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„Ein bewegliches Ziel“
Ein Interview mit Elena Levashina zum Stand der Malariaforschung
Mehr als 120 Jahre sind vergangen, seit der Zusammenhang zwischen Mückenstich und Malariainfektion nachgewiesen wurde. Malaria, eine der tödlichsten Infektionskrankheiten der Welt, ist heute vor allem in den subtropischen Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas verbreitet. Neue technologische Fortschritte versprechen eine Lösung durch die genetische Manipulation ganzer Mückenpopulationen. Aber wissen wir für diese massiven Eingriffe in die Natur genug über die Unterschiede und Verbreitungen verschiedener Mückenarten, die Malaria übertragen?
Elena Levashina, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin, erklärt in diesem Interview, wie sie Labor- und Feldstudien kombiniert, um zu einem umfassenden Bild der Malaria-Ausbreitung zu gelangen.
Frau Levashina, wie kommt man als Infektionsbiologin vom Labor in die Feldforschung?
Durch Laborstudien wussten wir, dass resistente Gene in Mücken Malariaparasiten sehr effizient eindämmen. Aber reflektiert unsere Laborforschung wirklich, was in der Natur passiert? Es ist kompliziert, Mücken im Labor zu züchten und mit Malaria zu infizieren. In der Natur braucht es dazu keine Eingriffe von außen – es passiert einfach. Also haben wir uns –zusammen mit unseren Kooperationspartnern in Mali – dazu entschlossen, die Natur für uns arbeiten zu lassen.
Sie haben bereits erste Ergebnisse aus der Feldstudie publiziert. Was konnten Sie herausfinden?
Mein Team verbrachte zwei Regenzeiten – 2014 und 2015 – in Mali und sammelte fast täglich Mücken. Das war natürlich aufwändig, aber bislang wurden in ähnlichen Studien Mücken nur wöchentlich oder monatlich gesammelt. Mit unseren dicht getakteten Zeitreihen konnten wir einen ganz neuen Ansatz in der Malariaforschung verfolgen.
Markus Gildenhard, ein Doktorand aus meinem Team, hatte die nämlich Idee, eine wirtschaftswissenschaftliche Methode für die Datenanalyse einzusetzen. Diese Methode, die als Granger-Kausalität bekannt ist, erfordert viele Datenreihen, die innerhalb kürzester Zeit erhoben werden. Dies ist zum Beispiel an der Börse leicht möglich. Der Vorteil dieser Methode ist es, dass sie auf kausale Zusammenhänge zwischen zwei Variablen prüft. Dieser Ansatz wurde noch nie in der Epidemiologie oder Infektionsbiologie angewandt, obwohl beide Disziplinen versuchen, die Ausbreitung von Krankheiten vorherzusagen.
Der Granger-Kausalitäts-Test ermöglichte es uns, die Häufigkeit der Malaria-Parasiten in einer lokalen Mückenpopulation mithilfe eines mathematischen Modells vorherzusagen. Eine hohe Anzahl von infizierten Moskitos stellt ein erhöhtes Übertragungsrisiko für den Menschen dar. Wir haben gezeigt, dass die Häufigkeit von Malaria-Parasiten überproportional auf zwei verwandte Mückenarten verteilt war, die beide bisher als gefährliche Überträger des Parasiten galten.
Wie war es für Sie, in Mali zu arbeiten?
Wir haben bereits vor diesem Projekt mit Wissenschaftlern von der Bamako-Universität in Mali zusammengearbeitet. Das erwies sich als großer Vorteil, da sie über sehr viel Erfahrung in der Feldarbeit verfügen und die Menschen in den Dörfern mit einbeziehen. Wir brauchten zum Beispiel Strom für unsere Mückenfallen. Den haben uns letztendlich die Dorfbewohner spendiert, indem sie ihre Solarpanels mit uns geteilt haben.
Um die gesammelten Mücken zu analysieren, haben wir mit der Universität von Bamako darüber hinaus ein Genotypisierungslabor aufgebaut. Dabei sind allein auf malischer Seite zwei Masterarbeiten und zwei Doktorarbeiten entstanden.
Letztendlich sind wir jedoch mit dieser Vorgehensweise auch an Grenzen gestoßen. Analysen mit hohem Durchsatz mussten wir in Berlin durchführen. Wir sind immer noch dabei unsere 17.000 Mückenproben zu bearbeiten.
Wie fühlt es sich an, nach den Sammlungen auf so einem riesigen Datenschatz zu sitzen?
Es ist zuerst ein wenig frustrierend. Man will alles so schnell wie möglich analysieren, man will wissen, was die Daten hergeben. Das braucht leider seine Zeit. Nach der Analyse hoffen wir jedoch, viel mehr Fragen zu beantworten, als die wir uns anfänglich gestellt haben.
Letztendlich ist es aber toll, Laborwissen für die Planung von Feldexperimenten anzuwenden und zu sehen, dass dieses Wissen unter natürlichen Bedingungen in Afrika tatsächlich gültig ist. Ich erinnere mich daran, dass Markus ganz aufgeregt war, als er die Daten der ersten Regenzeit analysiert hatte. Es schien zu schön, um wahr zu sein. Deshalb hatte er Zweifel und drängte auf weitere Kontrollen. Als sich das Signal in der zweiten Regenzeit wiederholte, wurde deutlich, dass das, was wir sehen, tatsächlich der Realität entsprach.
Was können wir daraus für die Bekämpfung von Malaria lernen?
Die momentanen Strategien gegen Malariamücken sind relativ alt. Mückennetze und Insektizide bringen teilweise Erfolge, sind aber nicht in allen betroffenen Regionen gleichermaßen effektiv. Die Mücken entwickeln immer neue Resistenzen gegen Insektizide – gleichzeitig sind diese Gifte ein Problem für die Umwelt.
Der neueste Trend in der Mückenbekämpfung setzt große Hoffnungen in die Gentechnologie. Zurzeit werden genetisch veränderte Mücken entwickelt, die an Malaria-Hotspots verbreitet werden können. Die Mücken sollen Unfruchtbarkeitsgene weitergeben oder Faktoren in die Populationen einführen, die die Übertragungsrate von Malaria verringern. Die Methoden sind nach wie vor in der Konzeptionsphase, versprechen aber neben ihrer Wirksamkeit auch eine bessere ökologische Nachhaltigkeit, da nur eine bestimmte Mückenart angegriffen wird.
Sie haben die Mückenarten, die in Afrika Malaria übertragen, genauer charakterisiert. Bei welcher Mückenart müsste man ansetzen?
In den meisten Regionen Afrikas leben mehrere Mückenarten zusammen, die Malaria-Parasiten übertragen können. Wenn wir wissen, welche Art tatsächlich eine Schlüsselrolle bei der lokalen Übertragung der Krankheit spielt – und das ist genau das, was wir mit unserem Modell verstehen können – dann sollten wir diese Art ins Visier nehmen.
Anopheles gambiae, die Art, die für die Häufigkeit des Malaria-Parasiten in unserer Forschung relevant ist, ist sehr schwer zu züchten. Die genetische Arbeit konzentriert sich vor allem auf Anopheles coluzzi. Die Arbeit mit dieser Art im Labor ist wesentlich einfacher, aber sie ist offenbar nicht so entscheidend für die Übertragung von Malaria-Parasiten in Westafrika wie bisher angenommen. Einfach ausgedrückt: Derzeit arbeiten die Entwickler von gentechnisch veränderten Mücken mit den falschen Mückenarten. Allerdings sind weitere Studien erforderlich, um die Hauptüberträger in den wichtigsten ökologischen Nischen Afrikas zu identifizieren.
Was fasziniert Sie an der Malariaforschung?
Schon während meiner Schulzeit hat mich die Infektionsbiologie fasziniert. Aber ich dachte, dass die romantischen Tage der Disziplin vorbei seien. Forscher und Forscherinnen hatten bereits die Erreger der wichtigsten Infektionskrankheiten entdeckt: Es war bereits bekannt, dass Malaria durch Plasmodium-Parasiten verursacht wird, die von Anopheles-Mücken übertragen werden.
Aber dann habe ich angefangen, mir immer mehr Fragen zu stellen. Ich habe gemerkt, dass uns ein präzises Verständnis der Interaktionen von Mücke, Parasit, Mensch und Umwelt fehlt. Auch 120 Jahre nach der Entdeckung dieser Zusammenhänge stehen wir bei der Bekämpfung der Krankheit immer noch vor den gleichen Problemen.
Malaria bleibt ein bewegliches Ziel. Unser Verständnis der Krankheit wächst jedoch. Wenn wir sowohl die Erkenntnisse aus dem Labor mit den Feldstudien kombinieren, können wir die Forschung auf ein neues Niveau heben. Es ist wichtig, diesen Sprung zu wagen, anstatt auf bestehenden Ansätze zu verharren.
Das Interview führte Christian Denkhaus.