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Nierenerkrankung: EDV-System und Biomarker helfen bei Früherkennung
Postoperative Nierenerkrankungen stellen eine nicht unerhebliche Gefahr für Patienten dar. Um eben diesen Komplikationen Herr zu werden, startet am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) zum 1. Mai ein innovatives und interdisziplinäres, am UKR entwickeltes, EDV-Frühwarnsystem.
„Die akute Nierenschädigung ist eine Erkrankung, die sowohl Komplikationen in anderen Organen als auch chronisches Nierenversagen verursachen kann. Je schneller man sie erkennt, desto besser sind die Chancen, weitere Komplikationen erfolgreich zu verhindern. Die Initiative ‚Schütze die Niere – Prävention ist die Therapie‘ ist ein einzigartiges interdisziplinäres Projekt, dass zum Ziel hat, sowohl die akute Schädigung der Nieren als auch deren Langzeitfolgen zu vermeiden“, sagt Dr. med. Marlies Ostermann, Stellvertretende Vorsitzende der Nieren-Arbeitsgruppe der Europäischen Gesellschaft der Intensivmedizin.
Nach circa fünf Jahren intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit hält zum 1. Mai die Initiative „Schütze die Niere –Prävention ist Therapie“ Einzug in den Klinikalltag. Entwickelt wurde dieses weltweit einzigartige Modell von Medizinern und EDV-Spezialisten am UKR. Zwar gibt es Zentren, welche ebenfalls EDV-Alarme und Biomarker zur Früherkennung nutzen, aber ein Zentrum, in welchem beides kombiniert wird, ist weltweit einzigartig.
Mit diesem Programm stellen die behandelnden Mediziner die postoperative Versorgung der Patienten auf ein neues, deutlich höheres Level. Patienten-Sicherheit, Vorbeugung und Frühtherapie stehen im Mittelpunkt. Denn neu ist die Problematik der Nierenerkrankung nach einer schweren Operation nicht. Neben der postoperativen Lungenentzündung, dem Herzinfarkt, einer Blutung oder Infektion im Operationsgebiet gehört die akute Nierenschädigung (AKI) zu den häufigsten postoperativen Erkrankungen. Gerade langwierige Operationen, wie es Tumor-, Leber- und gefäßchirurgische Eingriffe sind, erhöhen das Risiko für den Patienten, eine Nierenschädigung davonzutragen. Dabei wirken sich Faktoren wie eine intraoperative Kontrastmittelexposition im Rahmen der Bildgebung, schwankende Blutdruckwerte oder Blutverlust negativ auf die Nierenfunktion aus.
Das Risiko einer Nierenschädigung soll nun durch die EDV-gestützte Frühwarnung minimiert werden. „Diese Strategien beinhalten innovative Aspekte der heutigen Patientenversorgung wie personalisierte Medizin, Unterstützung durch automatisierte Computersysteme, Spezialisierung und Interdisziplinarität“, so Professor Dr. Hans J. Schlitt, Direktor der Klinik und Poliklinik für Chirurgie des UKR.
Automatische Überprüfung von Hochrisiko-Patienten
Nun haben Mediziner und Computerspezialisten am UKR gemeinsam ein EDV-gestütztes Frühwarnsystem entwickelt. „Dieses Programm erlaubt es uns, auftretende Komplikationen nach einem Eingriff frühzeitig zu erkennen“, erklärt Dr. Ivan Göcze, Leitender Oberarzt der Operativen Intensivstation am UKR. Biomarker, an deren Evaluation und klinischen Etablierung das UKR ebenfalls wesentlich beteiligt war, geben dem EDV-System Impulse und zeigen so eine Veränderung der Laborwerte zügig und genau an. Patienten mit erhöhtem Risikoprofil werden aktiv durch das Computerprogramm gesucht und erkannt. Dieser Mechanismus zur Früherkennung macht die behandelnden Ärzte darauf aufmerksam, dass in den kommenden zwölf Stunden nach der OP ein hohes Risiko besteht, dass der Patient eine Nierenschwäche erleidet. „Sobald wir das wissen, können wir die geeigneten Maßnahmen ergreifen und diesem Szenario entgegenwirken. Präventive Maßnahmen werden eingeleitet, denn noch haben die Nieren keinen nachhaltigen Schaden erlitten“, so Dr. Göcze weiter. Der Abgleich der Laborwerte wiederholt sich im 24-Stunden-Rhythmus, so dass auftretende Veränderungen im Nachsorgebild erkannt werden. Dieses Prozedere setzt sich für die gesamte Dauer des Aufenthalts am UKR fort.
Bei der Prävention setzten die Mediziner auf die Echtzeit-Evaluation von zellulären Stressmarkern in der Niere als Vorstufe für die Verschlechterung der Nierenfunktion. Der Biomarker (TIMP2*IGFBP7) gibt dann Aufschluss, wie weit der Krankheitszustand fortgeschritten ist und worauf bei der Behandlung zu achten ist. „Unsere oberste Priorität ist es, eine dauerhafte Schädigung der Nieren vom Patienten abzuwenden und im besten Fall die Funktionalität der Niere wiederherzustellen“, ergänzt PD Dr. Tobias Bergler, Leitender Oberarzt der Abteilung für Nephrologie des UKR.
Besonders wichtig für Betroffene ist die Nachsorge. Während bislang die poststationäre Versorgung meist durch den Hausarzt übernommen wurde, so ändert sich das nun grundlegend. Zwar ist immer noch der Hausarzt Ansprechpartner Nummer eins für den Patienten, aber auch die Nephrologen des UKR überwachen bis zu einem Jahr nach der Operation die Behandlung. „Das ist ein Novum, aber wir erachten es für notwendig, weil eine einmal vorhandene Nierenschädigung wie eine Narbe am Körper zurückbleibt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Nieren in den folgenden Jahren schwächer werden und der Patient irgendwann sogar auf eine Dialyse angewiesen ist“, so Dr. Bergler zum Konzept der nephrologischen Nachsorge.
Interdisziplinäres Projekt mit Innovationskraft
Nun ist es also soweit und nach fünfjähriger Forschungsphase startet am UKR zum 1. Mai die Initiative „Schütze die Niere – Prävention ist Therapie“. Um das Programm umsetzen zu können, war eine halbjährige Vorbereitungszeit am Universitätsklinikum nötig. Ärzte mussten im Umgang mit dem System geschult und Daten ausgewertet werden, EDV-Spezialisten mussten die Computerprogramme maßschneidern und das Labor eine Logistik entwickeln, die es möglich macht, die auszuwertenden Daten rechtzeitig und zügig fertigzustellen. „Dieses Konzept ist deutschlandweit einzigartig und zeichnet sich auch international durch seinen innovativen Ansatz und die Interdisziplinarität aus“, so Dr. Bergler. „Chirurgen, Nephrologen, Anästhesisten, Labormitarbeiter und ein EDV-Team arbeiten am UKR an einem absolut zukunftsträchtigen Innovationsprojekt“, ergänzt Dr. Göcze.