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Zelluläre Müllabfuhr entsorgt Coronaviren

Wissenschaftler entdecken einen möglichen Ansatzpunkt für Medikamente zur Behandlung von Coronavirus-Infektionen

Die Erforschung grundlegender zellulärer Abläufe führt immer wieder zu unvermuteten Entdeckungen. Eine Studie von Forschern des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München, des Uniklinikums Bonn und der Charité in Berlin ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass auch Grundlagenforschung zu neuen medizinischen Behandlungen führen kann. Die Wissenschaftler haben Proteine für das Recycling von Abfallstoffen untersucht, mit denen die Zellen des Körpers Stress bewältigen. Dabei haben sie entdeckt, dass sie diese Proteine mit bereits zugelassenen Medikamenten regulieren können. Da Zellen mit diesen Proteinen auch eingedrungene Coronaviren abbauen, könnten die Wirkstoffe möglicherweise auch gegen die Krankheitserreger eingesetzt werden. Am Lead Discovery Center in Dortmund suchen Forscher nun nach weiteren Wirkstoffen, mit denen sie die zelluläre Müllabfuhr gegen die Viren aktivieren können.

Psychischer und physischer Stress ist ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung psychiatrischer Krankheiten. Auch die Zellen des Körpers reagieren auf Stress. Insbesondere bei physischem Stress entsorgen sie zum Beispiel verstärkt nicht mehr benötigte oder schädliche Zellbestandteile. Dadurch kann die Zelle Mangelsituationen überstehen und beschädigte zelluläre Bestandteile erneuern. Sie kann aber durch diese Art der Müllentsorgung auch manche Viren bekämpfen.

Die Arbeitsgruppe von Theo Rein am Max-Planck-Institut für Psychiatrie hat kürzlich entdeckt, dass das Stressprotein FKBP51 diese auch als Autophagie bezeichnete Recyclingmaschinerie steuert. Nils Gassen, der inzwischen eine Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Bonn leitet, ist bei seinen Untersuchungen auf ein weiteres an der Müllentsorgung beteiligtes Protein gestoßen, das sich durch verschiedene Substanzen regulieren lässt. „Darunter sind auch bereits zugelassene Medikamente“, sagt Theo Rein. Zusammen mit Marcel Müller und Christian Drosten vom Institut für Virologie der Charité in Berlin haben die Max-Planck-Forscher entdeckt, dass diese Wirkstoffe die Vermehrung des MERS-Coronavirus in Zellen eindämmen können.

Keine Medikamente
Das MERS-Coronavirus ist wie das SARS-Coronavirus ein Verwandter des neuen Coronavirus (nCoV-2019), das für den aktuellen Ausbruch in China verantwortlich ist. Das MERS-Coronavirus kann beim Menschen eine schwere Lungenentzündung auslösen, die in mehr als 30 Prozent der Fälle tödlich verläuft. Bislang gibt es weder eine zugelassene Therapie noch einen Impfstoff.

„Ob die zelluläre Müllabfuhr zur Abwehr von Coronaviren im Menschen eingesetzt werden kann, muss sich erst noch zeigen“, so Rein. Derzeit untersuchen Wissenschaftler am Lead-Discovery-Center in Dortmund, einer Ausgründung der Max-Planck-Gesellschaft, Substanzen, die die Autophagie in Zellen auslösen können. Auf diese Weise sollen neue Medikamente zur Behandlung von Coronavirus-Infektionen sowie verschiedenster weiterer Krankheiten entwickelt werden.

Originalveröffentlichung
Nils C. Gassen, Daniela Niemeyer, Doreen Muth, Victor M. Corman, Silvia Martinelli, Alwine Gassen, Kathrin Hafner , Jan Papies, Kirstin Mösbauer, Andreas Zellner, Anthony S. Zannas, Alexander Herrmann, Florian Holsboer, Ruth Brack-Werner, Michael Boshart, Bertram Müller-Myhsok, Christian Drosten, Marcel A. Müller & Theo Rein
SKP2 attenuates autophagy through Beclin1-ubiquitination and its inhibition reduces MERS-Coronavirus infection.
Nature Communications; 18 December, 2019
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