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Was bringt das Lebendspenderegister? Drei Fragen an Prof. Barbara Suwelack

Seit März sammelt Prof. Barbara Suwelack aus der Sektion Transplantationsnephrologie der Medizinischen Klinik D am UKM gemeinsam mit Kollegen der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie sowie des Instituts für Medizinische Informatik bundesweit Daten zur Nierenlebendspende. Diese bilden die Grundlage für das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte erste systematische deutsche Lebendspenderegister, das Münster federführend errichten wird. Die Nierenlebendspende gilt wegen des Mangels an postmortalen Organangeboten als gute Alter-native. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil Anfang des Jahres allerdings eine bessere Aufklärung der Spender über mögliche Folgen angemahnt.

Frau Prof. Suwelack, die Klage zweier Lebendnierenspender vor dem Bundesgerichtshof rückte zuletzt gesundheitliche Risiken der Nierenlebendspende ins öffentliche Bewusstsein. Ist eine Lebendspende aus Ihrer Sicht immer eine gute Alternative?

Zunächst einmal ist die Nierenlebendspende für Patienten eine Chance, dass – sofern sich eine nahestehende Bezugsperson freiwillig bereit erklärt, eine gesunde Niere zu spenden – sie eher transplantiert werden können und nicht mit jahrelangen Wartezeiten auf der Transplantationswarteliste rechnen müssen. Uns ist es aber besonders wichtig, dass die Sicherheit und die Lebensqualität des Spenders dabei auch garantiert sind. Das heißt: Wir brauchen dringend Daten über den Langzeitverlauf und darüber, wie es den Lebendspendern in der Folge physisch und psychisch geht. Auch noch nach zehn, fünfzehn Jahren mit nur einer Niere. Wir haben in Deutschland bislang kein Transplantations-Register, innerhalb dessen die Daten der Betroffenen gesammelt und ausgewertet werden. Das ist längst überfällig und wir freuen uns, dass sich bundesweit alle Transplantationszentren bereit erklärt haben, ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Wir werden diese auswerten und unsere Schlüsse daraus ziehen.

Wie viel Anlass haben sie aus Ihrer über 20-jährigen Praxis heraus, an der Sicherheit der Nierenlebendspende für den Spender zu zweifeln?

Es gibt Studien aus den USA und aus Norwegen, die nahelegen, dass möglich-erweise die Nierenfunktion der verbleibenden Niere bei den Spendern nach einigen Jahren doch nicht so gut ist, wie man erwartet hätte. In sehr seltenen  Fällen kam es vereinzelt sogar zu Nierenversagen. Das sind natürlich Folgen der Lebendspende, die wir unbedingt vermeiden wollen – im deutschen Gesundheitssystem gibt es aber bisher keine Daten zum langfristigen Outcome beim Spender. Wir wissen zum Beispiel nicht: Wie viele entwickeln tatsächlich einen hohen Blutdruck und eine eingeschränkte Nierenfunktion mit allen gesundheitlichen Konsequenzen? Auf der anderen Seite interessieren uns auch die psychosozialen Faktoren – auf dieser Seite gibt es bislang noch keine systematische Untersuchung und Erfahrungswerte. Deswegen wollen wir ein interdisziplinäres Register erstellen, wo eben nicht nur die medizinischen Variablen untersucht werden, sondern auch psychosoziale Fragen zur Lebensqualität beantwortet werden sollen. Dazu gehört auch die Annahme, dass die Spender im Verlauf von chronischer Müdigkeit, also dem sogenannten Fatigue-Syndrom, betroffen sein könnten. Das hat ja in letzter Zeit ein großes mediales Interesse erlangt. Wir wollen unter anderem genau dieser Frage nachgehen.

Und wenn am Ende des Projekts die Erkenntnis steht, dass eine Lebendnierenspende für den Spender eine nicht unerhebliche Ein-schränkung der Lebensqualität beinhalten kann? Befürchten Sie da nicht, dass die Zahl der freiwilligen Spenden dann erheblich zurückgeht?

Das ist auf alle Fälle ein Risiko. Aber wir wollen schon im Rahmen der Aufklärung vor der freiwilligen Spende alle Risiken genau benennen können – und zwar anhand von fundierten wissenschaftlichen Ergebnissen, die es jetzt eben noch nicht gibt. Denn streng genommen kann nur der, der auf ge-sicherter Basis umfassend informiert ist, am Ende auch guten Gewissens in die Spende einwilligen. Auf der anderen Seite wollen wir natürlich wissen, ob wir vielleicht sogar bestimmte „Risiko-Spender“ von der Spende ausschließen müssen. Wir wollen diese Kriterien herausfinden, um die Spender, die Empfänger und auch die transplantierenden Ärzte zu beraten. Wenn dann am Ende das Ergebnis ist, dass wir dem Spender eher von seiner Spende abraten, dann ist das im Sinne des gesunden Patienten – auch wenn das nicht immer im Sinne des Organempfängers sein mag. Der Spenderschutz sollte Priorität haben. Für den Empfänger gibt es – wenn auch mit langer Wartezeit verbunden – immer noch die Möglichkeit, ein Organ von einem Verstorbenen zu bekommen.

Info:

Das Transplantationszentrum Münster ist das drittgrößte Lebendspende-Zentrum in Deutschland. Im Jahr 2018 wurden hier 33 Lebendnierenspenden durchgeführt. Zum Vergleich dazu waren es 76 Nierentransplantationen post mortem. Das BMBF fördert die Errichtung des Lebendspenderegisters über fünf Jahre mit 2,2 Millionen Euro. Das Deutsche Lebendspenderegister wird nach Ablauf der Förderphase verstetigt und von der Medizinischen Fakultät Münster unterstützt werden.