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Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats des Paul-Ehrlich-Instituts, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, zurQualität und Sicherheit von Impfstoffen
Impfstoffe sind verträglich, sicher und wirksam. Der Einsatz von Impfstoffen befreit uns und unsere Kinder weitgehend von der Bedrohung unserer Gesundheit durch verschiedene Infektionskrankheiten.
Der Wissenschaftliche Beirat des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) begrüßt alle Initiativen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen voranzu-treiben, die Aufklärung darüber zu intensivieren und die Impfraten zu steigern.
Durch die Entwicklung von Impfstoffen und ihren konsequenten Einsatz wurdenInfektionskrankheiten wie beispielsweise die Diphtherie und die Kinderlähmung in Deutschland und vielen anderen Ländern nahezu vollständig zurückgedrängt. Die Ausrottung der Pocken, des Poliovirus Typ 2 und der Rinderpest gelang weltweit. Die sehr gute Wirksamkeit und Effektivität der meisten Impfstoffe führt allerdings dazu, dass viele Infektionserkrankungen nur noch selten auftreten und deren Bedrohlichkeit aus dem Bewusstsein der Menschen geraten ist. Dies führt zu Nachlässigkeit bei der Wahrnehmung der von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen, insbesondere bei Jugendlichen und Erwachsenen. Gerade in diesen Altersgruppen bestehen erhebliche Impflücken. Zudem gibt es sogenannte Impfskeptiker, die sich nicht ausreichend informiert fühlen und öffentlich empfohlene Impfprogramme und zugelassene Impfstoffe teilweise zurückhaltend beurteilen. Eine kleine, aber vernehmliche Gruppe stellen schließlich die Impfgegner dar, die Impfungen aus weltanschaulichen Gründen grundsätzlich ablehnen. Die daraus resultierenden Immunitätslücken in der Bevölkerung bilden den Ausgangspunkt für Ausbrüche wie aktuell der Masern und gefährden zudem Menschen mit hohen Infektionsrisiken wie Schwangere oder immunschwache Patienten. Masern beispielsweise, die viele Menschen immer noch fälschlicherweise für eine harmlose oder sogar für die Entwicklung von Kindern hilfreiche Krankheit halten, breiten sich erneut aus. Masern sind jedoch nicht ungefährlich, sondern können schwere Komplikationen verursachen und auch noch Jahre nach einer scheinbar gut überstandenen akuten Infektion eine immer tödlich verlaufende entzündliche Zerstörung des Gehirns nach sich ziehen. Dies ist umso bedrückender, als heute sehr gute, wirksame und verträgliche Masern-Impfstoffe zur Verfügung stehen.
Impfstoffe gegen Masern werden weltweit seit vielen Jahrzehnten erfolgreich angewendet. In Deutschland wird die Masernimpfung seit 1973 von der STIKO empfohlen. Die Wirksamkeit der Masernimpfung wird eindrucksvoll in der nachfolgenden Abbildung belegt, in der die jährlichen Masernfälle (in Tausend) in den USA ab dem Jahr 1950 verzeichnet sind. Innerhalb weniger Jahre nach Einführung der Masernimpfung in den USA (Pfeil) kam es zu einem drastischen Rückgang der Erkrankungsfälle.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die durch den Einsatz von Masernimpfstoffenweltweit geretteten Menschenleben auf jährlich über 1,2 Millionen berechnet (Ref. 1). Andererseits versterben nach Angaben der WHO infolge der Masern jedes Jahr immer noch mehr als 100.000 Kinder. Aus diesem Grund ist die Ausrottung der Masern ein sehr wichtiges solidarisches Ziel der Weltgemeinschaft, zu dem sich auch Deutschland mit Nachdruck bekennt.
Die in Deutschland zugelassenen Masernimpfstoffe sind sehr sicher in der Anwendung. Das belegt auch eine vom PEI durchgeführte Studie: Dafür hat das PEI alle in den Jahren 2001 bis 2012 gemeldeten Verdachtsmeldungen zu Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen nach Impfung mit Masern-Mono- oder Masern-Kombinationsimpfstoffen erfasst und bewertet. Die Ergebnisse wurden im Bundesgesundheitsblatt veröffentlicht (Ref. 2). Ausnahmslos die bekannten und in der Gebrauchsinformation gelisteten Nebenwirkungen wie Fieber, Fieberkrampf oder Lokalreaktionen wurden hier in einer im Vergleich zu den verimpften Dosenzahlen geringen Anzahl verzeichnet. Anzeichen auf neue, bisher nicht aufgeführte Nebenwirkungen gab es nicht. Die Auswertung bestätigt die uneingeschränkt positive Nutzen-Risiko-Bilanz der Impfstoffe und das mindestens 1000-fach geringere Risiko schwerer Nebenwirkungen im Vergleich zu den Masern. Die vorübergehenden Nebenwirkungen einer Masernimpfung sind somit, gemessen an den relativ häufigen Komplikationen einer Maserninfektion, akzeptabel.
Bevor ein Impfstoff auf den Markt kommt, muss er ein umfassendes durchlaufen, entweder in Deutschland (nationale Zulassung durch das PEI) oder unter Mitwirkung des PEI bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA (zentrale europäische Zulassung durch die EU-Kommission). Zwingende Voraussetzung sind eine konsistente Herstellung, eine hohe Qualität und klinische Prüfungen in drei Phasen. Im Rahmen großer Zulassungsstudien der Phase III wird an mehreren tausend, manchmal mehreren zehntausend Teilnehmern nach deren informierten Zustimmung die Wirksamkeit und die Verträglichkeit/Sicherheit untersucht. Nur wenn der Nutzen eindeutig die Risiken überwiegt,wird ein neuer Impfstoff die Zulassung erhalten.
Auch nach der Zulassung werden Impfstoffe weiter kontrolliert. Dazu dient zunächst die staatliche Chargenprüfung, entweder durch das PEI oder durch eines der anderen europäischen Kontrolllabore (Official Medicines Control Laboratories, OMCLs) , gefolgt von der staatlichen Chargenfreigabe für Deutschland durch das PEI. Das Arzneimittelüberwachungssystem stellt eine weitere wichtige Sicherheitseinrichtung dar. Das PEI erfasst und bewertet alle gemeldeten Verdachtsfälle von Impfstoff-Nebenwirkungen und Impfkomplikationen. Ziel ist es, potenzielle Risikosignale, beispielsweise für sehr seltene Nebenwirkungen mit weniger als einem Fall unter 10.000 Geimpften, möglichst frühzeitig zu erkennen und international abzugleichen, um gegebenenfalls sehr frühzeitig Maßnahmen zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren ergreifen zu können, etwa den Widerruf der Zulassung. Die Impfstoffhersteller sind nach dem Arzneimittelgesetz verpflichtet, alle Verdachtsfälle zu melden, Angehörige der Heilberufe folgen ihren gesetzlichen Meldeverpflichtungen nach dem Infektionsschutzgesetz und der ärztlichen Berufsordnung. Seit Ende 2012 können auch Betroffene bzw. deren Angehörige Verdachtsfallmeldungenselbst online vornehmen, wofürein benutzerfreundliches Meldeportal auf der Internetseite des PEI (www.pei.de/impfen) zur Verfügung steht.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist die Herstellung von Impfstoffen weiter modernisiert worden. So sind heute die meisten Impfstoffe inaktivierte Impfstoffe, die nur noch Teile der Krankheitserreger enthalten. Waren bis Mitte der 90er Jahre allein im Impfstoff gegen Keuchhusten ca. 3.000 Antigene enthalten, so liegt heute die Gesamtzahl der verabreichtenAntigene für die Grundimmunisierung mit sämtlichen Standardimpfungen der STIKO unter 200. Ebenso gibt es einen Trend zu immer höher gereinigten, dafür aber adjuvantierten Impfantigenen und der Verwendung von Impfstoffen mit lebend-attenuierten Impfviren, um eine möglichst umfassende Immunantwort im Geimpften zu induzieren. Aufgrund der Umstellung auf Einzeldosenbehältnisse (Fertigspritzen) sind Konservierungsmittel wie Thiomersal, die in Mehrdosenbehältnissen verwendet werden mussten, inzwischen nicht mehr in Impfstoffen enthalten.
Hilfsstoffe wie Wirkverstärker (Adjuvanzien) in inaktivierten Impfstoffen dienen der Verbesserung der Immunantwort und der Wirksamkeit und können so helfen, die Antigendosis oder die Zahl der erforderlichen Impfungen für einen vollständigen Schutz zu reduzieren.
Jährlich veröffentlicht das PEI im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit (www.pei.de/bulletin-sicherheit) die Daten aus dem Überwachungssystem der Impfstoffe aus dem jeweils vorvergangenen Jahr. Dabei zeigt sich, dass schwerwiegende Impfkomplikationen eine absolute Rarität darstellen und Impfstoffe im Allgemeinen sehr gut vertragen werden und sicher sind.
Wir leben in den Industrieländern in Zeiten, in denen viele Infektionskrankheiten weitgehend zurückgedrängt sind und daher bei den Bürgerinnen und Bürgern ihren Schrecken verloren haben. Andererseits existieren gegen zahlreiche Infektionserreger nach wie vor keine Impfstoffe, und die weltweite Krankheitslast durch Infektionserreger ist unvermindert groß. Der derzeit eingesetzte, erfolgversprechende Impfstoff gegen Ebolaviren zeigt, dass die Entwicklung neuer Impfstoffe ein wichtiges und lohnendes Ziel bleibt. Sichere und wirksame Impfstoffe dienen dabei nicht nur dem Schutz des Einzelnen, sondern leisten einen Beitrag zum solidarischen Gesundheitsschutz in der ganzen Welt. Infektionserreger kennen keine Grenzen.
Ref. 1:Morbidity and Mortality Weekly Report vom 7.2.2014, vol.63, no.5
Ref. 2: Mentzer et al., Bundesgesundheitsblatt 9/2013, 56:1253-1259Stand: 27.05.2019