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Bayerischer Forschungsverbund ForInter: Mini-Gehirn in der Petrischale
Neuer Bayerischer Forschungsverbund ForInter untersucht erstmals das Zusammenspiel verschiedener Gehirnzellen mit Hilfe einer dreidimensionalen lebendigen Gewebestruktur in der Petrischale.
Erlangen – Am 2. Mai 2019 trafen sich die Teilnehmer des neu gegründeten Bayerischen Forschungsverbunds ForInter (Forschungsverbund Interaktion von humanen Gehirnzellen) zum Kick-off-Meeting in Erlangen. Ziel des neuen Forschungsverbundes ist die Erforschung des Zusammenspiels von Neuronen und Gliazellen anhand einer dreidimensionalen lebendigen Gewebestruktur in der Petrischale, auch um die Entstehung von Hirnerkrankungen besser zu verstehen. Dabei nutzen die ForscherInnen unter anderem die Genschere CRISPR/Cas9, um Gene zu editieren und zu verändern. So können sie anschließend den Einfluss dieses Eingriffs auf die Interaktion der Zellen analysieren. An dieser hochkomplexen Aufgabe arbeiten bayerische Wissenschaftler aus den Fachbereichen Stammzellbiologie, Biochemie und Molekulare Neurologie (FAU Erlangen-Nürnberg), Neuropathologie (Universität Regensburg), Biomedizin (LMU München), Bioinformatik (TU München) und Ethik und Recht (Universität Passau) interdisziplinär zusammen. Sprecherin des Verbundes ist Frau Prof. Dr. Beate Winner vom Universitätsklinikum Erlangen. Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst fördert ForInter mit einem Budget von vier Mio. Euro über eine Laufzeit von vier Jahren.
Das menschliche Gehirn besteht aus zwei wichtigen Zellpopulationen: den Neuronen (Nervenzellen) und den Gliazellen (Stützzellen). Beide Zellpopulationen arbeiten eng zusammen und bilden dabei ein dynamisches funktionelles Netzwerk. Gliazellen sind dabei eine Art „Dienstleister“ für die Nervenzellen – sie unterstützen ihre Arbeit auf vielfältige Art und Weise. Im Gegensatz zu den meisten Neuronen unterliegen Gliazellen der Zellerneuerung. Doch welche Rollen spielen die unterschiedlichen Zellarten und ihre Interaktion bei der Entwicklung des gesunden und auch erkrankten Gehirns ganz genau?
Um Antworten auf diese Frage zu finden, reicht den ForscherInnen Post-Mortem-Gewebe nicht mehr aus. Sie brauchen die Beobachtung am lebenden Gewebe, um die Interaktionen der menschlichen Gehirnzellen nachahmen zu können. Die neuesten Entwicklungen in der Biologie und Stammzellforschung haben mit neuen biotechnologischen Methoden die Voraussetzungen dafür geschaffen: Multidimensionale Zellkultursysteme des Großhirns bieten als sogenannte „Mini Brains“ in 2D und 3D neuartige Einblicke in die Struktur und Dynamik der Zellinteraktionen. Darüber hinaus können die ForscherInnen mit der Genschere CRISPR/Cas9 die Gene editieren und anschließend analysieren, wie sich die Interaktion der Zellen dadurch verändert.
„Als spannend empfinde ich die Möglichkeit diese sehr unterschiedlichen und hochkomplexen Technologien mit dem Förderinstrument eines Verbundes in Bayern zu verknüpfen und weiterzuentwickeln, um Fragen zur Gehirnentwicklung und Krankheitsentstehung in humanen Modellen zu erforschen und die hierfür notwendigen ethisch-rechtlichen Grundlagen zu analysieren“, so Frau Prof. Dr. Beate Winner vom Universitätsklinikum Erlangen.
An dieser hochkomplexen Aufgabe arbeiten in den nächsten vier Jahren Fachbereiche aus fünf bayerischen Universitäten: WissenschaftlerInnen der Neurobiologie, mit Expertise in grundlagenbiologischen und stammzellbiologischen Fragestellungen (FAU Erlangen-Nürnberg und LMU München), sowie ForscherInnen aus der Neuropathologie (Universität Regensburg) und der Molekularen Neurologie (FAU Erlangen-Nürnberg) mit klinischer Kompetenz. Wissenschaftler/innen der Bioinformatik (TU München) und Experten auf dem Gebiet von Ethik und Recht (Universität Passau) verstärken und ergänzen die neurobiologische und medizinische Expertise.
Der Forschungsverbund arbeitet an folgenden Themen:
• Interaktion der Neuronen und Gliazellen (Typ Oligodendrozyten) im Kontext eines atypischen Parkinsonsyndroms und von Autismus-Spektrum-Störungen;
• Interaktionen von Tumorzellen (Typ Glioblastom) mit neuralen Zellen in nicht-neubildenden organähnlichen Mikrostrukturen (nicht-neoplastische Organoide);
• Rolle bestimmter Faktoren bei der Gehirnentwicklung, insbesondere bei der Entwicklung von Verbindungsstrukturen zwischen den beiden Gehirnhemisphären;
• Interaktion der Neuronen und Gliazellen (Typ Mikroglia) und ihre Rolle bei der Gehirnentwicklung;
• Interaktion der Neuronen und Gliazellen (Typ Mikroglia) im Kontext einer seltenen Erkrankung des Zentralnervensystems.
Die Bioinformatik ist für die Analyse der Daten dieser neuen Technologien unverzichtbar und wird sich mit folgenden Fragen befassen:
• Wie können bioinformatische Methoden zur Analyse und Modellierung von heterogenen neuralen Stammzellen eingesetzt werden?
• Wie können bioinformatische Methoden helfen, den Einfluss von bestimmten Wechselwirkungen (Rezeptor-Ligand) auf die Zell-Zell-Kommunikation einzuschätzen?
Der Fachbereich Ethik und Recht unterstützt die Forschungsprojekte durch:
• Eine Analyse des aktuellen Rechtsrahmens im Hinblick auf genveränderte Gehirnzellen und deren therapeutische Verwendung;
• Die Erarbeitung von Änderungsvorschlägen zum aktuellen Rechtsrahmen unter Einbeziehung ethischer Aspekte;
• Die Untersuchung grundlegender Fragen, die sich aus der zukünftigen Forschung an „Mini Brains“ ergeben könnten, etwa ab wann ein Mini Brain ein zu schützender Organismus ist.
Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst fördert ForInter mit einem Budget von vier Mio. Euro über eine Laufzeit von vier Jahren.
Weitere Informationen zu ForInter finden Sie unter: http://www.bayfor.org/forinter
Zu den Bayerischen Forschungsverbünden
In den bayerischen Forschungsverbünden arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Hochschulen (und teils aus Unternehmen) interdisziplinär zusammen, um komplexe Fragestellungen in zukunftsrelevanten Bereichen zu beantworten. Diese Kooperation im Verbund bündelt und vernetzt bayernweit bestehende Kompetenzen. Die bayerischen Forschungsverbünde sind Partner der Bayerischen Forschungsallianz. Diese hat sich zur Aufgabe gemacht, die bayerischen Forschungsverbünde untereinander zu vernetzen, für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen und die dortigen Akteure bei der Einwerbung europäischer Fördermittel zu unterstützen. Weitere Informationen zu den bayerischen Forschungsverbünden finden Sie unter http://www.bayfor.org/forschungsverbuende.
Zur Bayerischen Forschungsallianz (BayFOR) GmbH
Die vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst geförderte Bayerische Forschungsallianz berät und unterstützt bayerische Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft umfassend beim Einwerben von europäischen Mitteln für Forschung, Entwicklung und Innovation. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem laufenden Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der EU, Horizon 2020 sowie dem künftigen Rahmenprogramm „Horizon Europe“. Als Partner im Enterprise Europe Network bietet die BayFOR zudem gezielte Beratung und Unterstützung für bayerische Unternehmen (insbesondere KMU), die sich für eine Teilnahme an EU-Forschungs- und Innovationsprojekten interessieren.
Die BayFOR ist eine Partnerorganisation in der Bayerischen Forschungs- und Innovationsagentur.
Weitere Informationen:
http://www.bayfor.org/pi-forinter weiteres Bildmaterial