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Nanodiamanten im Gehirn
Die Aufnahme von Bildern des menschlichen Gehirns sowie dessen Therapie bei neurodegenerativen Erkrankungen ist in der aktuellen medizinischen Forschung noch immer eine große Herausforderung. Die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, eine Art Filtersystem des Körpers zwischen Blutkreislauf und dem Zentralen Nervensystem, erschwert die Zuführung von Medikamenten oder Kontrastmitteln, die eine Therapie und Bildaufnahme erlauben würden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung haben nun winzig kleine Diamanten, sogenannte Nanodiamanten, hergestellt, die als Plattform sowohl für Therapie als auch Diagnose von Erkrankungen des Gehirns dienen könnten.
Die Blut-Hirn-Schranke ist eine physiologische Grenzschicht, die hochselektiv arbeitet und das Gehirn hiermit schützt: Zum einen werden Krankheitserreger oder Gifte effektiv am Eindringen in das Gehirn gehindert, zum anderen können jedoch benötigte Boten- und Nährstoffe sie ungehindert passieren. Diese Selektivität macht es für Mediziner schwierig, das Gehirn zu untersuchen oder zu behandeln, da Medikamente oder auch kontrastgebende Mittel für bildgebende Verfahren die Barriere nicht überwinden können.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Jana Hedrich, Prof. Dr. Heiko Luhmann und Prof. Dr. Tanja Weil haben nun in Kooperation mit der Universität Ulm sowie der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz ein auf Nanodiamanten basierendes System auf ihre Eignung als Diagnose- und Therapieverfahren hin untersucht.
Nano-Diamanten mit einer Größe im Bereich eines millionstel Meters haben den Vorteil einer hohen Biokompatibilität: Sie sind für den Körper nicht abbaubar, sollten gut vertragen werden und eignen sich somit potentiell sowohl für Diagnose- wie auch Therapiezwecke. Für ihre Forschung haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Diamanten auf zwei Weisen verändert: Eine Beschichtung mit einem Biopolymer, basierend auf dem häufigsten Protein des menschlichen Blutes „Serum Albumin“, ermöglicht die Aufnahme in das Gehirn und erlaubt es später, Medikamente mit dem Diamanten zu verbinden. „Diamanten sind chemisch nicht reaktiv – das heißt Medikamentenmoleküle anzubinden ist schwierig“, so Jana Hedrich und Tanja Weil. „Mit der Albumin-Beschichtung haben wir die Möglichkeit, eine stabile Beschichtung zu erzeugen und fast beliebige Medikamente daran anzubinden“.
Als weitere Modifikation wurde in den Diamanten gezielt ein Defekt eingebaut, indem ein Kohlenstoff-Atom in dem aus Kohlenstoff bestehenden Diamanten durch ein Stickstoff-Atom ausgetauscht wurde. Weiterhin befindet sich direkt neben diesem Stickstoff eine Leerstelle im Kristall. „Ein Diamant ist normalerweise sehr klar und im Idealfall lupenrein – Licht kann also einfach hindurchgehen“, erläutert Hedrich. „Indem wir nun gezielte Änderungen in der Gitterstruktur vornehmen, erzeugen wir Defekte, die es uns erlauben, den Diamanten durch Laserstrahlen oder auch durch Magnetresonanztomographen nachzuweisen: Er leuchtet sozusagen“. Auf diese Art und Weise können die Forscherinnen und Forscher den Diamanten auch zu Diagnosezwecken einsetzen.
In ihrer neuesten Veröffentlichung haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun sowohl im Reagenzglas wie auch an Mäusen getestet, in wieweit das geschaffene Diamanten-Albumin-System die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Sie konnten einen effektiven Transport der Diamanten in das Gehirn nachweisen, ohne dass dabei die Blut-Hirn-Schranke selbst angegriffen wurde.
Das neu entwickelte System hat den Vorteil, dass es an die zu behandelnde Person angepasst werden kann und so eine hochindividuelle Diagnostik und Therapie erlauben könnte. So könnte eine Modifikation der Oberfläche der Diamanten dafür sorgen, dass nur bestimmte Zelltypen im Gehirn mit Medikamenten versorgt werden und so z. B. Tumore gezielt therapiert werden könnten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen in ihrem System einen wichtigen Schritt in Richtung der Diagnose sowie Behandlung von Erkrankungen des Gehirns, wie neurodegenerativer Erkrankungen oder auch Hirntumore. Mit ihrer Kombination von leuchtenden Diamanten mit verträglichen Biopolymeren haben sie zum ersten Mal ein System entwickelt, welches die Vorteile einer hohen Biokompatibilität, einer langen Stabilität, einer einfachen Kombination mit verschiedenen Medikamenten sowie einer Nachweismöglichkeit durch medizinische Verfahren vereint.
Ihre Ergebnisse haben sie nun in der renommierten Fachzeitschrift „SMALL“ veröffentlicht.
Originalpublikation:
Unraveling In Vivo Brain Transport of Protein‐Coated Fluorescent Nanodiamonds
https://doi.org/10.1002/smll.201902992