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Neuer Schlüssel zu einer guten Struktur
Mit Röntgen- und Neutronenstrahlen können Wissenschaftler molekulare Strukturen von Proteinen entschlüsseln. Für die Analyse der dabei anfallenden Daten entwickeln Forscher der Universität Würzburg eine neue Software.
Seit über 50 Jahren ist die Röntgenkristallographie die wichtigste Methode zur Bestimmung von dreidimensionalen Strukturen biologischer Makromoleküle. Diese Methode revolutionierte die Biochemie, indem sie ein neues grundlegendes Verständnis der chemischen Abläufe in lebenden Zellen ermöglichte. Anhand von Molekülstrukturen gelingt es Forschern, neue Arzneimittel und Impfstoffe zu entwickeln.
Ein dreidimensionales Modell der chemischen Struktur
Um ein Strukturmodell zu erhalten, wird ein Kristall, beispielsweise aus DNA, mit Röntgen- oder Neutronenstrahlung beschossen, und die gebeugten Strahlen werden mit einem Detektor gemessen. Mit diesen Messdaten wird ein dreidimensionales Modell der chemischen Struktur konstruiert, welches die gemessenen Daten möglichst genau erklären soll. Die Qualität der Röntgen- oder Neutronenbeugungsdaten ist konsequenterweise zusammen mit dem grundlegenden chemischen Wissen, mit dem die Molekülstruktur modelliert wird, der Schlüssel zu einer guten Struktur und allen Erkenntnissen, die mit dem neu entdeckten Molekül generiert werden können.
In den vergangenen Jahren wurden in Deutschland und Europa große Summen in diese Technologie investiert, unter Anderem für den 3,4 Kilometer langen Röntgenlaser European XFEL in Hamburg. Diese Innovationen haben die Messgeschwindigkeit und die Anzahl an gemessenen Datensätzen enorm erhöht. „Für eine volle Ausnutzung dieser Datenflut wird allerdings auch eine zuverlässige automatische Analyse benötigt, die Nutzern ein direktes Feedback zur Messung gibt“, betont Dr. Andrea Thorn.
Neue Software hilft, die Messungen zu optimieren
Um dieses Problem zu lösen, entwickelt die junge Gruppenleiterin in der Forschungsgruppe von Professor Hermann Schindelin am Rudolf-Virchow-Zentrum für Experimentelle Biomedizin der Universität Würzburg derzeit eine neue Software namens AUSPEX, die Kristallographen hilft, ihre Messung und die Prozessierung der Daten zu optimieren.
Im Mai dieses Jahres bewilligte das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine Förderung für dieses Vorhaben, die es der Wissenschaftlerin erlaubt, für dieses Projekt vier große europäische Teilchenbeschleuniger zusammenzubringen: den Europäischen Röntgenlaser XFEL in Hamburg, das BESSY-Synchrotron in Berlin und die Europäische Synchrotron in Grenoble (Frankreich) sowie die Europäische Neutronenquelle ESS, die derzeit in Lund (Schweden) gebaut wird. Mit AUSPEX werden neue Qualitätsstandards für die an Großanalysegeräten gewonnene Daten gesetzt.
In einem zweiten, seit Juni 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt, schließt Thorn die Lücken im fundamentalen Verständnis makromolekularer Kristalle, um so die Modelle, mit denen Protein- und RNA/DNA-Strukturen gebaut werden, zu verbessern.
Ein besseres Modell und mehr Informationen
„Mit einem besseren Verständnis der zugrunde liegenden Prinzipien können wir experimentelle Daten besser interpretieren“, sagt Thorn. „Wir können die Aufklärung neuer Strukturen angehen, die bisher an der Qualität der Daten und unseren Modellen gescheitert ist. Mit einem besseren Modell könnten wir auch die über 100.000 bisher bekannten biologischen Struktur optimieren – um so auch mehr medizinische und biologische Informationen zu erhalten.“
Nach Einschätzung der Strukturbiologin werden es die neue Molekülmodelle und eine höhere Qualität bei den Messdaten Wissenschaftlern erlauben, den Informationsgehalt der Messungen besser auszuschöpfen. Dies wird es nicht nur ermöglichen, schwierigere medizinische und biologische Fragestellungen zu klären, sondern auch Downstream-Methoden wie die Molekulardynamik und das strukturbasierte Wirkstoffdesign nachhaltig zu verbessern.
Ein erster Prototyp der AUSPEX-Software ist bereits auf dem Server des Rudolf-Virchow-Zentrums unter www.auspex.de verfügbar. Die fertige Software soll zudem Nutzerinnen und Nutzer europäischer Forschungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden.
Die Projekte
„New Diagnostics for Macromolecular Structure Determination at Large Facilities: AUSPEX”. Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 450.000 Euro.
„Towards a better understanding of macromolecular X-ray structures“. Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit knapp 495.000 Euro.
Die Beteiligten
Dr. Andrea Thorn ist Junior Gruppenleiterin in der Forschungsgruppe von Professor Hermann Schindelin am Rudolf-Virchow-Zentrum für Experimentelle Biomedizin der Universität Würzburg.
Hermann Schindelin ist Professor für Strukturbiologie und Biochemie und leitet seit dem Jahr 2006 eine Forschungsgruppe am Rudolf-Virchow-Zentrum für Experimentelle Biomedizin der Universität Würzburg.