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Grenzenloses Potenzial: Forschende erzeugen totipotent-ähnliche Zellen auf neue Weise
Totipotenz wird für die Forschung und künftige medizinische Anwendungen immer wichtiger und das Interesse an effizienten Methoden, um totipotent-ähnliche Zellen in der Petrischale erzeugen zu können, ist groß. Eine Forschungsgruppe des Helmholtz Zentrums München fand nun heraus, dass bestimmte Metabolite die Entstehung von totipotent-ähnlichen Zellen aus pluripotenten Zellen anregen. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten für die Zellreprogrammierung.
Totipotente Zellen besitzen die Fähigkeit, einen vollständigen Organismus zu erzeugen. Im Embryo findet man sie nur in den ersten beiden Entwicklungsstadien kurz nach der Befruchtung, danach sind sie pluripotent. Pluripotente Zellen, besser bekannt als Stammzellen, haben einen Teil des ursprünglichen Potenzials verloren und können sich nur noch zu den unterschiedlichen Zelltypen eines Organismus weiterentwickeln. Forschende versuchen so viel wie möglich über die Unterschiede zwischen Pluri- und Totipotenz herauszufinden. Denn eine Aufhebung dieser Unterschiede könnte dazu führen, dass pluripotente Zellen wieder totipotent werden. Bisher war noch nicht bekannt, ob sich toptipotente Zellen von pluripotenten in ihren metabolischen Bedürfnissen und Aktivitäten unterscheiden.
Metaboliten erhöhen das Zellpotenzial
Um diese Frage zu beantworten, startete die Forschungsgruppe ihre Untersuchungen mit einem Vergleich der Genexpression von pluripotenten und totipotent-ähnlicher Zellen, die in der Petrischale aus pluripotenten Zellen entstehen und auch als „2-cell-like“-Zellen bezeichnet werden. Dabei entdeckte das Team Unterschiede in der Expression von metabolischen Enzymen und Regulatoren, die an der Glykolyse, dem Citratzyklus, dem Elektronentransport und dem Glutaminstoffwechsel beteiligt sind. Um diese Unterschiede genauer zu erforschen, haben sich Diego Rodriguez-Terrones vom Institut für Epigenetik und Stammzellen und Götz Hartleben vom Institut für Diabetes und Krebs zusammengeschlossen und haben den Sauerstoffverbrauch in „2-cell-like“-Zellen gemessen. Dies war bisher nicht möglich. Sie fanden heraus, dass totipotent-ähnliche Zellen im Vergleich zu pluripotenten Zellen unterschiedlich viel Sauerstoff verbrauchen. Darüber hinaus beobachteten sie Unterschiede in der Morphologie der Mitochondrien und im Gehalt an Sauerstoffradikalen (Reactive oxygen species, ROS). Basierend auf diesen Erkenntnissen kam im Team die Hypothese auf, dass durch die Zugabe spezifischer Metabolite pluripotente Zellen so reprogrammiert werden könnten, dass totipotent-ähnliche Zellen entstehen. Tatsächlich konnte die Gruppe in einer Analyse von 20 verschiedenen Metaboliten die ersten drei Metaboliten identifizieren, die die Umprogrammierung von pluripotenten zu totipotent-ähnlichen Zellen in der Petrischale anregen.
„Totipotent-ähnliche Zellen sind von unschätzbarem Wert, um mehr Wissen über die zelluläre Plastizität zu gewinnen. Mit diesen manipulierten Zellen könnten wir die molekularen Eigenschaften von Totipotenz in vitro untersuchen und nachahmen. Außerdem eröffnen sie uns die Möglichkeit, sehr frühe Entwicklungsvorgänge während der Embryogenese von Säugetieren zu untersuchen”, erklärt Rodriguez-Terrones. „In Zukunft könnten totipotent-ähnliche Zellen für Zellersatztherapien sehr wichtig werden. Die Möglichkeit, sie effizient durch Zugabe von Metaboliten zu erzeugen, ebnet den Weg für die Forschung und Innovation von morgen.“
Multidisziplinäre Zusammenarbeit für den wissenschaftlichen Erfolg
Für diese Studie arbeiteten das Institut für Epigenetik und Stammzellen sowie das Institut für Diabetes und Krebs am Helmholtz Zentrum München eng zusammen. Diese Kooperation ermöglichte es, die Entstehung von totipotent-ähnlichen Zellkulturen aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Die Studie wurde teilweise von der Helmholtz-Gemeinschaft und dem Deutschen Forschungsrat mitfinanziert (CRC 1064).
Originalpublikation
D. Rodriguez-Terrones et al., 2019: A distinct metabolic state arises during the emergence of 2-cell-like cells. EMBO Reports, DOI: 10.15252/embr.201948354