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TU Berlin: Ein Gift, das auch Menschen helfen könnte
Der Schlitzrüssler ist eines der seltensten Säugetiere der Erde. Nun wurde sein Venom entschlüsselt
Sein Biss ist tödlich – der Solenodon, eines der frühesten höheren Säugetiere der Erde, galt lange Zeit als ausgestorben. Der rund 60 Zentimeter lange behaarte „Schlitzrüssler“, wie er mit deutschem Namen heißt, ist ein lebendes Fossil und evolutionär einzigartiger Giftsäuger. Vor wenigen Jahren wurde er überraschend wieder gesichtet. Er hatte an zwei Orten der Welt überlebt, auf den Inseln Kuba und Hispaniola. Doch die Wissenschaft weiß nach wie vor wenig über dieses seltene Tier. Nun haben Biochemiker*innen der TU Berlin zusammen mit internationalen Forschungspartnern sein Venom entschlüsselt, die Zusammensetzung seines Giftes. Sie identifizierten ein interessantes Protein, das für eine zukünftige Medikamenten vielversprechend sein könnte. Die Ergebnisse sind in dem renommierten Journal PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) veröffentlicht.
„Es war bislang noch nicht einmal bekannt, ob der Schlitzrüssler sein Gift, das er nach einem Biss über Kanäle in den unteren Schneidezähnen injiziert, zur Verteidigung, für Revierkämpfe oder zum Beutefang verwendet. Jetzt konnten wir zeigen, dass es für die Jagd kleinerer Säugetiere verwendet wird“, sagt Benjamin Hempel, Doktorand in der Biochemie-Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Roderich Süssmuth am Institut für Chemie der TU Berlin.
Eine ähnliche Verbindung ist auch im menschlichen Körper vorhanden und reguliert den Blutdruck
Die Zusammensetzung und Verwendung des Giftes beim Schlitzrüssler stellte bisher ein Rätsel für die Forschung dar. In der internationalen Zusammenarbeit wurde die Toxin-Zusammensetzung sowie das Genom des Schlitzrüsslers untersucht. Zur möglichen Verwendung einer ähnlich zusammengesetzten chemischen Substanz in der Human-Medizin erklärt Roderich Süssmuth, der in dem internationalen Wissenschaftlerteam die Forschungen zur Identifizierung des Schlitzrüssler-Venoms leitete: „Die Injektion des Giftes hat zur Folge, dass der Blutdruck rapide abfällt, wodurch der Beutefang erleichtert wird. Eine dem Toxin verwandte Verbindung ist auch im menschlichen Körper zu finden und von entscheidender Bedeutung zur Regulierung des Blutdrucks.“ Das Projekt, an dem noch weitere Gruppen beteiligt waren, ist federführend an der Liverpool School of Tropical Medicine angesiedelt, die sich mit der Untersuchung des Solenodon-Genoms beschäftigte.
Das TU-Forscherteam fand heraus, dass sich das besondere Gift des Schlitzrüsslers, der einer Riesenfeldmaus mit langem Rüssel ähnelt, evolutionär parallel zu anderen Insektenfresser-Toxinen wie Spitzmäusen, Igeln oder Maulwürfen bereits vor über 70 Millionen Jahren entwickelte, als Dinosaurier noch unsere Erde bewohnten. „Das Gift enthält spezielle Enzyme, die Proteine spezifisch spalten, sogenannte Kallikrein-1-Serinproteasen“, so Benjamin Hempel.
Das Aufdecken dieser Details über das bisher nicht untersuchte Giftsystem dieses Säugers helfe nicht nur bestimmte Mechanismen in der Evolution zu verstehen, sondern zeige auch, wie wichtig es ist, die bemerkenswerten Arten der Welt, die auf der Roten Liste (EDGE) stehen, zu erhalten, so die Zoological Society of London.
Die bei der Untersuchung gefundenen Proteine seien in den Speicheldrüsen verschiedener Säugetiere vorhanden, die jedoch eine voneinander unabhängige toxische Rolle besitzen, so der britische Wissenschaftler Prof. Dr. Nicholas Casewell. Die Ergebnisse seien daher auch ein faszinierendes Beispiel dafür, wie die Evolution neuartige Anpassungen für bereits existierende Systeme vornimmt.
Der vollständige Artikel “Solenodon genome reveals convergent evolution of venom in eulipotyphlan mammals” ist hier zu finden:
https://www.pnas.org/content/early/2019/11/25/1906117116
Fotomaterial zum Download
http://www.tu-berlin.de/?210793