnehmen, wobei sich drei davon nicht gegen Lungenerkrankungen richten. In einer weitergehenden Analyse konnten die Wissenschaftler feststellen, dass es bei zehn Prozent der Patienten zu ungünstigen Wechselwirkungen der Medikamente untereinander kommen kann. Sie halten den Anteil angesichts der Anzahl unterschiedlicher Präparate, die die Patienten einnehmen, allerdings für gering.[3]
In einer weiteren Studie untersuchten Wissenschaftler aller fünf DZL-Standorte, ob sich die neue sogenannte GOLD-Kategorisierung von COPD-Patienten in die Schweregrad-Klassen A-D auch mit Begleiterkrankungen in Zusammenhang bringen lässt. Tatsächlich ist dies der Fall: Es besteht eine Abhängigkeit zum Risiko, bestimmte Begleiterkrankungen zu entwickeln. Aus diesem Grund halten die Autoren die GOLD-Kategorisierung für klinisch sinnvoll, nicht nur was Exazerbationen (akute Verschlechterungen) angeht, sondern ebenfalls in Bezug auf Begleiterkrankungen.[4]
COPD kann in zwei Formen auftreten: Im einen Fall dominieren sogenannte Emphyseme, im anderen, dem atemwegsdominierten, tritt eine Entzündung auf. Mischformen kommen ebenfalls vor. Beide Formen lassen sich gut durch Computertomographie (CT) bestimmen. Ihre Unterscheidung ist wichtig, denn sie hat Einfluss auf die Therapie. Da CT mit einer gewissen Strahlenbelastung verbunden ist, sollte die aktuelle Studie von Dr. Kathrin Kahnert und Kollegen klären, inwieweit Messwerte der Lungenfunktionsbestimmung genutzt werden können, um den COPD-Typ zu bestimmen. Ergebnis ist, dass eine Kombination von Lungenfunktion und der Messung der Kohlenmonoxid-Austausch-Kapazität eine sichere Unterscheidung ermöglicht. [5]
Am COSYCONET-Register teilnehmende Patienten spenden Blut. Solche Proben wurden nun in einer Querschnittsstudie von Kathrin Kahnert und Kollegen untersucht. Dabei trat zutage, dass die Harnsäurekonzentration im Blut mit bestimmten Krankheitssymptomen in Zusammenhang steht. So haben Patienten mit hoher Harnsäurekonzentration eine schlechtere Lungenfunktion, sind weniger körperlich belastbar und neigen zu kardiovaskulären Begleiterkrankungen. Die Wissenschaftler folgern daraus, dass die Harnsäurekonzentration ein nützlicher Laborwert ist, der Rückschlüsse auf den Krankheitsstatus erlaubt.[6]
Die Autoren einer im Deutschen Ärzteblatt erschienenen Studie stellten die Frage, mit welchen Medikamenten COPD-Patienten behandelt werden und ob dies in Übereinstimmung mit den Leitlinien erfolgt. Überraschenderweise fand man zum Teil starke Abweichungen, gerade was die Behandlung von Exazerbationen angeht. Aufgrund einer solchen, nicht leitlinien-gerechten Behandlung kann es zu suboptimalen Behandlungserfolgen bzw. vermeidbaren Nebenwirkungen kommen.[7]
Peter Alter und seine Ko-Autoren untersuchten die Überblähung der Lunge. Hierbei handelt es sich um ein häufiges Symptom der COPD, das zu mangelhaftem Gasaustausch und einer ganzen Reihe von Folgesymptomen wie z.B. verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit führt. Bei übergewichtigen Personen kann die restliche verfügbare Lungenkapazität zusätzlich verringert sein, da das für die Atmung essentielle Zwerchfell nach oben gedrückt wird. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass bestimmte Modelle, die zur Vorhersage dieser Restkapazität benutzt werden, unpräzise sind, weil sie den Einfluss des Körpergewichts überschätzen. Dies sollten Ärzte, die Lungenfunktionsmessungen vornehmen, im Blick behalten.[8]
[1] Alter P, Watz H, Kahnert K, Pfeifer M, Randerath W, Andreas S, Waschki B, Kleibrink BE, Welte T, Bals R, Schulz H, Biertz F, Young D, Vogelmeier CF, Jörres RA (2018) Airway obstruction and lung hyperinflation in COPD are linked to an impaired left ventricular diastolic filling. Resp Med 137: 14–22 (Kooperation der DZL-Standorte ARCN, BREATH, CPC-M, UGMLC)
[2] Alter P, Jörres RA, Watz H, Welte T, Gläser S, Schulz H, Bals R, Karch A, Wouters EF, Vestbo J, Young D, Vogelmeier CF (2018) Left ventricular volume and wall stress are linked to lung function impairment in COPD. Int J of Cardiol 261: 172–178 (Kooperation der DZL-Standorte ARCN, BREATH, CPC-M, UGMLC)
[3] Graf J, Lucke T, Herrera R, Watz H, Holle R, Vogelmeier C, Ficker JH, Jörres RA. (2018) Compatibility of medication with PRISCUS criteria and identification of drug interactions in a large cohort of patients with COPD. Pulm Pharmacol Ther 49: 123-129 (Kooperation der DZL-Standorte ARCN, CPC-M, UGMLC)
[4] Kahnert K, Alter P, Young D, Lucke T, Heinrich J, Huber RM, Behr J, Wacker M, Biertz F, Watz H, Bals R, Welte T, Wirtz H, Herth F,Vestbo J, Wouters EF, Vogelmeier CF, Jörres RA (2018) The revised GOLD 2017 COPD categorization in relation to comorbidities. Resp Med 134: 79–85 (Kooperation der DZL-Standorte ARCN, BREATH, CPC-M, TLRC, UGMLC)
[5] Kahnert K, Jobst B, Biertz F, Biederer J, Watz H, Huber RM, Behr J, Grenier PA, Alter P, Vogelmeier CF, Kauczor HU, Jörres RA (2018) Relationship of spirometric, body plethysmographic, and diffusing capacity parameters to emphysema scores derived from CT scans. Chron Respir Dis 18: 1479972318775423 (Kooperation der DZL-Standorte ARCN, CPC-M, TLRC, UGMLC)
[6] Kahnert K, Alter P, Welte T, Huber RM, Behr J, Biertz F, Watz H, Bals R, Vogelmeier CF, Jörres RA (2018) Uric acid, lung function, physical capacity and exacerbation frequency in patients with COPD: a multi-dimensional approach. Respir Res 19(1): 110. (Kooperation der DZL-Standorte ARCN, BREATH, CPC-M, UGMLC)
[7] Graf J, Jörres RA, Lucke T, Nowak D, Vogelmeier CF, Ficker JH, Medikamentöse Therapie der COPD. Deutsches Ärzteblatt 115(37): 599-605 (Kooperation der DZL-Standorte CPC-M und UGMLC)
[8] Alter P, Rabe KF, Schulz H, Vogelmeier CF, Jörres RA (2018) Influence of body mass on predicted values of static hyperinflation in COPD. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 13: 2551-2555 (Kooperation der DZL-Standorte ARCN, CPC-M, UGMLC)