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Langsame Entscheidungen zeigen Rückfallrisiko einer Depression an
Die Wahrscheinlichkeit, mit welcher Betroffene nach dem Absetzen von Antidepressiva in eine Depression zurückfallen, lässt sich teilweise voraussagen. Personen, die einen solchen Rückfall erleiden, benötigen nämlich länger, um sich zu entscheiden, wie viel Anstrengung sie für eine Belohnung investieren. Dies zeigt eine Studie mit ETH-Beteiligung.
Depressionen sind eine weit verbreitete Krankheit mit einem schwierig vorherzusehenden Verlauf. Häufig ist die Erkrankung wiederkehrend: depressive Phasen kommen und gehen. Aus Studien ist bekannt, dass die Behandlung über das Abklingen der Symptome hinaus fortgesetzt werden sollte, um die Gefahr eines Rückfalls zu verringern. «Schätzungsweise 30 Prozent der Betroffenen erleiden in den ersten sechs Monaten nach dem Absetzen einen Rückfall. Das ist ein sehr hoher Anteil. Bisher gibt es kein etabliertes Instrument, mit dem sich dieses Risiko abschätzen lässt», sagt Isabel Berwian. Psychologin und Postdoktorandin an der Translational Neuromodeling Unit von ETH und Universität Zürich.
In einer Studie, die in der Fachzeitschrift JAMA Psychiatry publiziert wurde, konnte sie nun zeigen, dass gewisse Prognosen zum Rückfallrisiko bei Depressionen möglich sind. Für die Studie rekrutierten sie und ihre Kollegen in Zürich und Berlin Patientinnen und Patienten mit wiederkehrender oder schwerer depressiver Erkrankung, die sich in der sogenannten Remissionsphase befanden. Die Studienteilnehmer erhielten eine Aufgabe, mit der ihre Bereitschaft gemessen werden konnte, je nach Belohnungsniveau eine Anstrengung zu unternehmen. Konkret mussten sie zwischen zwei Optionen wählen: eine kleine Anstrengung für eine kleine Belohnung oder eine grössere Anstrengung für eine grössere Belohnung.
Die Auswertung zeigt, dass von Depressionen Betroffene im Vergleich mit gesunden Vergleichspersonen länger brauchten, um sich zwischen den Optionen zu unterscheiden. Bei Patienten, die nach dem Absetzen einen Rückfall erlitten, war die Entscheidungszeit noch länger. Die Forschenden konnten zeigen, dass bei zwei von drei Personen aufgrund der Entscheidungszeit richtig vorausgesagt wird, ob sie in Zukunft einen Rückfall erleiden werden.
Im Bett bleiben oder aufstehen?
Eine Modellrechnung hat ausserdem gezeigt, dass Personen, die eine depressive Phase erlebt haben, Anstrengungen eher vermeiden. Berwian veranschaulicht dies folgendermassen: «Stellen Sie sich vor, dass Sie an einem Abend bereits im Bett liegen. Dann rufen Bekannte an und fragen, ob sie mit Ihnen in der Stadt ein Eis essen kommen. Eine gesunde Person wird vermutlich aufstehen und hingehen. Eine Person, die eine depressive Episode hatte, bleibt dagegen eher im Bett. Sogar wenn ihr die Aktivität gefallen würde, scheint ihr die dazu notwendige Anstrengung zu gross.»
Obwohl die Studie gezeigt hat, dass die Entscheidungszeit gewisse Prognosen zum Rückfallrisiko ermöglicht, sind diese Erkenntnisse für eine Anwendung in der Praxis noch nicht reif. «Wir können noch nicht für uns beanspruchen, ‹die› Lösung gefunden zu haben. Unsere Ergebnisse müssten an einer grösseren Stichprobe validiert werden, da unsere relativ klein war», erklärt Berwian.
Die Studie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert und an der Translational Neuromodeling Unit der ETH und der Universität Zürich, an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und dem Universitätsspital Charité in Berlin durchgeführt. Der Studienleiter Quentin Huys ist heute am University College London tätig.
Dieser Text basiert auf einer Medienmitteilung des Schweizerischen Nationalfonds.
Literaturhinweis
Berwian IM, Wenzel J, Collins AGE, Seifritz E, Stephan KE, Walter H, Huys QJM: Computational mechanisms of effort and reward decisions in depression and their relationship to relapse after antidepressant discontinuation, Jama Psychiatry 2020, doi: 10.1001/jamapsychiatry.2019.4971