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Studie zum Klimaschutz: Mehr Wald – weniger Fleisch
Landbasierte Maßnahmen in Europa erfordern Umstellung des Lebensmittelsystems – Simulationen zeigen Zusammenhänge zwischen klimatischen und sozioökonomischen Faktoren
Wald schützt das Klima. So kann Aufforstung wesentlich dazu beitragen, die Erderwärmung gemäß dem Abkommen von Paris zu begrenzen. Welche Bedingungen dazu in Europa erfüllt sein müssen, haben Forscherinnen und Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) anhand von Simulationen untersucht. Wie die nun in der Zeitschrift Environmental Research Letters (DOI: 10.1088/1748-9326/ab3744) publizierte Studie zeigt, erfordert die ausreichende Vergrößerung der Waldflächen eine Umstellung der Lebensmittelsystems, besonders die Verminderung des Fleischkonsums.
Den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, sieht das Abkommen von Paris vor. Landbasierte Klimaschutzmaßnahmen, vor allem Aufforstung, Wiederaufforstung und das Vermeiden von Entwaldung, können wesentlich dazu beitragen, diesesZiel zu erreichen. Denn Bäume entziehen der Atmosphäre durch den Aufbau von Biomasse das Treibhausgas CO2 und bekämpfen dadurch die Erderwärmung. Die Vergrößerung der Wälder konkurriert allerdings mit der Landwirtschaft um Fläche, und zwar nicht nur regional, sondern auch international, zumal das globale Bevölkerungswachstum und die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten die weltweite Nachfrage nach Lebensmitteln und besonders nach Fleisch steigen lassen.
Unter welchen Bedingungen die Wälder in Europa genug Kohlenstoff binden können, um das Pariser Klimaziel zu erreichen, haben Forscherinnen und Forscher am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), dem Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen, und an der University of Edinburgh, der Cranfield University/UK sowie von der TIAMASG Foundation in Bukarest anhand von Computersimulationen untersucht. Für ihre nun in der Zeitschrift Environmental Research Letters publizierte Studie nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein integriertes Modell, das im EU-Projekt IMPRESSIONS (Impacts and risks from high-end scenarios: strategies for innovative solutions) entwickelt wurde. Dieses interaktive internetbasierte Tool ermöglicht, Auswirkungen des Klimawandels, Schadenspotenziale und Anpassungsstrategien zu untersuchen. Dazu enhält die sogenannte Integrated Assessment Platform (IAP) miteinander verbundene Metamodelle zu Stadtentwicklung, Wasserressourcen, Hochwasser, Wald und Landwirtschaft sowie Biodiversität und macht die Zusammenhänge zwischen klimatischen und sozioökonomischen Faktoren sichtbar.
„Wir verglichen verschiedene Szenarien, in denen die Nachfrage nach Fleisch, der Anbau von Energiepflanzen, die Bewässerungseffizienz sowie die Ernteertragssteigerung variieren“, berichtet Dr. Heera Lee vom IMK-IFU des KIT, die Erstautorin der Studie. Von insgesamt 972 Simulationen für die 2050er-Jahre erreichen 351 die Mindestwerte sowohl bei der Waldfläche wie bei der Lebensmittelversorgung. Das bedeutet eine Vergrößerung der Waldfläche um mindestens 23 Prozent gegenüber 2010, um das Pariser Klimaziel zu erreichen, sowie eine Energiezufuhr von mindestens 2800 Kilokalorien pro Person und Tag. Unter diesen erfolgreichen Simulationen erfordern 42 keinerlei Änderung der Ernährungsgewohnheiten, verlangen jedoch eine Ernteertragssteigerung von mindestens 30 Prozent innerhalb von Europa. Sechs Simulationen erfordern, Fleisch von Wiederkäuern durch anderes Fleisch zu ersetzen, 215 verlangen eine Reduktion des Fleischkonsums um 25 bis 75 Prozent, 88 einen völligen Verzicht auf Fleisch, bei jeweils mindestens 15 Prozent Ernteertragssteigerung. „Unsere Studie zeigt, dass die für den Klimaschutz ausreichende Vergrößerung der Waldflächen bei gleichzeitiger Sicherung der Lebensmittelversorgung eine Umstellung des Lebensmittelsystems auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite erfordert, wobei der teilweise oder völlige Verzicht auf Fleisch in der Praxis eine Herausforderung darstellen dürfte“, erklärt Dr. Heera Lee. „Wichtig ist dabei, Lebensmittelimporte nach Europa nicht zu steigern, um die Verlagerung von Lebensmittelerzeugung und Entwaldung in andere Regionen der Erde zu vermeiden.“
Originalpublikation (Open Access):
Heera Lee, Calum Brown, Bumsuk Seo, Ian Holman, Eric Audsley, George Cojocaru, and Mark Rounsevell: Implementing land-based mitigation to achieve the Paris Agreement in Europe requires food system transformation. Environmental Research Letters, 2019. DOI: 10.1088/1748-9326/ab3744
Weitere Informationen zum EU-Projekt IMPRESSIONS:
http://impressions-project.eu
Details zum KIT-Zentrum Klima und Umwelt: http://www.klima-umwelt.kit.edu
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 25 100 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen.