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Strahlen, die heilen
Zwei Drittel aller Patienten mit Krebserkrankungen am Uniklinikum Jena erhalten Strahlentherapie/ Im Gespräch mit Strahlenklinik-Direktorin Prof. Dr. Andrea Wittig
Jena (ukj/km). 30.000 Menschen werden am Universitätsklinikum Jena (UKJ) jährlich wegen einer Krebserkrankung behandelt. Etwa zwei Drittel von ihnen erhalten im Laufe ihrer Erkrankung eine Strahlentherapie in der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, die von Prof. Dr. Andrea Wittig geleitet wird.
Welchen Stellenwert hat die Strahlentherapie bei der Krebsbehandlung?
Prof. Wittig: Die Strahlentherapie (Radiotherapie) ist neben Operation und Chemotherapie zentraler Bestandteil der Krebstherapie. Zwei Drittel aller Krebspatienten werden im Laufe ihrer Erkrankung damit behandelt. Die ionisierende Strahlung zerstört die Erbsubstanz vorhandener Krebszellen, die dadurch absterben.
Eine Bestrahlung kann als alleinige Therapie eingesetzt werden, in Kombination mit einer Chemotherapie (Radiochemotherapie) oder vor beziehungsweise nach einer Operation. Anders als die medikamentöse Tumorbehandlung, die im gesamten Körper wirkt, ist die Strahlentherapie eine rein lokale Maßnahme und wirkt nur innerhalb des Bestrahlungsfeldes. Deshalb kann sie sehr gezielt eingesetzt werden und wirkt zudem hoch effektiv. Daher hat Strahlentherapie neben der Tumoroperation einen großen Anteil an der Heilung von Tumorerkrankungen.
Die Strahlentherapie ist aber auch ein besonders schonendes Verfahren, wenn Ziel der Therapie vor allem ist, Beschwerden zu lindern, die durch einen Tumor verursacht werden. In wenigen Behandlungssitzungen können beispielswiese Schmerzen durch Tochtergeschwülste eines Tumors im Knochen sehr wirksam bekämpft werden.
Wohin geht die Entwicklung bei der Strahlentherapie?
Prof. Wittig: Sie wird immer präziser. Dafür gibt es in der Strahlentherapie physikalisch- technische und biologische beziehungsweise molekulare Ansatzpunkte:
Die exakte Diagnostik mit modernen Verfahren in der Bildgebung, weiterentwickelte Bestrahlungstechniken, permanente Bildkontrolle während der Behandlung, die für jeden Patienten individuell berechnete Lagerungstechnik, die ständige Anpassung der Strahlenintensität – all das ermöglicht, die Strahlendosis millimetergenau dahin zu lenken, wo sie wirken soll. Dabei können Organe und Gewebe in der Nachbarschaft eines Tumors weitgehend geschont werden. So kann das Risiko von Nebenwirkungen immer weiter vermindert werden.
Zugleich spielen die biologischen Eigenschaften des Tumors eine immer größere Rolle in der Krebsmedizin. In Kombination mit spezifischen Medikamenten zur Immuntherapie kann die Strahlentherapie bei einigen Krebsarten das Immunsystem gegen Tumorzellen aktivieren. Das gilt zum Beispiel für den schwarzen Hautkrebs und den Lungenkrebs. Neben der klassischen Chemotherapie werden zudem zunehmend Medikamente eingesetzt, die gezielt die Wirkung der Strahlentherapie im Tumor verstärken.
Wie ist die Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie auf diese Entwicklung eingestellt?
Prof. Wittig: Wir arbeiten in der Forschung an beiden Ansatzpunkten, um die Strahlentherapie noch genauer und noch wirksamer gegen Tumorzellen zu richten: biologische und physikalische. Viele der hoch modernen Möglichkeiten können wir unseren Patienten aber auch schon für die Behandlung anbieten. Die genannte Kombination aus direkter Tumorbekämpfung und Aktivierung der immunologischen Abwehr gegen den Krebs durch ionisierende Strahlen ist ein Behandlungsschwerpunkt unserer Klinik.
Ein weiterer ist die sogenannte adaptive Strahlentherapie – adaptieren bedeutet anpassen. Hierbei passen wir die Behandlung sehr individuell an die Erkrankungssituation jedes Patienten an und tun dies im Verlauf einer Behandlungsserie auch immer wieder, denn jeder Patient reagiert anders auf eine Tumorbehandlung. Für die Behandlungsplanung steht uns ein neues, hochleistungsfähiges Rechenprogramm zur Verfügung, das eine unmittelbare Anpassung der Bestrahlungsintensität auf Veränderungen der Tumorregion ermöglicht. Die Klinik für Strahlentherapie am UKJ ist zudem spezialisiert auf die Präzisionsbestrahlung zur Entfernung von Tumorherden, bei denen eine Operation wegen bestimmter Risikokonstellationen nicht in Frage kommt. Dies spielt vor allem bei Tumoren des Gehirns, der Lunge und der Leber eine Rolle.
Welche Rolle spielt die fächerübergreifende Zusammenarbeit?
Prof. Wittig: Enorm wichtig ist, dass wir innerhalb des UniversitätsTumorCentrums Jena, in das die Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie integriert ist, für die beschriebenen Entwicklungen bestens gerüstet sind. Das beste Behandlungsergebnis erreichen wir für unsere Tumorpatienten immer, wenn wir Diagnostik, Behandlung und Nachsorge der einzelnen Patienten im Tumorzentrum mit den Kollegen der anderen Fachdisziplinen gemeinsam abstimmen, zum Beispiel Chirurgen und Onkologen. Das findet am Klinikum in den Tumorkonferenzen statt. Oft können wir unseren Patienten Behandlungskonzepte anbieten, die mehrere Therapieverfahren beinhalten. Auch neue Verfahren können wir unseren Patienten besonders früh in deren Entwicklung anbieten.
Wie erforschen Sie neue molekulare Therapieansätze für die Strahlentherapie?
Prof. Wittig: Im neuen Kliniklabor im Theoretikum am Leutragraben erforschen wir, wie sich unterschiedliche Krebsursachen auf den Erfolg einer Strahlentherapie auswirken. Krebs im Mund-Rachen-Raum zum Beispiel kann durch humane Papilloma-Viren verursacht werden, aber auch durch Gifte wie Tabak und Alkohol. Je nach Ursache sind die Krebszellen genetisch unterschiedlich ausgestattet. Das kann man sich zunutze machen, um die Strahlentherapie zu verbessern.
Weitere Informationen zu den Therapieangeboten der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie erhalten Sie im aktuellen Klinikmagazin.