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Feindiagnostik für das Gehirn: Frühgeborene im Visier
Forscherinnen des LMU Klinikums und des Helmholtz-Zentrums München wollen die Hirnentwicklung Frühgeborener mit einem neuen Verfahren rechtzeitig und verlässlich vorhersagen.
Wenn Kinder zu früh geboren werden, beginnt für die Eltern eine belastende Zeit voller Hoffen und Bangen. Zwar können heute schon die meisten „Frühchen“ ab der 24. Schwangerschaftswoche medizinisch hervorragend behandelt werden. Doch einige der Kinder bekommen Schwierigkeiten aufgrund der frühen Geburt. „Motorische Probleme können wir heute oft frühzeitig abschätzen“, sagen Privat-Dozentin Dr. Sophia Stöcklein von der Klinik und Poliklinik für Radiologie des LMU Klinikums und Privat-Dozentin Dr. Anne Hilgendorff vom Zentrum für Comprehensive Developmental Care des LMU Klinikums und vom Helmholtz-Zentrum München. Das ist für die geistige Entwicklung, die auch den Bereich der Aufmerksamkeit, der Sprache, des logischen Denkens, das Zahlenverständnis umfasst, oft schwieriger. Je verlässlicher und früher die Ärzte dazu eine Aussage machen können, desto eher wissen die Eltern, woran sie sind und welche spezielle Förderung ihr betroffenes Frühchen gegebenenfalls benötigen könnte.
Deshalb haben Stöcklein und Hilgendorff zusammen mit Kollegen um Prof. Hesheng Liu vom Martinos Center for Biomedical Imaging (USA) ein Projekt gestartet. Langfristiges Ziel: Die Gehirne der Frühchen mit einem bildgebenden Verfahren zu untersuchen, der sogenannten funktionellen Magnetresonanz-Tomografie (fMRT), um sie dann mit einem Modell aus Biomarkern zu vergleichen und daraus Schlüsse für die künftige geistige Entwicklung ziehen zu können.
Entscheidende Basis für das Prognosemodell
Erste Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht. In dieser Studie haben die Forscherinnen und ihre Kollegen die Gehirne von 50 frühgeborenen Säuglingen ohne strukturelle Hirnschädigung oder andere schwerwiegende Erkrankungen mit der fMRT beleuchtet. Die Aufnahmen wurden verglichen mit fMRT-Daten der Gehirne von Erwachsenen. Die Wissenschaftlerinnen interessierten sich vor allem für die neuronale Aktivität der Hirnrinde (Kortex), die für die geistige Entwicklung entscheidend ist. In den Auswertungen der Daten haben es die Forscherinnen geschafft, individuelle Unterschiede in den Gehirnen der Frühgeborenen zu berechnen.
„Diese Ergebnisse schaffen die Voraussetzung, um individuelle Unterschiede in der wahrscheinlichen Entwicklung des Kortex erkennen zu können“, erklärt Stöcklein. Auf dieser Basis soll nun der nächste entscheidende Schritt folgen: Im Kortex der Frühchen die Unterschiede in den einzelnen neuronalen Netzwerken zu identifizieren, die am verlässlichsten verraten, wie die Mädchen und Jungen sich geistig entwickeln werden. Die wissenschaftliche Prüfung dieser Biomarker wird allerdings noch zwei bis drei Jahre brauchen.
Veröffentlichung:
Sophia Stöcklein et al: Variable functional connectivity architec-ture of the preterm human brain: Impact of developmental cor-tical expansion and maturation. Proc Natl Acad Sci U S A. 2020 Jan 14;117(2):1201-1206.
https://doi.org/10.1073/pnas.1907892117