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Bewegliches Band statt steifer Stab

Österreichpremiere: Die Spezialisten der Klinischen Abteilung für Kinderorthopädie der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie haben ein neues Verfahren zur Behandlung einer Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) angewandt. Dabei wurden die betroffenen Wirbel der 17-jährigen Katrin mit einem Kunststoffseil verbunden anstatt sie mithilfe eines Metallstabes zu versteifen. So bleibt der Rücken beweglich und kann auch Wachstumsschübe mitmachen. Der Eingriff selbst ist für den Körper wenig belastend und hinterlässt nur Narben, die selbst ein Bikini verdeckt.

Drei Jahre trug sie ein Korsett, machte täglich ihre Physiotherapie und war drei Mal auf Rehabilitation. Leider ohne Erfolg. „An meiner Wirbelsäulenverkrümmung hatte sich nichts verändert“, erzählt Katrin. Eine frustrierende Situation für die 17-Jährige, denn abgesehen von den Bewegungseinschränkungen und den Schmerzen, die die sogenannte Adoleszente Idiopathische Skoliose (AIS) verursachte, stellte die Defor-mierung auch ein kosmetisches Problem dar.

Umso erfreuter sei sie gewesen, fährt die junge Dame fort, als sie von OA. Priv.-Doz. Dr. Vinay Saraph, Kinderorthopäde am Klinikum Graz, erfahren habe, dass es ein neues und für sie passendes Verfahren zur operativen Behandlung ihrer Erkrankung gibt. „Bis dahin ist ja nur die Versteifung meiner Wirbelsäule im Raum gestanden. Wir hatten sogar schon einen Termin für die OP“, erinnert sie sich an die Situation. Ein Leben mit einer versteiften Wirbelsäule? Kein angenehmer Gedanke, aber eine Maßnahme, die unumgänglich schien. „Meine Eltern und ich haben daher bereits nach kurzer Bedenkzeit der Operation mittels neuer Methode zugestimmt“, sagt die Schülerin, die damit auch die erste Patientin Österreichs war, bei der dieser Eingriff durchgeführt wurde.

Kleiner Schnitt, kleine Narbe

Am 29. August 2018 war es dann so weit: Die Experten der Klinischen Abteilung für Kinderorthopädie der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie korrigierten Katrins AIS mithilfe des neuen Verfahrens. „Dabei werden spezielle Schrauben in die Wirbelkörper eingesetzt und mit einem Kunststoffseil auf der konvexen Seite der Krümmung verspannt – in der Fachsprache unter dem Begriff Vertebral Body Tethering, kurz VBT, bekannt“, fasst Ass.-Dr. Martin Münnich, der mit Saraph die OP durchgeführt hat, die Vorgehensweise zusammen. Der Effekt: Dem verkrümmten Teil der Wirbelsäule wird durch die Spannung auf der Außenseite entgegengewirkt, sodass er sich sukzessive aufrichtet ohne Beweglichkeit einzubüßen.

Die weiteren Vorteile: „Der Zugang zur Wirbelsäule erfolgt von der Seite her, sodass kein großer Schnitt am Rücken mehr notwendig ist, der immer mit einer Verletzung der Weichteile einhergeht. Dadurch braucht der Körper auch weniger lange, um sich von der OP zu erholen“, erklärt Münnich. Außerdem erinnert nur eine kleine Narbe an den Eingriff, die selbst von einem Bikini überdeckt werden kann. Was den stationären Aufenthalt betrifft, so ist dieser ebenfalls weitaus kürzer als wenn die Wirbelsäule versteift wird. Denn während die Patienten bei einer Versteifung etwa zwei Wochen im Spital bleiben müssen und es mehrere Monate dauert, bis ihre Wirbelsäule wieder voll belastbar ist, können Patienten wie Katrin die Klinik schon nach etwa einer Woche verlassen. Die Schülerin war übrigens auch bereits nach gut drei Wochen wieder in der Schule. „Derzeit begleiten wir sie zudem mithilfe einer individuell gestalteten Physiotherapie dabei, wieder fit für den Alltag zu werden. Wichtig ist dabei auch, dass Katrin lernt, auf ihren Körper zu hören“, erläutert die betreuende Physiotherapeutin Ute Siebenbrunner.

Nicht für jeden Patienten geeignet

„Bei allen Vorteilen, die das neue Verfahren mitsichbringt, passt es dennoch nicht für jeden Patienten“, macht Saraph aufmerksam. So entscheidet immer ein Spezialist, ob es im Einzelfall angewandt werden kann.
Generell sind weitaus mehr Mädchen von der AIS betroffen. Neun von zehn Patienten sind weiblich und im Durchschnitt sieben bis 14 Jahre alt. Katrin war 13 als ihre Skoliose diagnostiziert wurde. Bis zur OP war’s – wie eingangs beschrieben – ein anstrengender Weg. „Aber heute geht’s mir gut. Ich bin das Korsett los und kann wieder alles machen“, sagt sie mit großer Erleichterung und spricht dem gesamten Team ihren herzlichsten Dank für die tolle Betreuung aus. „Außerdem bin ich jetzt sogar um drei Zentimeter größer als vor der OP“, schmunzelt die Schülerin.

Skolioseambulanz