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Blut ist nicht nur dicker als Wasser, es fließt auch anders: Verbund erforscht Strömungseigenschaften von Blut
Die Art und Weise, wie Blut durch die Gefäße strömt, spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Allerdings sind die physikalischen Grundlagen des Blutstroms kaum bekannt. Blut ist heterogener als Wasser ist und wird von einer Pumpe, dem Herzen, angetrieben, es pulsiert. Bisherige Experimente basieren aber in der Regel auf Wasser, das sich gleichförmig bewegt. Ein interdisziplinäres Team aus Physik, Ingenieurwissenschaften und Medizin mehrerer Universitäten wollen diese Wissenslücke schließen. Gemeinsam arbeiten sie in der neu eingerichteten Forschungsgruppe „Instabilitäten, Bifurkationen und Migration in pulsierender Strömung“ an diesem Ziel.
Es sind Krankheiten, die viele Menschen betreffen und an denen auch viele Menschen sterben: Ablagerungen in den Blutgefäßen, Thrombosen und ähnliche Leiden, bei denen sich Feststoffe im Blutkreislauf ablagern und den Blutfluss behindern, so dass am Ende das Herz-Kreislauf-System zusammenbricht. Diese Ablagerungen entstehen unter anderem dort, wo das Blut nicht mehr ideal strömen kann. Genaue Kenntnis des Strömungsverhaltens von Blut könnte also dabei helfen, die Ursachen dieser Krankheiten besser zu verstehen – und mittelfristig auch, diese Krankheiten zu vermeiden oder effektiver zu therapieren.
Doch die Grundlagen der Strömungsphysik von Blut und weiteren ähnlichen komplexen Flüssigkeiten, die überdies von einer Pumpe angetrieben werden, sind weitestgehend unerforscht. Nicht nur im menschlichen Körper, sondern auch in der Industrie fließen Flüssigkeiten nicht gleichförmig durch ein einfaches Röhrensystem. In den allermeisten Fällen pulsieren sie in einem bestimmten Takt. Vereinfacht gesagt: Sie sind mal langsamer (wenn die Pumpe gerade nicht pumpt) und mal schneller (wenn sie pumpt), und überdies bilden sich oft Verwirbelungen und Turbulenzen entstehen. Fließt zudem etwas Anderes als Wasser durch die Leitungen, also etwa Blut oder z.B. Dispersionsfareben, und ist das Röhrensystem, durch das diese Flüssigkeiten strömen, so komplex wie zum Beispiel das Blutgefäßsystem, werden Simulationen dieser Strömungen zu einer hochkomplizierten Angelegenheit.
Dieser Herausforderung möchten sich die Physikerinnen und Physiker in der Forschungsgruppe „Instabilitäten, Bifurkationen und Migration in pulsierender Strömung“ nun stellen. In den kommenden Jahren erforschen sie unter der Federführung von Professor Christian Wagner, nach welchen Gesetzmäßigkeiten komplexe Flüssigkeiten durch solche Leitungssysteme fließen. „Wir möchten am Ende vor allem eine möglichst genaue theoretische Beschreibung dieser Instabilitäten in Blutströmungen erhalten“, erklärt der Sprecher der Forschergruppe von der Universität des Saarlandes. Die Erkenntnisse werden dringend benötigt. „Denn experimentell sind bisher fast nur gleichmäßige Strömungen erforscht“, so der Experimentalphysiker Wagner weiter.
„Wir werden den Einfluss eines pulsierenden Antriebs beginnend mit dem einfachsten System, also Wasser, studieren. Darauf aufbauend wird die Komplexität der Flüssigkeit erhöht, bis hin zur Zusammensetzung von Blut. Neben geraden Röhren werden wir verschiedene Strömungsgeometrien wie zum Beispiel Krümmungen sowie den Einfluss elastischer Wände studieren“, erläutert Christian Wagner das geplante Vorgehen der Forschungsgruppe. Am Ende der ersten Förderperiode von drei Jahren möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Grundlagen für ein tragfähiges theoretisches Modell für das Strömungsverhalten von Blut und ähnlichen Flüssigkeiten erarbeitet haben. Falls die DFG beschließt, die Forschungsgruppe in einer weiteren dreijährigen Periode zu fördern, könnten Christian Wagner und seine Kolleginnen und Kollegen die Erkenntnisse zu einem vollständigen physikalischen Modell der Blutströmung ausbauen.
Die Forschungsgruppe FOR 2668 „Instabilitäten, Bifurkationen und Migration in pulsierender Strömung“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ab August 2019 für drei Jahre mit rund 2,4 Millionen Euro gefördert. 700.000 Euro davon erhält die Universität des Saarlandes (Sprecherhochschule). Weitere Partner im Verbund sind die Universitäten Bremen, und Bayreuth sowie das Helmholtz-Institut Nürnburg-Erlangen, das IST in Klosterneuburg bei Wien und die eidgenössische Forschungsanstalt WSL in Zürich.