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Mit Herzdruckmassage zurück ins Leben: Warum auch ohne zusätzliche Beatmung?

Vereinfachung der Laien-Reanimation für mehr Laien-Reanimationen. Herzstiftung empfiehlt alleinige Herzdruckmassage ohne Atemspende / Woche der Wiederbelebung

Der plötzliche Herztod ist die Folge eines akuten Herz-Kreislaufversagens. Allein in Deutschland erleiden ihn Jahr für Jahr etwa 65.000 Personen, 60.000 Menschen sterben daran. Nur fünf bis zehn Prozent der Wiederbelebungsversuche sind erfolgreich. Warum so wenige? „Die Überlebenswahrscheinlichkeit einer Person mit Herz-Kreislaufversagen hängt ganz wesentlich davon ab, wie frühzeitig und entschlossen die Zeugen eines Kreislaufzusammenbruchs – meistens medizinische Laien – die Wiederbelebung durchführen“, betont der Notfallmediziner und Herzspezialist Prof. Dr. med. Dietrich Andresen, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Bei einem Herz-Kreislaufstillstand sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit für den Patienten pro Minute um etwa zehn Prozent. „Ein extrem kurzes Zeitfenster für eine erfolgreiche Reanimation. Rufen Ersthelfer den Rettungsdienst über die 112, warten dann aber dessen Eintreffen ab, ohne in der Zwischenzeit eine Herzdruckmassage durchzuführen, bedeutet das für den Patienten nach wenigen Minuten den Tod oder schwerste bleibende Hirnschädigungen“, warnt der Kardiologe und betont: „Wer aber sofort nach Absetzen des Notrufs 112 die Herzdruckmassage durchführt, kann so das Leben eines Menschen retten.“ Über die Schritte der Laien-Reanimation informiert die Herzstiftung kostenfrei unter www.dhs.tips/herznotfall oder unter www.herzstiftung.de/video/reanimation

Zusätzliche Atemspende überfordert viele Ersthelfer
Häufiger Grund für das Nichtstun von Ersthelfern ist die zusätzliche Atemspende, wie Prof. Andresen aus eigenen Untersuchungen gemeinsam mit der Berliner Feuerwehr weiß. Viele Ersthelfer lähmt im Ausnahmezustand die Komplexität, neben der Herzdruckmassage zusätzlich die Atemspende anwenden zu müssen. „Immer wieder berichten Zeugen eines Herz-Kreislaufstillstands, sie waren so aufgeregt und gerade zu ,kopflos‘, dass sie nicht wussten, wie sie die Mund-zu-Mund-Beatmung einsetzen sollten: im Verhältnis 15:2 oder 30:2? Um nichts falsch zu machen, haben sie dann lieber gar nichts unternommen“, berichtet der Klinikdirektor für Kardiologie am Ev. Hubertus- und Martin-Luther-Krankenhaus Berlin.

Das sind die Schritte der Laien-Reanimation: Prüfen, Rufen, Drücken
Die Wiederbelebung durch Laien besteht aus den folgenden einfachen Schritten:
1. Zuerst prüft man die Bewusstlosigkeit der kollabierten Person („Prüfen“), indem man sie anspricht („Hallo, hallo, wie heißen Sie, was ist passiert?“) und sie kräftig an beiden Schultern fasst und schüttelt. Für die anschließende Prüfung der Atmung überstreckt man den Kopf der bewusstlosen Person und hört und fühlt, ob sie atmet (Schnappatmung und Röcheln keine normale Atmung, sondern typisch für erste Phase des Herzstillstandes).
2. Dann setzt der Ersthelfer den Notruf (112) für den Rettungsdienst („Rufen“) ab. Dabei laut und deutlich den eigenen Namen, genauen Standort und was passiert ist nennen. Möglichst alle Fragen der Notrufzentrale beantworten.
3. Die Herzdruckmassage ohne Atemspende („Drücken“) ist die zentrale Erstmaßnahme: Im Knien neben der bewusstlosen Person, egal ob rechts oder links, wird ein Handballen auf die Mitte des Brustkorbs gesetzt und die zweite Hand auf den Handrücken der ersten platziert. Mit gestreckten Armen drückt man das Brustbein tief (5 bis maximal 6 cm) und schnell (100- bis 120-mal pro Minute) in Richtung Wirbelsäule – zum Beispiel im Takt des Hits “Stayin’ Alive” von den Bee Gees. Das tut man ohne Unterbrechung solange, bis der Rettungsdienst eintrifft und die notfallmedizinische Versorgung übernimmt.
Sind zwei Helfer bei der bewusstlosen Person und ist bekannt, wo in der Nähe ein AED (Automatisierter Externer Defibrillator) ist, kann einer der beiden den AED holen, während der andere die Herzdruckmassage ohne Unterbrechung fortsetzt.

Diese lebensrettenden Wiederbelebungsmaßnahmen führen in Deutschland leider nur etwa 40 Prozent der Ersthelfer durch. „Es müssen und könnten noch viel mehr sein, was andere Länder wie Schweden oder die Niederlande belegen“, so Prof. Andresen. „Wir müssen die Laien-Reanimation so vereinfachen, dass sie jeder sofort ohne Zögern anwenden kann.“ Deshalb empfiehlt die Deutsche Herzstiftung Laien ausdrücklich, die Herzdruckmassage nicht durch die zusätzliche Mund-zu-Mund-Beatmung zu unterbrechen.

Warum keine Beatmung?
Mehrere wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass eine Unterbrechung der Herzdruckmassage z. B. durch Mund-zu-Mund-Beatmung ungünstig ist. In Schweden konnte gezeigt werden, dass sich viel mehr Menschen trauen, eine Wiederbelebung durchzuführen, wenn die Richtlinien einfach und leicht anwendbar sind: In Schweden ist die Anzahl der Reanimationen mit Herzdruckmassage, aber ohne Mund-zu-Mund-Beatmung, von 5,4 % (im Jahr 2000) auf 30,1 % (im Jahr 2017) gestiegen (1). Im gleichen Zeitraum sank die Anzahl der Patienten, die nicht reanimiert wurden, von 59 % auf 32 %. Eine Mund-zu-Mund-Beatmung sollte deshalb nur von Personen angewendet werden, die auch regelmäßig geschult sind und die einzelnen Schritte sicher beherrschen, so die Empfehlung der Herzstiftung. Eine einmalige Schulung reicht dazu nicht aus (2). In den ersten Minuten befindet sich im Körper nach dem Kollaps noch genügend Sauerstoff im Blut, um die Versorgung des Organismus mit Sauerstoff und Nährstoffen bis zum Eintreffen des Rettungsteams zu gewährleisten.

(1) Riva G., et al., Survival in Out-of-Hospital Cardiac Arrest After Standard Cardiopulmonary Resuscitation or Chest Compressions Only Before Arrival of Emergency Medical Services: Nationwide Study During Three Guideline Periods, Circulation (2019; doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.118.038179)

(2) Andresen D., et al., Public access resuscitation program including defibrillator training for laypersons: a randomized trial to evaluate the impact of training course duration. Resuscitation. 2008 Mar;76(3):419-24. Epub 2007 Oct 31 (doi: 10.1016/j.resuscitation.2007.08.019

Herznotfall: Hilfreiche Video-Clips und kostenfreies Infomaterial

Herznotfall-Webseite
Die für Herzinfarkt und Herzstillstand erforderlichen Schritte, die Ersthelfer wissen müssen, erläutert leicht verständlich die Herznotfallseite der Herzstiftung www.dhs.tips/herznotfall

Erklär-Videos
Herzdruckmassage lässt sich in weniger als einer Minute erlernen. Das zeigt der Wiederbelebungs-Film „Prüfen, Rufen, Drücken – 3 einfache Schritte, die Leben retten“ unter www.herzstiftung.de/video/reanimation

Mut zur Wiederbelebung: Wie Michael B. gerettet wurde, zeigt ein Video-Clip mit einer Nachstellung der wichtigsten Verhaltensmaßnahmen bei Herzstillstand www.youtube.com/watch?v=DmdaLu6E0gE

Notfallset „Was tun im Notfall?“
Ein Notfallset mit dem Ratgeber „Was tun im Notfall?“ (14 Seiten) und 2 Notfallkärtchen fürs Portemonnaie mit Darstellungen der Herzinfarkt-Alarmzeichen und Erläuterungen zur Wiederbelebung für Laien bietet die Herzstiftung kostenfrei unter Tel. 069 955128400 oder unter www.herzstiftung.de/herznotfall-set.html an.

Download von druckfähigem Bildmaterial unter
www.herzstiftung.de/presse/bildmaterial/collage-notfallset.jpg

Weitere Literatur:
Zhan L., et al., Cochrane Database Syst Rev. 2017, Continuous chest compression versus interrupted chest compression for cardiopulmonary resuscitation of non-asphyxial out-of-hospital cardiac arrest.
Trappe, H.-J., et al., Kardiopulmonale Reanimation – Update 2015, DGK-Pocketleitlinie, Düsseldorf 2015
Bobrow, B. J. et al., JAMA 2010, Chest compression-only CPR by lay rescuers and survival from out-of-hospital cardiac arrest.
Bobrow, B. J. et al., JAMA. 2008, Minimally interrupted cardiac resuscitation by emergency medical services for out-of-hospital cardiac arrest.
SOS-KANTO study group, Lancet. 2007, Cardiopulmonary resuscitation by bystanders with chest compression only (SOS-KANTO): an observational study.