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Neue Impf-Strategie gegen Epstein-Barr-Viren
Das Epstein-Barr-Virus (EBV) ist weit verbreitet, und meist bleibt die Infektion ohne Folgen. Doch das Virus kann auch schwer krank machen. Einen wirksamen Impfschutz gibt es bislang nicht, da der Erreger schwer zu fassen ist. Jetzt haben Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg eine neue Strategie für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen EBV entwickelt, der das Immunsystem zeitgleich auf verschiedene Stadien des Erregers vorbereitet. Die Forscher sind davon überzeugt, damit einen entscheidenden Fortschritt bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen EBV erreicht zu haben.
Mehr als 90 Prozent der Weltbevölkerung trägt das Epstein-Barr-Virus in sich – meist völlig unbemerkt. Denn das Virus ist gut an den menschlichen Körper angepasst und das Immunsystem hält den Erreger gut in Schach. Trotzdem ist EBV alles andere als harmlos. Neben dem Pfeifferschen Drüsenfieber (infektiöse Mononukleose) kann das Virus auch Krebs auslösen. Zudem leistet es möglicherweise Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose Vorschub.
„Wir benötigen daher dringend einen Impfstoff gegen EBV“, sagt Henri-Jacques Delecluse vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Gemeinsam mit Kooperationspartnern aus dem Helmholtz-Zentrum München und der Universität Heidelberg hat das Team um Delecluse nun eine neue Strategie für einen Impfstoff entwickelt, von dem sie sich den Durchbruch versprechen.
Das zentrale Problem bei der Entwicklung einer Schutzimpfung gegen EBV liegt darin, dass das Virus in seinem Lebenszyklus verschiedene Phasen durchläuft: Direkt nach der Infektion befindet es sich meist in einer latenten Phase, in der es scheinbar ruhig in infizierten B-Zellen des Immunsystems verbleibt und sich gemeinsam mit den B-Zellen bei deren Zellteilung vermehrt. Diese latente Phase ist jedoch alles andere als harmlos, da hier beispielsweise Lymphome entstehen können. Aus der latenten Phase reaktiviert, geht das Virus in seine so genannte lytische Phase über, in der neue Viruspartikel entstehen und freigesetzt werden. In beiden Phasen stellt EBV ein sehr unterschiedliches Repertoire an Virusproteinen her.
„Bisherige Versuche einen Impfstoff zu entwickeln, nahmen insbesondere ein Protein aus der Virushülle ins Visier“, erklärt Delecluse. „Das bedeutet aber, dass der Impfstoff das Immunsystem nur auf EBV in der lytischen Phase vorbereitet.“ Denn eine Immunantwort, die auf das Hüllprotein abzielt, kann nur erfolgreich sein, wenn freie Viruspartikel im Körper vorhanden sind. Probanden, die derartige Impfstoffe bekamen, waren nicht vor einer späteren Infektion mit EBV geschützt. Impfversuche, die sich ausschließlich gegen Proteine der latenten Phase richteten, brachten ebenso wenig Erfolg.
„Wir wissen, dass sich die Immunantwort bei gesunden EBV-infizierten Menschen gegen Proteine beider Lebensphasen richtet“, sagt Delecluse. „Daher lag es für uns auf der Hand, einen Impfstoff zu entwickeln, der dies berücksichtigt und ebenfalls Antigene aus beiden Phasen enthält.“ Grundlage dafür bilden virusähnliche Partikel (virus-like particles, VPL), wie sie schon bei der Entwicklung früherer Impfstoffe zum Einsatz kamen. Dabei handelt es sich um Virushüllen ohne Erbmaterial des Erregers, gegen die der Körper eine Immunantwort aufbauen kann. Neu war dabei, dass das Wissenschaftlerteam um den DKFZ-Forscher die VPLs zusätzlich mit Proteinen der latenten Phase ausgestattet hat.
Ob diese Partikel tatsächlich in der Lage waren, den schützenden Effekt auszulösen, prüften die Wissenschaftler an Mäusen, deren Knochenmark durch humanes Knochenmark ersetzt wurde. Dadurch sind die Nager mit einem weitgehend menschlichen Immunsystem ausgestattet. Injizierten die Forscher diesen Tieren die mit zweierlei Antigenegruppen ausgestatteten VPLs, so entwickelten die Mäuse eine spezifische Immunantwort, an der auch T-Zellen beteiligt waren, die für eine erfolgreiche Abwehr unabdingbar sind. Darüber hinaus waren die Tiere vor einer Infektion mit EBV geschützt.
„Wir haben bewiesen, dass dieser Ansatz für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen EBV prinzipiell funktioniert“, sagt Delecluse. AIs nächstes gehe es darum, diesen Prototyp einer EBV-Schutzimpfung weiterzuentwickeln und Schritt für Schritt für den Einsatz bei Menschen zu prüfen.
Dwain G. van Zyl, Ming-Han Tsai, Anatoliy Shumilov, Viktor Schneidt, Rémy Poirey, Bettina Schlehe, Herbert Fluhr, Josef Mautner und Henri-Jacques Delecluse (2018): Immunogenic particles with a broad antigenic spectrum stimulate cytolytic T cells and offer increased protection against EBV infection ex vivo and in mice. PLOS Pathogens 2018, DOI 10.1371/journal.ppat.1007464
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.