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Hirnschlag: Berner Forschung entwickelt Verbesserung
Nach einem Hirnschlag gilt es in kürzest-möglicher Zeit das verursachende Blutgerinnsel zu entfernen. Die mechanische Entfernung von Thrombosen nach Hirnschlag ist heute die Therapie der Wahl. Neu wird gleichzeitig zum mechanisch-operativen Eingriff ein Blutgerinnsel-lösendes Mittel (Urokinase) direkt in die Hirnarterie eingespiesen. So ist es möglich, auch die kleinen, peripheren Blutgefässe wieder durchgängig zu machen. Das Forschungsteam aus der Universitätsklinik für Neurologie und dem Universitätsinstitut für Diagnostische und Inverventionelle Neuroradiologie des Inselspitals und der Universität hat die neue Methode am 9. Dezember 2019 in der Fachzeitschrift JAMA Neurology veröffentlicht.
Seit 2015 ist die mechanische Entfernung des Blutgerinnsels (endovaskuläre, mechanische Thrombektomie) das Standardverfahren für die Behandlung von Patienten mit einem Verschluss eines grossen Hirngefässes (Hirnschlag). Mehrere randomisierte Studien konnten belegen, dass diese Therapie bei Hirnschlagpatienten den Behinderungsgrad relevant vermindern kann.
Am Inselspital wird die endovaskuläre, mechanische Thrombektomie bereits seit 2010 routinemässig angewendet und jährlich werden zwischen 300-400 Patienten im Neurozentrum behandelt. Aktuell liegt der wissenschaftliche Fokus im Bereich der endovaskulären Hirnschlagtherapie vor allem auf der Ausweitung des Anwendungsgebietes der Methode, der Organisation von Hirnschlagnetzwerken sowie der Verbesserung der Wiederherstellung des Blutflusses (Reperfusion).
Ziel: Verbessern der Durchgängigkeit der Blutgefässe
In einer 2018 publizierten Metaanalyse (doi: 10.1136/jnnp-2017-317602) konnte das Forschungsteam um Dr. Kaesmacher, Prof. Gralla und Prof. Fischer zeigen, dass ein für den Patienten relevanter und statistisch signifikanter Unterscheid besteht, ob man während der mechanischen Thrombektomie das Hirngewebe vollständig (sog. TICI3-Ergebnis) oder beinahe vollständig reperfundiert (sog. TICI2b-Ergebnis)1.
Daher wird intensiv an Möglichkeiten geforscht, wie man die Reperfusion zusätzlich verbessern kann, wenn mechanisch keine weiteren Verbesserungen mehr zu erzielen sind. Neben invasiven Rettungsverfahren, wie dem Einlegen eines permanenten Stents in ein Hirngefäss, konnte eine jüngst veröffentlichte Studie aus Bern zeigen, dass durch die Gabe von gerinnungsauflösenden Medikamenten (Thrombolytika) durch den Katheter das Reperfusionsergebnis verbessert und dadurch auch der Behinderungsgrad reduziert werden kann, ohne das Blutungsrisiko relevant zu erhöhen. Dr. Kaesmacher sagt dazu: «Bislang ist der Stellenwert der intraarteriellen Thrombolytika-Gabe nach mechanischer Thrombektomie nicht geklärt. Dementsprechend zurückhaltend ist die Empfehlung der American Stroke Association bezüglich ihrer Anwendung. Die veröffentlichten Ergebnisse der Studie stellen einen wichtigen Baustein in der Definition ihres zukünftigen Stellenwerts dar. »
Intraarterielle Auflösung der Blutgerinnsel kann Gesamtergebnis verbessern
In der in der Fachzeitschrift JAMA Neurology veröffentlichen Studie (doi: 10/1001/jamaneurol. 2019.4192) wurden Patienten analysiert, die nach einer mechanischen Thrombektomie noch residuale periphere Verschlüsse zeigten, welche zu einer beinahe vollständigen anstelle einer vollständigen Reperfusion führten. Die Autoren konnten zeigen, dass diese peripheren Verschlüsse häufig mit intraarterieller Gabe eines speziellen Thrombolytikums (Urokinase) aufgelöst werden konnten und so die Reperfusion weiter verbessert wurde. Dies hat sich auch in einem besseren Outcome der Patienten widergespiegelt. Besonders wichtig ist, dass in der Studie kein erhöhtes Blutungsrisiko nach zusätzlicher, intraarterielle Gabe von Urokinase festgestellt wurde. So war das Risiko einer symptomatischen Blutung nach intraarterieller Gabe von Urokinase 5.2% und 6.9% in der Kontrollgruppe.
«Für eine flächendeckende Anwendung dieses Verfahrens braucht es noch weitere Untersuchungen. Eine europaweite, multizentrische Studie hierzu ist bereits in vollem Gange», so der Neuroradiologe und Seniorautor der Studie, Prof. Dr. Jan Gralla. Ko-Supervisor der Studie, Prof. Dr. Urs Fischer, fasst zusammen: «Der gewählte Ansatz stellt ein vielversprechendes Therapiekonzept dar, mit welchem der Therapienutzen der endovaskulären Schlaganfallbehandlung weiter verbessert werden kann. Für Patienten mit einem geringen Blutungsrisiko heisst es also jetzt mehr denn je: Alle Register ziehen, um das Reperfusionsergebnis weiter zu verbessern. »
Publikationen
- Kaesmacher J, Dobrocky T, Heldner MR, Bellwald S, Mosimann PJ, Mordasini P, et al. 2018: Systematic review and meta-analysis on outcome differences among patients with TICI2b versus TICI3 reperfusions: success revisited. J. Neurol. Neurosurg. Psychiatry. 2018;89:910–917
- Kaesmacher J, Bellwald S, Dobrocky T. 2019: Safety and Efficacy of Intra-arterial Urokinase After Failed, Unsuccessful or Incomplete Mechanical Thrombectomy in Anterior Circulation Large-Vessel Occlusion Stroke; doi: 10/1001/jamaneurol.2019.4192
Experten:
- Prof. Dr. med. Jan Gralla, Chefarzt und Klinikdirektor, Universitätsinstitut für Interventionelle Neuroradiologie, Inselspital, Universitätsspital Bern
- Prof. Dr. med. Urs Fischer, Universitätsklinik für Neurologie, Leitender Arzt, Leiter der stationären Akutneurologie und der Akutbettenstation, Co-Leiter Stroke Center, Inselspital, Universitätsspital Bern
- Dr. med. J. Kaesmacher, Universitätsinstitut für Diagnostische, Interventionelle und Pädiatrische Radiologie