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Neue Mechanismen der Regulation von Nervenstammzellen
Der Einsatz von Stammzellen zur Reparatur von Organen ist eines der übergeordneten Ziele moderner regenerativer Medizin. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben herausgefunden, dass das Protein Akna dabei eine entscheidende Rolle spielen könnte. Es steuert beispielsweise das Verhalten von neuralen Stammzellen über einen Mechanismus, der auch für die Bildung von Metastasen bedeutsam sein könnte. Die Studie wurde nun im renommierten Fachjournal ‚Nature‘ vorgestellt.
Das Forscherteam um Prof. Dr. Magdalena Götz, Direktorin des Instituts für Stammzellforschung (ISF) am Helmholtz Zentrum München sowie Lehrstuhlinhaberin für Physiologische Genomik am Biomedizinischen Centrum der LMU, wollte die Faktoren identifizieren, die den Erhalt oder die Entwicklung von Nervenstammzellen regulieren. Dafür isolierten die Wissenschaftler solche Zellen, die sich entweder selbst erneuern und weitere neurale Stammzellen bilden, oder sich ausdifferenzieren und Nervenzellen bilden. „Dabei haben wir festgestellt, dass in den sich zu Nervenzellen entwickelnden Stammzellen das Protein Akna* in deutlich höheren Konzentrationen vorkommt“, erklärt Germán Camargo Ortega, gemeinsam mit Dr. Sven Falk Erstautor der Studie und Mitarbeiter am ISF. „In allen Versuchen hat sich gezeigt, dass die Verringerung des Akna Proteins den Verbleib der Stammzellen in der Stammzellnische fördert, wohingegen die stärkere Anwesenheit des Proteins die Ablösung aus der Nische verstärkt und damit die Ausdifferenzierung fördert“, so der Autor weiter.
Besonders überraschend für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler war die Position des Proteins – nämlich am Zentrosom, einem kleinen Organ im Zellinneren, das als Chefarchitekt für die Organisation des Zellskeletts und die Zellteilung zuständig ist.
„Es zeigte sich, dass in der Erstveröffentlichung zu diesem Protein eine falsche Sequenz hinterlegt war“, berichtet Sven Falk. „Erst durch unsere Arbeit wurde nun klar: Akna sitzt direkt am Zentrosom.“ Die Forscher konnten zeigen, dass Akna von dort aus das Zellgerüst in Form sogenannter Mikrotubuli verankert. So kann es die Verbindungen zu den Nachbarzellen schwächen und eine Ablösung und Wanderung aus der Stammzellnische heraus fördern.
„Unsere Versuche zeigen, dass diese Funktion auch von genereller Bedeutung für einen Prozess ist, den wir als EMT – epitheliale zu mesenchymale Transition** – bezeichnen“, erklärt Studienleiterin Magdalena Götz. „Hierbei lösen sich Zellen aus einem Verband, teilen sich vermehrt und beginnen zu wandern. Das kann sowohl im Guten geschehen – beispielsweise wenn Stammzellen auswandern, um neue Nervenzellen zu bilden – aber auch im Schlechten – etwa wenn Krebszellen den Tumor verlassen und anderswo im Körper Metastasen bilden. Daher scheint der von uns identifizierte Mechanismus über Akna eine zentrale Rolle bei verschiedensten medizinisch relevanten Prozessen zu spielen.“ Im nächsten Schritt wird das Forscherteam die Bedeutung von Akna in anderen Stammzellen und die Rolle innerhalb des Immunsystems untersuchen.
Weitere Informationen
* Das Akna Protein ist ein ‚AT Hook Transcription Factor‘. Ein Transkriptionsfaktor ist ein Protein, das an die DNA bindet und regulierend auf die Transkription eines oder mehrerer Gene einwirkt.
**Als Epithelial-mesenchymale Transition (EMT) bezeichnet man den Übergang von Epithelzellen (z.B. Haut, Drüsengewebe oder Schleimhaut) in Zellen mit mesenchymalen Eigenschaften. Das Mesenchym ist sich entwickelndes Gewebe, das ein hohe Teilungsrate aufweist.
Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, Allergien und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören. http://www.helmholtz-muenchen.de
Das Institut für Stammzellforschung (ISF) untersucht die grundlegenden molekularen und zellulären Mechanismen der Stammzellerhaltung und -differenzierung. Daraus entwickelt das ISF Ansätze, um defekte Zelltypen zu ersetzen, entweder durch Aktivierung ruhender Stammzellen oder Neuprogrammierung anderer vorhandener Zelltypen zur Reparatur. Ziel dieser Ansätze ist die Neubildung von verletztem, krankhaft verändertem oder zugrunde gegangenem Gewebe. http://www.helmholtz-muenchen.de/isf
Die LMU ist eine der führenden Universitäten in Europa mit einer über 500-jährigen Tradition. Sie bietet ein breites Spektrum aller Wissensgebiete – die ideale Basis für hervorragende Forschung und ein anspruchsvolles Lehrangebot. Es reicht von den Geistes- und Kultur- über Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bis hin zur Medizin und den Naturwissenschaften. 15 Prozent der 50.000 Studierenden kommen aus dem Ausland – aus insgesamt 130 Nationen. Das Know-how und die Kreativität der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bilden die Grundlage für die herausragende Forschungsbilanz der Universität. Der Erfolg der LMU in der Exzellenzinitiative, einem deutschlandweiten Wettbewerb zur Stärkung der universitären Spitzenforschung, dokumentiert eindrucksvoll die Forschungsstärke der Münchener Universität. http://www.lmu.de
Originalpublikation:
Germán Camargo Ortega et al (2019): The centrosome protein Akna regulates neurogenesis via microtubule organization. Nature, DOI: 10.1038/s41586-019-0962-4