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Kopfschmerzen: Was Betroffenen wirklich hilft – Chronifizierung vermeiden
Fast 2,5 Millionen Deutsche leiden an chronischen Kopfschmerzen – sie haben also Beschwerden an durchschnittlich jedem zweiten Tag. Viele Menschen behandeln sie mit frei verkäuflichen Medikamenten zunächst selbst, ohne mit ihrem Arzt darüber zu sprechen. Was viele nicht wissen: Der zu häufige Gebrauch von Schmerzmitteln kann eigenständige Kopfschmerzen auslösen, die chronisch werden können.
Zudem sollten Patienten im Zweifel immer die Wirksamkeit von – in Eigeninitiative eingenommenen, aber auch von verordneten – Medikamenten vom Arzt prüfen lassen. Denn: Eine nicht ausreichende Schmerzlinderung ist ebenfalls ein Risikofaktor für chronische Kopfschmerzen, so die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung e. V. (DGKN). Wie chronischen Kopfschmerzen und Migräneattacken vorgebeugt und wie diese behandelt werden können, ist ein Thema auf der Pressekonferenz der DGKN am Donnerstag, den 28. März 2019 in Freiburg. Sie findet auf der 63. Wissenschaftlichen Jahrestagung der Fachgesellschaft statt.
Nach aktuellen Zahlen aus epidemiologischen Studien leiden etwa drei Prozent der Bevölkerung in Deutschland an chronischen Kopfschmerzen. „Dies sind Kopfschmerzen, die an mindestens 15 Tagen im Monat über mindestens drei Monate auftreten“, sagt Privatdozent Dr. med. Charly Gaul von der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein im Taunus. Der Leidensdruck für die Patienten – etwa durch Arbeitsunfähigkeit und verminderte soziale Teilhabe am Leben – sei erheblich.
Dabei können Therapeutika gegen Kopfschmerzen selbst Schmerzen auslösen: „Werden an 15 oder mehr Tagen einfache Schmerzmittel oder sogenannte nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Acetylsalicysäure (Aspirin), Ibuprofen oder Diclofenac eingenommen, oder an mehr als zehn Tagen Opioide, Triptane, Ergotamine oder Schmerzmittelmischpräparate, steigt das Risiko zur Kopfschmerzchronifizierung erheblich an“, so Dr. Gaul. Weitere Risikofaktoren für eine Chronifizierung der Schmerzen seien ein weibliches Geschlecht, psychische Begleiterkrankungen, Übergewicht und Bewegungsmangel. Auch die Einnahme von anderen Medikamenten wie Beruhigungsmitteln und weitere chronische Schmerzerkrankungen wie chronische Rückenschmerzen erhöhten die Wahrscheinlichkeit dafür.
„Häufig wird auch nicht ausreichend geprüft, ob die verordnete oder empfohlene Akutmedikation überhaupt wirksam ist“, nennt Dr. Gaul einen weiteren Punkt. Patienten, die ihre Akutmedikation als gut wirksam einschätzen, hätten ein geringeres Chronifizierungsrisiko als solche, die ihre Akutmedikation als unzureichend wirksam beurteilten.
Wenn Kopfschmerzen nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig oder gar häufig bestehen, empfiehlt Dr. Gaul vorbeugende Maßnahmen: „Als wirksam in Studien belegt sind kognitive Verhaltenstherapien, regelmäßiger Ausdauersport sowie Entspannungsverfahren – wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson sowie Yoga und Meditation.“ Darüber hinaus sind etliche Medikamente zur vorbeugenden Einnahme zugelassen: „Langjährig etabliert sind hier Betablocker, trizyklische Antidepressiva, Antikonvulsiva (Valproat, Flunarizin und Topiramat), Botulinumtoxin zur Therapie der chronischen Migräne sowie, jedoch ohne spezifische Zulassung zur Migräneprophylaxe (sogenannter Off-Label-Gebrauch), beispielsweise Candesartan“, berichtet Dr. Gaul. Seit November 2018 ist auch der Antikörper Erenumab zur Prophylaxe der Migräne bei Erwachsenen mit vier oder mehr Migränetagen pro Monat erhältlich.
Eine Kombination aus Verhaltensänderung, klassischen Entspannungsmaßnahmen und der vorbeugenden Einnahme von Medikamenten zeige die beste Wirkung bei der Behandlung von Kopfschmerzen, fasst der Experte zusammen.
Auf der Pressekonferenz der DGKN am 28. März 2019 in Freiburg informiert Dr. Charly Gaul über chronische Kopfschmerzen und zeigt auf, was Patienten darüber wissen wollten.
Quellen:
Diener HC, Gaul C, Kropp P. Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. AWMF 030/57, 2018
Diener HC, Holle D, Dresler T, Gaul C. Chronic Headache Due to Overuse of Analgesics and Anti-Migraine Agents. Dtsch Arztebl Int 2018;115:365-370
Headache Classification Committee of the International Headache Society (IHS). The International Classification of Headache Disorders, 3rd edition. Cephalalgia 2018;38:1-211
Israel H, Neeb L, Reuter U. CGRP Monoclonal Antibodies for the Preventative Treatment of Migraine. Curr Pain Headache Rep 2018;22:38.
Lipton RB, Fanning KM, Serrano D, Reed ML, Cady R, Buse DC. Ineffective acute treatment of episodic migraine is associated with new-onset chronic migraine. Neurology 2015;84:688-95
Reuter U, Goadsby PJ, Lanteri-Minet M, Wen S, Hours-Zesiger P, Ferrari MD, Klatt J. Efficacy and tolerability of erenumab in patients with episodic migraine in whom two-to-four previous preventive treatments were unsuccessful: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3b study. Lancet 2018;392:2280-2287
Ruscheweyh R, Müller M, Blum B, Straube A. Correlation of headache frequency and psychosocial impairment in migraine: a cross-sectional study. Headache 2014;54:861-71
Terminhinweis Vortrag:
63. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft
für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN), 28. bis 30. März 2019 in Freiburg:
http://www.dgkn-kongress.de/programm/wissenschaftliches-programm/
Donnerstag, 28. März 2019, 9:10 bis 9:30 Uhr, Raum K 9, Konzerthaus Freiburg
Konrad-Adenauer-Platz 1, Freiburg
Chronifizierung des Kopfschmerzes – Prädiktoren, Prophylaxe und Therapie
C. Gaul (Königstein im Taunus)
Kongress-Pressekonferenz zur
63. Wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung e. V. (DGKN)
Termin: Donnerstag, 28. März 2019, 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr
Ort: Raum Luzern 1 + 2 im Novotel Freiburg
Anschrift: Konrad-Adenauer-Platz 2, 79098 Freiburg im Breisgau
Vorläufige Themen und Referenten:
– Neuroplastizität bei Schlaganfall 1: Dank gezielter Hirnstimulation wieder gehen und sprechen lernen?
Professor Dr. med. Cornelius Weiller, Kongresspräsident der 63. Jahrestagung der DGKN, Präsident der DGKN, Direktor der Neurologischen und Neurophysiologischen Universitätsklinik Freiburg
– Neuroplastizität bei Schlaganfall 2: Ein Patient berichtet: so habe ich wieder sprechen gelernt
N. N.
– Neuroplastizität bei Depressionen und Alzheimer: Räumlich und zeitlich optimierte elektromagnetische Hirnstimulation (closed loop EEG-TMS) bringt neue Hoffnung
Professor Dr. med. Ulf Ziemann, Zentrum für Neurologie, Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt neurovaskuläre Erkrankungen, Tübingen
– Epilepsie: Weniger Anfälle durch Präzisionsmedizin – State of the Art
Professor Dr. med. Felix Rosenow, MHBA Leiter des Epilepsiezentrums Frankfurt Rhein-Main, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
– Was tun, damit Kopfschmerzen nicht chronisch werden? Risikofaktoren, Vorbeugung und moderne Therapieoptionen
Priv.-Doz. Dr. med. Charly Gaul, Ärztlicher Leiter der Migräne- und Kopfschmerzklinik Klinik Königstein, Königstein im Taunus
Weitere Informationen:
http://www.dgkn-kongress.de/programm/wissenschaftliches-programm/