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Neues mathematisches Modell bietet ein tieferes Verständnis, wie Arzneistoffe miteinander interagieren
ForscherInnen des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben eine neue Methodik entwickelt, die präzise beschreibt, wie sich Medikamente in Kombination während der Behandlung gegenseitig beeinflussen. Ihre Analyse von über 30.000 auf Zelllinien angewendeten Arzneimittelpaaren identifizierte 1.832 Wechselwirkungen zwischen 242 verschiedenen Medikamenten und wirft ein neues Licht darauf, wie Medikamente die zugrunde liegenden molekularen Netzwerke stören. Die Ergebnisse wurden nun in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Die Kombination von zwei oder mehr Medikamenten kann sowohl wirksame Behandlung verschiedener Krankheiten wie Krebs sein, als auch in falscher Kombination zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen. Derzeit gibt es kein systematisches Verständnis dafür, wie sich verschiedene Medikamente gegenseitig beeinflussen. Daher wäre ein Verständnis dafür wie zwei Medikamente miteinander interagieren, und ob dies einen vorteilhaften Effekt mit sich bringt, ein wichtiger Schritt in Richtung besserer Behandlungen von Krankheiten in der Zukunft.
Auf molekularer Ebene beeinflussen Medikamente verschiedene zelluläre Prozesse in unserem Körper. Diese Prozesse werden durch ein komplexes Netzwerk molekularer Interaktionen, das sogenannte Interaktom, gesteuert. In den letzten zehn Jahren haben zahlreiche Studien einen engen Zusammenhang zwischen der Struktur des Interaktoms und der Struktur der molekularen Vorgänge in der Zelle aufgezeigt. Dies eröffnete aufregende Möglichkeiten, mit netzwerkbasierten Ansätzen den Unterschied von Gesundheits- zu Krankheitszuständen zu untersuchen. Diesem Trend folgend entwickelten Forschungsgruppenleiter Jörg Menche und sein Team am CeMM ein neuartiges mathematisches Modell, um genau zu bestimmen, wie sich verschiedene Störungen des Gesamtnetzwerkes der molekularen Wechselwirkungen gegenseitig beeinflussen.
Die neue Studie, die von Caldera et al. durchgeführt wurde, stellt den ersten allgemeinen Lösungsansatz dar, um genau zu quantifizieren, wie Medikamente miteinander interagieren, basierend auf einem mathematischen Modell, das ihre hochdimensionalen Effekte berücksichtigt. Ihre Forschung zeigt, dass die Positionen der Wirkungsorte eines bestimmten Medikaments auf dem Interaktom nicht zufällig ist, sondern sich innerhalb sogenannter „drug modules“ konzentrieren. Sie fanden heraus, dass der Standort eines „drug module“ mit den spezifischen zellmorphologischen Veränderungen verbunden ist, die durch die jeweiligen Behandlungen hervorgerufen werden, was wiederum zeigt, wie wertvoll Zellmorphologien als Informationsquelle für die Erforschung von Wirkstoffwechselwirkungen sind. Darüber hinaus identifizierten sie verschiedene Faktoren, die zur Entstehung solcher Wechselwirkungen beitragen. Vor allem der Abstand zwischen zwei „drug modules“ auf dem Interaktom spielt eine Schlüsselrolle: Bestimmte Arten von Wechselwirkungen sind wahrscheinlicher, je nach der genauen Nähe zwischen den beiden jeweiligen „drug modules“. Je weiter sich zwei Module voneinander entfernen, desto unwahrscheinlicher wird es, dass sie miteinander interagieren.
„Wir haben eine völlig neue Methodik zur Klassifizierung von Arzneiwechselwirkungen entwickelt. Bisherige Methoden konnten Interaktionen nur als synergistisch oder antagonistisch charakterisieren. Unsere Methode ist in der Lage, 12 verschiedene Interaktionsmuster zu unterscheiden und zeigt auch die Richtung der Interaktion auf“, sagt Michael Caldera, Erstautor der Studie und Doktorand in Jörg Menche’s Gruppe.
Die Studie der Menche Gruppe hat das Verständnis dafür erweitert, wie Wirkstoffe das menschliche Interaktom stören, und was dazu führt, dass Medikamenten miteinander interagieren. Darüber hinaus bietet die angewandte Methodik die erste umfassende und vollständige Beschreibung aller möglichen Interaktionsmuster, die sich aus der Kombination zweier Effekte ergeben können. Schließlich könnte diese Methodik auch auf andere wichtige Herausforderungen angewendet werden, wie z.B. die Analyse der kombinierten Auswirkungen genetischer Variationen oder die Vorhersage der Wirkung eines Medikaments auf einen bestimmten Krankheitsphänotyp. Ihre Forschung bildet eine solide Grundlage für das Verständnis und die Entwicklung effektiverer Arzneimitteltherapien in der Zukunft.
Originalpublikation:
Die Studie “Mapping the perturbome network of cellular perturbations” wurde am 13.11.2019 in Nature Communications veröffentlicht. DOI: 10.1038/s41467-019-13058-9
Weitere Informationen:
https://cemm.at/index.php?id=35&no_cache=1&tx_news_pi1%5Bnews_preview%5D…