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Pflegeheim Rating Report 2020: Deutschen Pflegeheimen geht es trotz großer Herausforderungen noch relativ gut

Die wirtschaftliche Lage deutscher Pflegeheime hat sich zwischen 2015 und 2017 zwar leicht verschlechtert, es geht ihnen aber noch relativ gut. Knapp 4 Prozent lagen 2017 im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr, 24 Prozent schrieben einen Jahresverlust. Die Trends zur Ambulantisierung und Privatisierung hielten an, die Personalknappheit ist gestiegen. Zu diesen und vielen weiteren Ergebnissen kommt der „Pflegeheim Rating Report 2020“. Er wurde gemeinsam vom RWI und der hcb GmbH in Kooperation mit HIMSS und Curacon sowie mit Unterstützung der Terranus GmbH erstellt.

Die wichtigsten Ergebnisse:

Status quo

• Die wirtschaftliche Lage deutscher Pflegeheime ist weiterhin relativ gut, hat sich zwischen 2015 und 2017 aber leicht verschlechtert. Im Jahr 2017 befanden sich knapp 4 Prozent im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr, 77 Prozent im „grünen Bereich“ mit geringer Insolvenzgefahr und 18 Prozent dazwischen im „gelben Bereich“. Ihre durchschnittliche Insolvenzwahrscheinlichkeit lag mit 0,61 Prozent deutlich niedriger als bei Krankenhäusern. Verschlechtert hat sich auch die Ertragslage: Schrieben 2015 noch 14 Prozent der Pflegeheime einen Jahresverlust, waren es im Jahr 2017 bereits 24 Prozent.

• Die wirtschaftliche Situation der Heime war in Sachsen-Anhalt/Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen am besten und in Rheinland-Pfalz/Saarland, Schleswig-Holstein/Hamburg und Bayern am schlechtesten. Heime in Kreisen mit hoher Auslastung schnitten etwas besser ab als in anderen Kreisen. Gleiches gilt für Kreise, in denen es viele Bewohner mit Pflegegrad 4 oder 5 gibt. Andere lokale Umgebungsvariablen spielten dagegen keine große Rolle.

• Immer mehr Pflegebedürftige werden ambulant versorgt, ihr Anteil stieg zwischen 1999 und 2017 von 20,6 auf 24,3 Prozent. Die überproportionale Erhöhung der Pflegesätze der Pflegeversicherung für Leistungen der ambulanten Dienste seit 2008 und der Ausbau der ambulanten Pflege im Rahmen der Pflegestärkungsgesetze hat die ambulante Pflege gestärkt. Zudem ist die Zahl der Pflegegeldempfänger gestiegen, seit kognitive und geistige Einschränkungen in den Pflegebedürftigkeitsbegriff aufgenommen worden sind. Über die dadurch bedingte einmalige Anpassungsreaktion hinaus handelt es sich bei der Ambulantisierung um einen längerfristigen Trend.

• Auch der Trend zur Privatisierung hält an. Der Anteil der Pflegebedürftigen, die in einer privaten Einrichtung versorgt werden, ist weiter gestiegen: in Pflegeheimen im Jahr 2017 auf 38,7 Prozent (1999: 25,4 Prozent) und in ambulanten Diensten auf 51,6 Prozent (1999: 35,6 Prozent). Die Zahl der Plätze in privater Trägerschaft stieg seit 1999 um 127 Prozent. Dabei arbeiten Heime in privater Trägerschaft in Westdeutschland kostengünstiger. Inklusive des Investitionskostenanteils lagen ihre Preise 7 Prozent unter dem westdeutschen Durchschnitt.

• Im Pflegebereich herrscht weiterhin Personalknappheit. Zwar sind zwischen 1999 und 2017 348.000 zusätzliche Vollzeitkräfte hinzugekommen. In der ambulanten und stationären Pflege waren damit im Jahr 2017 insgesamt 819.000 Vollkräfte beschäftigt, davon 329.000 Pflegefachkräfte. Trotzdem ist ein zunehmender Mangel an Pflegefachkräften zu beobachten. So lag im Juli 2019 die Zahl der gemeldeten offenen Stellen in Heimen mehr als doppelt so hoch wie im Juli 2009, im Vergleich zu Juli 2017 stieg sie um 6 Prozent.

Ausblick

• Durch die Alterung der Gesellschaft wird der Pflegemarkt weiter wachsen. Geht man von konstanten Pflegequoten aus, ist bis 2030 in Deutschland mit 4,4 Millionen Pflegebedürftigen zu rechnen, bis 2040 mit 5 Millionen. Das wäre gegenüber 2017 ein Anstieg um 26 bzw. 42 Prozent. Dieser hätte bei Fortschreibung des Status quo einen zusätzlichen Bedarf von 378.000 stationären Pflegeplätzen bis 2040 zur Folge. Die erforderlichen Neu- und Re-Investitionen beliefen sich entsprechend auf 109 Milliarden Euro.

• Um die steigende Zahl an Pflegebedürftigen zu versorgen, ist mehr Personal erforderlich. Bis 2040 ist mit insgesamt 184.000 bis 396.000 zusätzlichen Vollzeitkräften in der stationären und mit 107.000 bis 209.000 in der ambulanten Pflege zu rechnen. Bei Fortschreibung der bisherigen Pflegewahrscheinlichkeit entfällt auf Pflegefachkräfte davon bis 2040 ein zusätzlicher Bedarf von 102.000 in der stationären und 64.000 in der ambulanten Pflege.

• Gelingt es, die Pflegewahrscheinlichkeit zu reduzieren, reduziert sich auch der benötigte Kapital- und Personalbedarf. Wird zukünftig jedoch mehr professionell gepflegt, erhöhen sich diese noch.

• Damit der große Bedarf an Pflegefachkräften gedeckt werden kann, muss die Attraktivität des Pflegeberufs steigen. Ziel muss es sein, die Verweildauer im Pflegeberuf zu verlängern, die wöchentliche Arbeitszeit bei Teilzeitkräften auszuweiten und neue Auszubildende zu gewinnen. Dabei steht die Altenpflege auch im Wettbewerb mit Krankenhäusern.

• Zum einen könnten höhere Löhne sowie ein größeres Aufgabenfeld für qualifiziertes Personal den Pflegeberuf attraktiver machen. Zum anderen spielen auch weiche Faktoren eine wesentliche Rolle, z.B. eine gute Führungskultur, gesellschaftliches Ansehen des Berufs, eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf, möglichst wenig Bürokratie, Karrieremöglichkeiten sowie die Übernahme von Verantwortung.

• Um durch höhere Kosten nicht die Insolvenzgefahr für Pflegeanbieter zu erhöhen, werden die Preise für Pflegeleistungen und damit die Belastung der Pflegebedürftigen steigen müssen. Inwieweit die Beitragszahler noch weiter belastet werden können, hängt von der gesamten Abgabenlast mit Steuern und Sozialabgaben ab.

• Darüber hinaus würde Zuwanderung qualifizierter Pflegefachkräfte den Fachkräftemangel lindern und es muss auch in der Pflege über arbeitssparenden Technikeinsatz verstärkt nachgedacht werden. Eine Möglichkeit ist die Nutzung innovativer Technik im Bereich Ambient Assisted Living (AAL). Hier könnte moderne Technologie die Pflegekräfte unterstützen und ihnen mehr Zeit für zwischenmenschliche Beziehungen zu den Pflegebedürftigen geben.

• Auch der wachsende Kapitalbedarf muss gedeckt werden. Neben öffentlichem und freigemeinnützigem Kapital ist hierzu auch privates Kapital nötig. Kapital wird jedoch nur bereitgestellt, wenn es risikogerecht verzinst wird. Die Politik sollte daher die Regulierungsdichte reduzieren und die unternehmerische Handlungsfreiheit ausweiten. So sind zum Beispiel Vorgaben zur Heimgröße oder zum Anteil der Ein-Bett-Zimmer überflüssig. Wichtig ist vielmehr, dass es ein ausreichend großes Angebot an Einrichtungen gibt, die miteinander in einem Preis- und Qualitätswettbewerb stehen. Dazu muss die Pflegequalität leicht verständlich dargestellt werden. Dann können sich die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen das Heim aussuchen, das ihren Präferenzen am besten entspricht und das für sie noch bezahlbar ist. Wenn die Politik indessen restriktive Vorgaben macht, läuft sie Gefahr, dass sie entweder nicht die Präferenzen aller Pflegebedürftigen trifft oder nur zu teure Angebote zulässt.

• Die Soziale Pflegeversicherung (SPV) konnte zwar zuletzt ihre Einnahmen deutlich erhöhen. Ihre Kapitalreserven reichen nach aktuellem Stand aber vermutlich nur bis etwa 2029. Langfristig sind daher Anpassungen sowohl an der Einnahmen- als auch Ausgabenseite nötig. Auf der Einnahmenseite wären Maßnahmen sinnvoll, die die Erwerbsquote von älteren Menschen und Frauen weiter steigern. Auf der Ausgabenseite sollte der inzwischen recht steile Wachstumspfad der Ausgaben abgeflacht werden. Dies könnte auch durch Maßnahmen geschehen, die den Pflegebedarf vermeiden und verringern, beispielsweise mehr Prävention, „Reha vor Pflege“ und technische Assistenzsysteme.

„Die Pflegebranche ist in den nächsten Jahren mit großen Herausforderungen konfrontiert. Die steigende Zahl an Pflegebedürftigen erfordert mehr Personal und Kapital. Um in beiden Bereichen attraktiv zu sein, sind innovative Konzepte gefragt“, sagt RWI-Gesundheitsexpertin Dörte Heger. „Eine Kombination aus einer differenzierteren Aufgabenverteilung nach Qualifikationsniveau, mehr Ausbildung und moderner Technologie könnte dabei helfen, die Pflege zukunftsfest zu machen“, so Heger.

Datengrundlage des „Pflegeheim Rating Report 2020“ sind 370 Jahresabschlüsse aus den Jahren 2016 und 2017. Sie umfassen insgesamt 1.843 Pflegeheime bzw. rund 13 Prozent des Marktes. Der Report wird gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Healthcare Information and Management Systems Society (HIMSS) und der Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie mit Unterstützung der Terranus Consulting GmbH erstellt. Über die Studie berichtet das „Handelsblatt“ in seiner aktuellen Ausgabe unter dem Titel „Zu wenig Personal und Kapital für die Pflege“.

Dieser Pressemitteilung liegt die Studie „Pflegeheim Rating Report 2020: Zwischen Nachfragewachstum und Kostendruck“ zugrunde. Die komplette Studie kann für 299,99 Euro inkl. 7% MwSt. beim medhochzwei-Verlag hier (https://www.medhochzwei-verlag.de/Shop/ProduktDetail/978-3-86216-576-6-pflegehei…, ISBN 978-3-86216-576-6) bestellt werden. Sie ist auch als reines eBook (epub-Datei) erhältlich (299,99 Euro, ISBN 978-3-86216-577-3), sowie im Online-Abonnement für 269,99 Euro jährlich erhältlich (ISBN 978-3-86216-363-2). Sämtliche Grafiken und Tabellen sind auch separat als Download verfügbar (599,99 Euro, Bestell-Nr. 386216031).