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Umfrage zur Situation von Krankenhausapothekern: „Wir benötigen mehr Daten über die Arbeit auf Intensivstationen“
„Wir benötigen mehr Apotheker auf den Intensivstationen!“ Das fordert Heike Hilgarth, Apothekerin und Arzneimittelexpertin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Im internationalen Vergleich sind in Deutschland relativ wenig Apotheker in Krankenhäusern beschäftigt. Dabei könne ein Stationsapotheker für mehr Sicherheit bei der Patiententherapie sorgen.
Um die Situation der Krankenhausapotheker in Deutschland erstmals valide darzustellen, startet Heike Hilgarth jetzt zusammen mit der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und dem Bundesverband deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) eine Umfrage unter den ärztlichen Leitern der Intensivstationen in deutschen Kliniken. Im Interview spricht die Apothekerin über die Ziele und die Bedeutung der Umfrage, bessere Behandlungsansätze sowie die fachliche Unterstützung für Chef- und Oberärzte.
Frau Hilgarth, Sie machen eine Umfrage auf Intensivstationen in deutschen Kliniken zu Apothekern. Warum?
In internationalen Untersuchungen haben Apotheker gezeigt, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Arzneimitteltherapie- und Patientensicherheit und dies insbesondere bei Intensivpatienten leisten können. Diese bekommen sehr viele Medikamente verordnet, haben häufig Organinsuffizienzen – befinden sich also insgesamt in einer sehr schwierigen Situation. Apotheker können durch Bereitstellung von Information und Vermeidung von unerwünschten Ereignissen nachweislich zum Behandlungserfolg beitragen. Ziel ist es, den Grad der Stationstätigkeit von Apothekern in Deutschland mit dieser repräsentativen Umfrage zu erfassen.
Worum geht es in Ihrer Umfrage konkret?
In der Umfrage wollen wir feststellen, inwiefern in Deutschland Apotheker Bestandteil des interprofessionellen Teams der Intensivstation sind und welche Aufgaben sie übernehmen. Falls noch kein Apotheker im Team ist, wollen wir von den ärztlichen Leitern der Intensivstationen wissen, in welchen Bereichen sich die Kliniker eine Unterstützung durch Stationsapotheker wünschen.
Warum befragen Sie insbesondere die ärztlichen Leiter der Intensivstationen?
Natürlich wollen wir mehr Apotheker auf den Stationen sehen und richten uns daher direkt an die Verantwortlichen. Es gibt ausreichend Evidenz für die Vorteile, einen Apotheker auf der Intensivstation zu beschäftigen. Auch Chefärzte können sich sicher an immer wieder auftretende Fragen und Probleme im Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapie erinnern. Apotheker auf der Station vermitteln Wissen zur Arzneimitteltherapie, beraten zu individuellen Therapiekonzepten und gewährleisten so eine gesicherte Qualität in der Arzneimittelverordnung.
Warum gab es bisher so eine Erhebung noch nicht?
Die Klinische Pharmazie hat sich in Deutschland erst in den vergangenen fünfzehn Jahren deutlich weiterentwickelt. Das Studium legt heute einen größeren Fokus auf die Klinische Pharmazie und vermittelt so wichtige Inhalte für die Arbeit auf der Station. Immer mehr Apotheker sind in den vergangenen Jahren schon auf den Stationen in Deutschland tätig geworden. Diese Entwicklung wollen wir mit den Daten aus der Erhebung unterstützen. Wir benötigen insgesamt mehr Daten über die Arbeit von Apothekern auf Intensivstationen.
Welchen Vorteil hat ein Patient konkret von mehr Apothekern auf den Stationen?
Nachgewiesenermaßen gibt es umfangreiche Studien, die untersucht haben, dass die Patientensicherheit dadurch steigt. Heißt: Sie haben weniger Nebenwirkungen, weniger Medikamenteninteraktionen, sie kriegen die richtige Dosierung angepasst an ihre Organinsuffizienz, die sie vielleicht haben. Wir helfen bei der Medikationsanamnese der Patienten, wir beraten die Ärzte bei der Therapieentscheidung, wir sind für die Pflege da hinsichtlich der Applikation der Medikamente und wir sind für die Arzneimittelinformation zuständig. Insgesamt stellt das eine Optimierung der Therapie für den Patienten dar. Unsere Leistungen sind also ein Gewinn für alle Seiten: Patient, Arzt und Pflege.
Was glauben Sie, wie viel Apotheker in deutschen Kliniken benötigt werden?
Wir wissen aus internationalen Vergleichen, dass wir sehr wenig Apotheker einsetzen: Hierzulande sind es 0,4 Apotheker pro 100 Betten. In Großbritannien sind es zum Beispiel 4,5 Apotheker pro 100 Betten.
Warum schneiden wir hierzulande so schlecht ab?
Die Finanzierung von zusätzlichen Stellen ist oft komplex. Ein wichtiger Schritt stellt die Änderung des Krankenhausgesetzes in Niedersachsen dar. Demnach müssen Stationsapotheker in allen Krankenhäusern beschäftigt werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Risikobereichen. Auch müssen wir Apotheker im Team Verantwortung für die individuelle Arzneimitteltherapie der Patienten auf den Stationen übernehmen.
Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. (DIVI)
Die 1977 gegründete Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) ist ein weltweit einzigartiger Zusammenschluss von mehr als 2.500 persönlichen Mitgliedern und entsprechenden Fachgesellschaften. Ihre fächer- und berufsübergreifende Zusammenarbeit und ihr Wissensaustausch machen im Alltag den Erfolg der Intensiv- und Notfallmedizin aus.
Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24.12.1953 und ist damit ein nicht-wirtschaftlicher Verein gemäß § 21 ff BGB.
Mehr über die DIVI im Internet: www.divi.de