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Passauer Forscher erarbeiten Rechtsrahmen für Forschung und Therapien mit genomeditierten Gehirnzellen

Was darf die Wissenschaft, was darf die Medizin? Unser Erbgut lässt sich gezielt im Labor verändern. Die Techniken der Genomeditierung, als deren vielversprechendste derzeit die CRISPR/Cas-Technik gilt, bilden einen zentralen Schlüssel zur Therapie und Erforschung bisher nicht oder schwer therapierbarer Erkrankungen – aber auch ein Feld, auf dem noch zahlreiche wissenschaftliche, ethische und rechtliche Fragen zu beantworten sind.

In Passau erarbeitet ein Expertenteam um Prof. Dr. Hans-Georg Dederer (Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht) im Rahmen des Bayerischen Forschungsverbunds „Interaktion von humanen Gehirnzellen“ (ForInter) Antworten auf die Frage, was die Medizin in Forschung und Anwendung mit genomeditierten Gehirnzellen und daraus geformten Gehirnorganoiden machen darf – und was nicht.

Als „Gehirnorganoide“ oder auch „Mini-Brains“ werden kleine, z. B. aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSZ) im Labor gezüchtete, dreidimensionale Zellverbände bezeichnet, die dem neuronalen Gewebe des menschlichen Gehirns sehr ähnlich sind. An ihren Strukturen und der Interaktion ihrer Zellen lassen sich etwa Erkrankungen des Gehirns grundlegend erforschen. Welche bestehenden Gesetze setzen den Rahmen für dieses Forschungsfeld? Wo fehlen Bestimmungen zur Regulierung therapeutischer Anwendungen? Muss ein Gehirnorganoid rechtlich geschützt werden – und wenn ja, in welchem Umfang?

„Ziel unseres Vorhabens ist es, den Rechtsrahmen für gegenwärtige und zukünftig denkbare Szenarien der Forschung an aus genomeditierten iPSZ generierten Gehirnzellen und deren therapeutischer Verwendung zu analysieren und Vorschläge zur Anpassung des rechtlichen Rahmens unter Einbeziehung ethischer Aspekte zu erarbeiten“, fasst Projektleiter Hans-Georg Dederer zusammen.

„Wir zeigen überdies den für kombinierte Zell- und Gentherapien anwendbaren Rechtsrahmen im Hinblick auf die zukünftig mögliche Transplantation genomeditierter Gehirnzellen auf“, ergänzt David Hamburger vom Forscherteam. Dabei werden auch datenschutzrechtliche Problemstellungen im Zusammenhang mit genetischen und epigenetischen Datenanalysen zu behandeln sein. Ergänzend soll ein Einblick in ausländische Rechtsordnungen ebenso genommen werden wie in einschlägige im In- und Ausland geführte ethische Diskurse, insbesondere zum „Status“ von Gehirnorganoiden.
Im therapeutischen Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach dem „Enhancement“, d.h. nach Maßnahmen, die nicht medizinisch indiziert, sondern über die Erfordernisse der reinen Therapie hinausgehend auf Verbesserung angelegt sind. „Neben der genauen Abgrenzung zur Therapie geht es hier um die Prüfung kategorialer ethisch-rechtlicher Einwände“, erläutert Doktorand Hannes Wolff.

Über ForInter
Das Passauer Projekt ist Teil des Bayerischen Forschungsverbunds „Interaktion von humanen Gehirnzellen“ (ForInter). Der Verbund hat zum Ziel, die Interaktion verschiedener Zelltypen des menschlichen Gehirns in multidimensionalen Zellkultursystemen zu untersuchen. ForInter vereint Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Fachbereichen Stammzellbiologie, Biochemie und Molekulare Neurologie (FAU Erlangen-Nürnberg), Neuropathologie (Universität Regensburg), Biomedizin (LMU München), Bioinformatik (TU München) und Ethik und Recht (Universität Passau) interdisziplinär zusammen.
Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst fördert ForInter mit einem Budget von vier Millionen Euro über eine Laufzeit von vier Jahren.

Weitere Informationen:

http://www.bayfor.org/forinter